„Best of Böse“-Beitrag zu Nadja Bernhard medienethisch zulässig
Wien (OTS) – Der Senat 2 des Presserats beschäftigte sich mit einem Beitrag im Jahresrückblick „Best of Böse“ der Ausgabe 52/20 der Wochenzeitung „Falter“. Der Senat sah in dieser Angelegenheit keinen Grund für die Einleitung eines Verfahrens vor dem Presserat.
In dem Jahresrückblick belegt die ZIB-Moderatorin Nadja Bernhard Platz 83 im „Best of Böse“-Ranking, da sie bloß aus optischen Gründen eine Brille „in der Größe von zwei Bildschirmen“ trage. So solle man sich vorstellen, jemand würde mit zwei gesunden Beinen einen Stock benutzen oder ein Hörgerät ohne Hörschaden tragen – dies sei undenkbar. Menschen mit Sehschwächen zu imitieren sei eine der letzten politischen Unkorrektheiten, die man sich noch erlauben könne, heißt es im Beitrag. Ein Leser wandte sich an den Presserat und kritisierte, dass der Beitrag sexistische Unterstellungen gegenüber Frau Bernhard enthalte.
Zunächst betont der Senat, dass der satirische Charakter des kritisierten Beitrags offenkundig ist. Nach der bisherigen Entscheidungspraxis des Presserats ist die Presse- und Meinungsfreiheit ist bei Satire von vornherein besonders weit auszulegen. Die Senate orientieren sich bei satirischen Beiträgen daran, inwieweit die überhöhte Kritik einen Sachbezug zu einem konkreten Ereignis aufweist.
Der vorliegende Beitrag befasst sich auf ironische Weise mit Nadja Bernhard und dem Umstand, dass sie ihre große modische Brille eigentlich gar nicht benötige. So trage Bernhard ihre Brille lediglich aus optischen Gründen und imitiere damit Menschen mit Sehschwäche. Nach Auffassung des Senats wird im Beitrag auch auf die Debatte über politische Korrektheit angespielt. Es wird sohin grundsätzlich ein Thema aufgegriffen, das für den gesellschaftspolitischen Diskurs von Relevanz ist.
Allerdings sind die Medien auch im Falle eines satirischen Beitrags dazu angehalten, die vorhandene Faktenbasis zu verifizieren. Tatsachen, an denen die Satire anknüpft, sollten daher stichhaltig bzw. gewissenhaft recherchiert sein.
Im vorliegenden Fall wies der „Falter“-Chefredakteur in einem öffentlichen Posting in den sozialen Netzwerken darauf hin, dass der Inhalt des „Best of Böse“-Beitrags aus einem Interview der Fernsehmoderatorin mit der Tageszeitung „Heute“ herrühre. Tatsächlich erschien auf „heute.at“ mit dem Titel „Nadja Bernhard verrät, warum sie jetzt Brille trägt“. Darin heißt es, dass die Moderatorin eigentlich noch keine Brille benötige und es sich um ein modisches Accessoire gehandelt habe. Am Ende des Artikels wird sie damit zitiert, dass sie die Brille immer dann tragen werde, wenn es zum Outfit passe.
Im Ergebnis hält es der Senat für nachvollziehbar, dass das Medium die Faktenbasis für den satirischen Beitrag wegen Nadja Bernhards Interview mit „heute.at“ als unstrittig ansah. Aufgrund der Kürze des Beitrags, des Negativrankings lediglich an der 83. Stelle und der Vielzahl an Personen, die in der jährlichen satirischen Bilanz „Best of Böse“ vorkommen, war es im vorliegenden Fall nach Auffassung des Senats auch nicht erforderlich, bei Nadja Bernhard noch einmal direkt nachzufragen. Außerdem weist der Senat darauf hin, dass das Medium in der darauffolgenden Ausgabe einen Leserbrief veröffentlichte, in dem Nadja Bernhard festhielt, dass sie mit 1,5 Dioptrien auf eine Sehbrille angewiesen sei – das Medium ist somit dem Anliegen Bernhards nachgekommen, ihre Klarstellung zu publizieren. Darüber hinaus stuft der Senat den Beitrag auch nicht als sexistisch ein.
SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINES LESERS
Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der drei Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig. Im vorliegenden Fall wurde der Senat 2 aufgrund einer Mitteilung eines Lesers tätig und teilt seinen medienethischen Standpunkt. Die Medieninhaberin der Wochenzeitung „Falter“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.
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