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Nehammer: Bekämpfung des Sozialleistungsbetruges ist internationales Best Practice Modell

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Wien (OTS) – Im Rahmen einer Pressekonferenz zogen Innenminister Karl Nehammer und der Direktor des Bundeskriminalamts General Andreas Holzer Bilanz über den Sozialleistungsbetrug in Österreich und die getroffenen Maßnahmen der Polizei: Die Arbeit der eigens dafür eingerichteten Task Force im Bundeskriminalamt in enger Kooperation mit den Landespolizeidirektionen und der enge Austausch mit allen betroffenen Institutionen und Behörden hat sich gelohnt. 2020 konnten erneut mehr Tatverdächtige überführt werden. „Die staatlichen Sozialsysteme sind kein Selbstbedienungsladen. Österreich hat ein international beachtetes Best Practice Modell zur Bekämpfung dieser besonderen Form der Kriminalität entwickelt“, so Karl Nehammer.

Über den Sozialleistungsbetrug

Die Varianten des Sozialleistungsbetrug sind sehr vielfältig: Eine Person täuscht eine fremde Identität vor und beantragt eine bedarfsorientierte Mindestsicherung oder ein Pensionist aus dem europäischen Ausland erlangt in Österreich eine Ausgleichszulage, obwohl er in seinem Heimatland lebt. So vielfältig der Sozialleistungsbetrug ist, so breit sind auch jene Stellen und Institutionen angesiedelt, die diese Leistungen auszahlen. Um nachhaltig und effizient bundesweit gegen dieses Phänomen vorzugehen, wurde 2018 im Bundeskriminalamt die Task Force Sozialleistungsbetrug eingerichtet. Die zunehmenden Fallzahlen und der dadurch entstehende Schaden an der Leistungsfähigkeit des österreichischen Sozialsystems unterstreichen die Wichtigkeit ihrer Arbeit. Der Sozialleistungsbetrug ist vom Sozialbetrug klar zu unterscheiden. Unter Sozialbetrug werden Beitragsverkürzungen durch Scheinfirmen und die organisierte Schwarzarbeit verstanden.

Steigende Fallzahlen

Während 2016 bis 2018 noch zwischen 472 und 737 Fälle zur Anzeige gebracht wurden, konnten 2019 und 2020 die Fallzahlen stark gesteigert werden: 2019 wurden 2.255 und 2020 insgesamt 3.820 Fälle aufgedeckt. Das bedeutet ein Plus von 69,4 Prozent von 2019 auf 2020. 2020 konnten insgesamt 4.118 Tatverdächtige von der Polizei ausgeforscht werden, wovon mehr als die Hälfte Fremde waren (2.857). Beachtlich gestiegen ist auch ist die entstandene Schadenssumme: Sie beläuft sich 2020 auf 20,1 Millionen Euro, ein Plus von 74 Prozent (2019: 11,5 Millionen Euro). Der Großteil der Fälle – 1.995 Fälle mit einer Schadenssumme von 5,4 Millionen Euro – wurde in Wien angezeigt. „Das entschlossene Vorgehen gegen jede Form des Sozialleistungsbetruges schützt vor allem jene, die tatsächlich Unterstützung brauchen“, so Karl Nehammer.

Seit Projektbeginn wurden über 50 verschiedene Modi Operandi des Sozialleistungsbetruges erkannt, darunter unter anderem

  • der Missbrauch von Pensionsleistungen durch Vortäuschen eines Scheinwohnsitzes,
  • die Verwendung falscher Identitäten und Erschleichung der Grundversorgung,
  • verbotene Auslandsaufenthalte bei gleichzeitigem Konsum von österreichischen Sozialleistungen,
  • der Bezug von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe und
    Verschweigen von Schwarzarbeit,
  • der Erhalt der Mindestsicherung trotz ausreichend eigenem
    Vermögen,
  • die Manipulation bei Unterkunftskosten,
  • der widerrechtliche Erhalt der Familienbeihilfe.

Systeme durchleuchten und Schwachstellen aufdecken

Die Task Force hat mit Juli 2020 ihre zweijährige Projektphase abgeschlossen. Bis dahin wurden die Grundlagen erarbeitet und der Austausch mit anderen Institutionen und Behörden ausgebaut. Seit heuer wird der Sozialleistungsbetrug neben den Verantwortlichen in den Landespolizeidirektionen auch schrittweise auf Bezirksebene durch die Kriminaldienstreferenten mit Unterstützung der Verantwortlichen der Fremden- und Grenzpolizeilichen Abteilung hauptverantwortlich organisiert und koordiniert. Da es durch die Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie teilweise zu Verzögerungen kam, steht die Task Force weiterhin unterstützend zur Seite, um professionelle, regionale Ermittlungen zu gewährleisten.

Ausblick: Masterplan 2021

Die Task Force hat aufgrund des starken Anstiegs der Fallzahlen einen Masterplan 2021 erstellt, der bereits in Umsetzung ist. In diesem ist unter anderem die verstärkte Zusammenarbeit mit der Justiz und diversen auszahlenden Stellen, wie beispielsweise der Pensionsversicherung oder den Finanzbehörden vorgesehen. Auch die internationale Zusammenarbeit nimmt eine wichtige Rolle ein. Um diese zu verbessern wird mit dem Bundeskriminalamt Wiesbaden eng zusammengearbeitet. 2021 sind zudem zahlreiche bundesweite Schwerpunktaktionen geplant. Oberstes Ziel ist es das nunmehr bestehende flächendeckende Netz an Beamtinnen und Beamten innerhalb der Polizei eng mit allen Stakeholdern zu verknüpfen und mit allen auszahlenden Stellen geeignete Rahmenbedingungen für eine dauerhafte und professionelle Kooperation geschaffen zu haben.

Beispiele für Sozialleistungsbetrug aus der Steiermark, Niederösterreich und Tirol

  • Obwohl die 85-jährige Mutter eines in der Steiermark lebenden Mannes schon im Jahr 2014 verstorben war, kassierte dieser fast sechs Jahre die Pension der Verstorbenen weiter. Der entstandene Schaden beläuft sich auf 140.000 Euro.
  • Bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg wurde ein Ehepaar
    angezeigt, das seit 2015 die bedarfsorientierte Mindestsicherung und Leistungen des Arbeitsmarktservices (AMS) bezog, obwohl sie gemeinsam mit weiteren Familienmitgliedern einen illegalen Handel mit Buntmetall betrieben. Der durch das Ehepaar entstandene Gesamtschaden wird auf mehr als 119.900 Euro geschätzt.
  • Das Landeskriminalamt Niederösterreich deckte weiters den Sozialleistungsbetrug eines 61-Jährigen auf, der beim AMS und der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vorgab, schwer invalid zu sein, jedoch leidenschaftlicher Tennisspieler war und sogar Trainerstunden gab. Der Gesamtschaden beträgt 230.000 Euro.
  • In Tirol kam die Fremdenpolizei einem 50-jährigen türkischen Staatsbürger auf die Schliche, der sich 85.000 Euro an Leistungen erschlich. Er kassierte Mietzinsbeihilfe als „Mieter“ in seiner eigenen Wohnung.
  • Darüber hinaus konnte in Tirol ein Ehepaar ausgeforscht werden,
    das von 2015 bis 2020 zu Unrecht über 70.000 Euro an Sozialleistungen für ihre behinderte Tochter bezog. Sie gaben vor, ihren Lebensmittelpunkt und Wohnort in Österreich zu haben. Tatsächlich lebten sie in der Türkei und reisten nur für wenige Wochen im Jahr für Besuche und Behandlungen nach Österreich.

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