Diakonie: Stimmen für therapeutische Hilfe für seelisch schwer Verwundete. Stimmen für Jefira!
Wien/St.Pölten (OTS) – Die finanzielle Unterstützung der Therapieeinrichtung der Diakonie „Jefira“ für seelisch schwer verwundete Kinder und Erwachsene in Niederösterreich ist vom zuständigen Landesrat gestrichen worden. Die TherapeutInnen der Einrichtung haben in den letzten 15 Jahren fast 1.800 Personen – davon viele Kindern – mit traumatischen Erfahrungen mit 33.000 Stunden Einzel- und Gruppen-Psychotherapie geholfen.
Zahlreiche namhafte GesundheitsexpertInnen und MedizinerInnen verschiedener Institutionen melden sich jetzt besorgt zu Wort:
„Trauma endet nicht mit dem Ende des Kriegs, die Probleme können chronisch und durch erneute schlechte Erlebnisse verstärkt werden. Wenn wir nicht therapeutisch helfen, dann kann es für die Betroffenen zu schweren Depressionen kommen“, warnt Dr. Hadya Nassan-Agha-Schroll, Oberärztin am Krankenhaus Tulln sowie Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutin.
„Ich habe viele PatientInnen zu Jefira überwiesen, weil es sonst in Niederösterreich keine vergleichbar spezialisierte Einrichtung gibt“, sagt Allgemeinmedizinerin Dr. Karin Tschare, die in Purkersdorf praktiziert. „Jefira ist ein einzigartiges Gesundheitszentrum für Diagnostik und Therapie bei posttraumatischen Belastungsstörungen“, betont die Ärztin. „Wir müssen akute Traumatisierungen rasch behandeln, so wie wir bei einem Tumor auch nicht warten bis er immer größer wird, sondern rechtzeitig mit der Therapie beginnen“.
Der niederösterreichische Landesverband für Psychotherapie protestiert gegen das Aus für Jefira: „Das Ende der Psychotherapie für traumatisierte Flüchtlinge ist grundfalsch“, sagt seine Vorsitzende Maria Werni. „Viele Flüchtlinge brauchen dringend Psychotherapie um ihre traumatischen Erfahrungen aufzuarbeiten. Nur so können sie sich in unsere Gesellschaft integrieren“.
„Therapie von Traumatisierten ist ein wesentlicher Baustein für die Vermeidung von unnötigen Untersuchungen in dieser Patientengruppe“, weiß Univ.Prof Dr. Siroos Mirzaei, Primar am Wiener Wilhelminenspital mit langjähriger Erfahrung in diesem Feld. „Und ist erster Baustein für die Integration in die Gesellschaft“.
„Geflüchtete Menschen leiden unter massiven Traumafolgestörungen, insbesondere unter den sehr belastenden Erinnerungen, häufig begleitet von körperlich ausgedrückten Symptomen wie z.B. massiven Ein- und Durchschlafstörungen oder Konzentrationsstörungen. Studienergebnisse zeigen, dass in der Gruppe der unbehandelten Menschen zwischen 10- und 40 % unter diesen klinisch bedeutsamen Symptomen leiden. Bei Menschen, die in psychotherapeutischer Behandlung sind, ist der Anteil der von den Traumafolgestörungen betroffenen noch wesentlich höher, was deren Behandlungsbedarf unterstreicht“, betont Univ. Prof. Dr. Brigitte Lueger-Schuster, Leitung der Arbeitsgruppe Psychotraumatologie an der Universität Wien, die Bedeutung von therapeutischer Hilfe wie sie Jefira leistet. „Psychotherapie ist das Mittel der Wahl, um dieses Leid zu lindern, dafür gibt es eindeutige wissenschaftliche Belege. Es ist aus wissenschaftlicher Sicht absolut erforderlich, dolmetsch-unterstützte Psychotherapie zur Verfügung zu stellen, denn nur in der eigenen Sprache kann man den komplexen traumatischen Vorgängen, die die Betroffenen erlitten haben, gerecht werden. Erst die Verarbeitung des Traumas und die Symptomreduktion ermöglichen es geflüchteten Menschen, im Zielland aktiv am Alltag teilzunehmen, da die Beschwerden dem Spracherwerb, der Arbeitssuche und der sozialen Integration im Weg stehen“, so die Professorin.
„Psychotherapie für Menschen, die Folter- und Krieg überlebt haben, ist ein wichtiger und unverzichtbarer Baustein eines humanen Gesundheitswesen“, konstatiert Barbara Preitler, Pionierin der Psychotraumatologie in Österreich und Universitätslektorin an der Universität Klagenfurt. „Österreich hat die Antifolter-Konvention ratifiziert und damit ein klares Bekenntnis zur vollen Rehabilitation von gefolterten Menschen abgelegt. Daher braucht Niederösterreich natürlich auch weiterhin – wie in allen Bundesländern: Angebote der medizinischen, sozialen und psychologisch/psychotherapeutischen Rehabilitation. Zusätzlich wissen wir, dass Psychotherapie von schwer traumatisierten Menschen Folgekosten für das medizinische System verhindert: weniger Krankenhausaufenthalte, lange Krankenstände wegen chronischer Erkrankung etc. können vermieden werden.“, so die Psychologin.
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