Zentrale Ansprechstellen sollen Situation für Menschen mit Behinderung verbessern
Wien (PK) – Mit einer breiten Themenpalette ging die heutige Sitzung des Sozialausschusses des Nationalrats zu Ende. Unter anderem befassten sich die Abgeordneten mit dem Thema Pflege, der Situation von Menschen mit Behinderung, coronabedingten Kreditstundungen und dem Zugang von ForscherInnen zu Registerdaten. Einstimmig vom Ausschuss angenommen wurde ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien: Er zielt auf die Schaffung zentraler Ansprechstellen für Menschen mit Behinderung ab, um bürokratische Hürdenläufe zu unterbinden. Sämtliche Initiativen der Opposition wurden hingegen mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.
Sozialminister Wolfgang Mückstein: Investitionen in den Sozialstaat zahlen sich aus
Im Antrag der Koalitionsfraktionen, der einstimmig angenommen wurde, ersucht der Ausschuss Sozialminister Mückstein, gemeinsam mit den Ländern, den Sozialversicherungen und dem Arbeitsmarktservice (AMS) die notwendigen Schritte zu setzen, damit Menschen mit Behinderung künftig jeweils „One-Stop-Shops“ für die drei Bereiche Hilfsmittel und Heilbehelfe, Beratung, Begleitung und Betreuung sowie persönliche Assistenz zur Verfügung stehen. Ebenso ist ihnen eine zentrale Ansprechstelle an der Schnittstelle AMS, Sozialministeriumservice, Länder und Sozialversicherung ein Anliegen.
Begründet wird die Initiative damit, dass transparente und effiziente Hilfen für eine erfolgreiche Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen wichtig seien. Die vielfältigen Zuständigkeiten und die teilweise mangelnde Kooperation zwischen einzelnen Ämtern und Behörden würden es Betroffenen aber erschweren, die jeweils passende Unterstützung zu bekommen, geben Heike Grebien (Grüne) und Kira Grünberg (ÖVP) in den Erläuterungen zum Antrag (1545/A(E)) zu bedenken. Es braucht ihrer Meinung nach daher Anlaufstellen, die Anträge von Menschen mit Behinderung gesammelt entgegennehmen und diese an die zuständigen Stellen weiterleiten. Zudem sei eine personenzentrierte Hilfestellung wesentlich.
Zustimmung erhielt der Entschließungsantrag auch von der Opposition. Es habe schon mehrere Anläufe in diese Richtung gegeben, und sie hoffe, dass es dieses Mal gelingen werde, sagte Verena Nussbaum (SPÖ). Nach Ansicht von Fiona Fiedler (NEOS) geht der Antrag in die richtige Richtung, auch wenn sie sich fragt, warum es vier One-Stop-Shops geben soll und sie eine Einbeziehung betroffener VetreterInnen vermisst. Fiedler zufolge könnten die Anlaufstellen in den Bezirkshauptmannschaften eingerichtet werden.
Zur Forderung der FPÖ nach einer Evaluierung und einem Ausbau der Mobilitätsförderung für Menschen mit Behinderung merkte Grün-Abgeordnete Grebien an, dass es auch beim Klimaticket Ermäßigungen für Menschen mit Behinderung geben wird. Der von FPÖ-Abgeordnetem Christian Ragger eingebrachte Entschließungsantrag (1527/A(E)) wurde in diesem Sinn vertagt. Ragger vermisst innovative Konzepte und verwies etwa auf das Beispiel Italien.
Sozialminister Wolfgang Mückstein führte aus, dass er die Wahrung des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Mittelpunkt seiner Amtsführung sehe. Das bedeute für ihn auch, dass für die ÖsterreicherInnen im Krisenfall stets ein starkes Sozialsystem und ein gutes öffentliches Gesundheitssystem zur Verfügung stehe. Er bekenne sich auch zu dem ambitionierten Ziel der Bundesregierung, die Zahl der Menschen, die in Österreich in Armut leben, zu halbieren. Bei diesem Ziel hoffe er auch auf die Unterstützung aller Fraktionen. Die Pandemie habe die Erreichung des Ziels nicht einfacher gemacht, die Bundesregierung habe aber sofort Schritte gesetzt, um so viele Menschen wie nur möglich vor dem sozialen Absturz zu bewahren. Kurzarbeit, Notstandshilfe und Mindestsicherung hätten hier eine zentrale Funktion. Wichtige Elemente im Kampf gegen Armut seien Bildung und ein starkes Sozialnetz. Der wichtigste Faktor zur Verhinderung von Armut seien aber Arbeitsplätze mit angemessener Bezahlung. Daher werde sich die Bundesregierung verstärkt der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit annehmen, sagte Mückstein. „Investitionen in den Sozialstaat zahlen sich aus“, betonte der neue Sozialminister, sie seien die Voraussetzung, um gut durch Krisen kommen zu können.
FPÖ fordert Hospiz-Ausbau und mehr Pflegegeld für Personen in häuslicher Pflege
Von der FPÖ gefordert wird außerdem eine Erhöhung des Pflegegelds für jene Personen, die zu Hause betreut werden, wobei konkret ein 50%-iger Zuschlag ab Pflegestufe 3 vorgeschlagen wird (1526/A(E)). Zudem haben Christian Ragger und seine FraktionskollegInnen drei Forderungen der Caritas in Bezug auf den Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung aufgegriffen (1484/A(E)). Ihrer Meinung nach geht es nicht an, dass der Hospiz- und Palliativbereich zum Teil immer noch auf Spenden angewiesen ist. Es brauche eine Regelfinanzierung und einen Rechtsanspruch.
Auch diese beiden FPÖ-Anträge wurden vertagt. Die Vertagung wurde von ÖVP und Grünen damit begründet, dass diese mit der Pflegereform zusammenhängen. Es gebe ein klares Bekenntnis zum Ausbau der Hospiz-und Palliativversorgung, sagte Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) und kündigte an, im Zuge der Pflegereform diesem Bereich besonderes Augenmerk zu widmen. Zudem wiesen sowohl Scheucher-Pichler als auch Heike Grebien (Grüne) darauf hin, dass das Thema in engem Zusammenhang mit der Neuregelung der Sterbehilfe stehe. Was die Frage des Pflegegelds betrifft, hob Ernst Gödl (ÖVP) die Notwendigkeit hervor, Pflege zu Hause attraktiver zu machen, wobei es seiner Ansicht nach nicht nur um die finanzielle Unterstützung, sondern etwa auch um Tagesbetreuungseinrichtungen oder einen pflegefreien Tag für pflegende Angehörige geht.
Kein Verständnis für die Verknüpfung des Themas Hospiz- und Palliativversorgung mit der Pflegereform zeigte die Opposition. Sie habe den Eindruck, dass der Ausbau auf „den Sankt Nimmerleinstag“ verschoben werden solle, sagte Verena Nussbaum. Zudem gaben Gerald Loacker (NEOS) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) zu bedenken, dass die Mittel für den Palliativ- und Hospizbereich seit 2013 nicht angehoben wurden. Man müsse schneller handeln, unabhängig von einer Pflegereform, sagte Belakowitsch. Angesichts der anstehenden Neuregelung des assistierten Suizids sei das Thema überdies dringlich, ist sich die Opposition einig. Christian Ragger verwies auf das deutsche Hospiz- und Palliativversorgungsgesetz und urgierte ähnlich klare Regelungen in Österreich.
Es freue ihn, dass die Opposition Druck mache, hielt Norbert Sieber (ÖVP) dazu fest, wobei er gleichzeitig „volles Vertrauen“ äußerte, dass es eine zeitgerechte Regelung geben werde. Sein Fraktionskollege Michael Hammer wies auf die Zuständigkeit der Länder und die zahlreichen Schnittstellen hin.
Sozialminister Mückstein bekräftigte, Pflege und Betreuung seien zentrale Anliegen der Sozialpolitik. Derzeit hätten 5% der ÖsterreicherInnen Anspruch auf Pflegegeld, aufgrund der demographischen Entwicklung werde dieser Anteil zweifellos wachsen. Seit 2020 gebe es ein erhöhtes Pflegegeld, über die Ausweitung des Erschwerniszuschlags würden derzeit Gespräche geführt, wobei es darum gehe, ihn von 25 auf 45 Stunden pro Monat zu erhöhen. Auch die Gespräche über die Finanzierung der Palliativmedizin und der Hospize seien derzeit im Laufen. Zur Frage des assistierten Suizids gebe es auch bei den Beschäftigten im Palliativ- und Hospizbereich sehr unterschiedliche Zugänge, wie er sich überzeugen habe können, sagte der Minister. Die Bundesregierung stehe aber jedenfalls dazu, dass niemand auf seinem letzten Lebensabschnitt alleingelassen werden dürfe.
FPÖ findet kein Gehör für Forderung nach Verlängerung gesetzlicher Kreditstundungen
Vom Sozialausschuss vertagt wurde die Forderung der FPÖ nach einer Verlängerung der im Zuge der Corona-Krise vom Parlament beschlossenen gesetzlichen Kreditstundungen (1403/A(E)). Wer infolge der Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, konnte die Rückzahlung von Kreditraten wie Wohnkrediten um bis zu zehn Monate aussetzen, diese also nach hinten verschieben. Auch für Kleinstunternehmen galten analoge Bestimmungen. Bereits im Konsumentenschutzausschuss hatte Sozialminister Wolfgang Mückstein erklärt, dass er nichts vom Wiederaufleben der im Jänner ausgelaufenen Stundungen halte, da man KreditnehmerInnen nicht zu weiteren Stundungen verleiten solle, wo es nicht nötig sei. Das wurde im Sozialausschuss von Klaus Fürlinger (ÖVP) bekräftigt, der auf den bereits im Konsumentenausschuss in Verhandlung befindlichen Antrag verwies. FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer meinte hingegen, solange die Pandemie nicht beendete sei, müssten auch die Stundungen weiterlaufen.
Scharf kritisiert wird von der FPÖ auch die Einmahnung gestundeter Sozialversicherungsbeiträge durch die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS) mitten im dritten Lockdown, wobei auch dieser Antrag (1244/A(E)) vertagt wurde. Dagmar Belakowitsch argumentierte, da Steuerzahlungen noch gestundet seien, sollte dasselbe auch für Sozialversicherungsbeiträge gelten. SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch sagte, auch aus Sicht seiner Fraktion müsse es für Unternehmen, die nach dem Lockdown in Schwierigkeiten geraten, einen Etappenplan geben. Klaus Fürlinger (ÖVP) hielt dem entgegen, dass der Bund aufgrund der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen hier keinen weiteren Einfluss nehmen könne.
FPÖ gegen Diskriminierung von Personen ohne COVID-19-Impfung
Neuerlich im Ausschuss zur Diskussion stand ein Entschließungsantrag der FPÖ (1365/A(E)), mit dem sich Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak und seine FraktionskollegInnen unter Berufung auf eine Resolution des Europarats gegen eine Diskriminierung von Personen ohne COVID-19-Impfung wenden. Die Bundesregierung ignoriere die Forderungen des Europarats völlig, kritisierte Hannes Amesbauer (FPÖ). Hier gehe es nicht um Impfgegnerschaft, sondern darum, dass die Bundesregierung unverhältnismäßige Eingriffe in Grundrechte vornehme und zudem der soziale Druck auf Nicht-Geimpfte immer stärker spürbar werde. Dagegen trete seine Fraktion auf.
Der Antrag wurde erneut vertagt, wobei Abgeordnete Heike Grebien (Grüne) feststellte, es gebe eine niederschwellige Möglichkeit für Nicht-Geimpfte, dieselben Freiheiten wie andere in Anspruch zu nehmen, nämlich Tests. Von den FPÖ-Abgeordneten wurde vehement in Abrede gestellt, dass Tests eine Diskriminierung verhindern. FPÖ-Abgeordneter Michael Schnedlitz meinte, ein Test sei ebenfalls ein massiver Eingriff in Persönlichkeitsrechte. Seine Fraktionskollegin Dagmar Belakowitsch fügte hinzu, für eine durchaus beträchtliche Anzahl von Menschen seien Corona-Tests keine Option, etwa für Kinder mit Behinderungen. Diese würden dann einfach vom Schulunterricht ausgeschlossen.
Bundesminister Mückstein unterstrich, dass er die Forderungen und Feststellungen des Europarats durchaus teile. So weise der Europarat auf die Wichtigkeit von Impfungen hin, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Auch stelle der Europarat richtig fest, dass Fehlinformationen der Bevölkerung entgegenzutreten sei. Er wolle jedenfalls erneut unterstreichen, dass Impfungen in Österreich freiwillig seien und es auch bleiben sollen. Er hoffe aber selbstverständlich auf eine hohe Impfbereitschaft.
NEOS drängen auf einfacheren Zugang der Wissenschaft zu Registerdaten
Auch über das Anliegen der NEOS, WissenschaftlerInnen und ForscherInnen den Zugang zu Registerdaten zu erleichtern (948/A(E)), hat der Sozialausschuss bereits einmal diskutiert. Es gebe in Österreich zahlreiche Datenbanken mit Gesundheitsdaten, Pensionsdaten, Arbeitsmarktdaten, Pflegedaten, Bildungsdaten und anderen wesentlichen Informationen, diese seien aber kaum untereinander verknüpft bzw. für die Forschung und Wissenschaft nur schwer zugänglich, kritisiert Gerald Loacker und urgiert Verbesserungen. Ein eigener Antrag (667/A(E)) hat außerdem die Forderung nach einer Bereitstellung von Pensionskontodaten in anonymisierter Form für die Wissenschaft zum Inhalt. Die Pandemie habe gezeigt, dass eine bessere Datenlage helfen würde, dass wichtige Entwicklungen von der Wissenschaft besser antizipiert werden könnten, meinte Loacker. Das gelte auch für langfristige Entwicklungen im Pensionssystem.
Eine gute Datenlage sei zweifellos wünschenswert, ob eine ausreichende Anonymisierung der komplexen Gesundheits- und Sozialdaten der ÖsterreicherInnen technisch möglich ist, müsse jedoch noch geprüft werden, sagten sowohl Markus Koza (Grüne) als auch Klaus Fürlinger (ÖVP) zur Forderung der NEOS. Hier gebe es noch eine Reihe offener Fragen, waren sich die Vertreter der Koalition einig. Sie hielten daher eine Vertagung der Anträge für gerechtfertigt. (Schluss Sozialausschuss) gs/sox
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