Höhere Löhne für die Pflegeberufe – koste es was es wolle!?
Dornbirn / Wien (OTS) – Die Pflege auf Intensiv- und Covid-Stationen gehört ohne Frage zu jenen Berufsgruppen, die am schwersten an der Corona-Krise zu tragen haben. Mit ihnen sind es die Pflege in Alters-und Pflegeheimen sowie die Pflege des Mobilen Dienstes, die Covid 19 an die Grenze ihrer Resilienz/Belastbarkeit bringt.
Es ist legitim, unter solchen Rahmenbedingungen die Frage zu stellen, ob die Pflege fair entlohnt ist. Für die Auseinandersetzung mit dieser Themenstellung gilt das gleiche wie für die Festlegung von Strategien und Maßnahmen in der Corona-Krise: sie hat vor allem auf Basis methodisch einwandfreier Analysen und zuverlässigem Datenmaterial zu erfolgen. Dazu ist zuerst einmal zwischen der außergewöhnlichen Belastungssituation in der Corona-Krise und der „normalen“ Belastungssituation im klinischen und pflegerischen Alltag zu unterscheiden. Die außergewöhnliche Belastung in der Corona-Krise bedarf außergewöhnlicher Leistungen für die betroffene Pflege in Form großzügiger Prämien, in Form von Zusatzurlauben oder anderen Benefits.
Bleibt die Frage, ob die Mitarbeiter der Pflegeberufe für ihre „normale/alltägliche“ Arbeits-/Belastungssituation angemessen bezahlt werden. Wir, die BWI Unternehmensberatung GmbH, haben in den letzten 10 Jahren öffentliche Kliniken in 6 Bundesländern bei der Einführung neuer Entlohnungssysteme für die Gesundheitsberufe (Ärzte, Pflege und Medizinisch-Technischer Dienst) beraten. Für Länder und Kommunen waren wir bei der Einführung von Entlohnungssystemen für Mitarbeitende der Pflege in Altersheimen, Pflegeheimen und im Mobilen Dienst tätig. Zusätzlich erheben und interpretieren wir jährlich die Einkommen des Arbeitsmarktes segmentiert unter anderem auch für die Gesundheitsberufe.
Für die typischen Berufe der Pflege zahlt der österreichische Arbeitsmarkt folgende Einkommen (dargestellt sind Monatsbruttolöhne bei einer 40-Stundenwoche inklusive funktionsbezogener Zulagen, aber ohne Dienste):
Die Hierarchie der Pflegeberufe beginnt mit der Pflegeassistenz. Nach einer praxisorientierten Ausbildung von einem Jahr werden von der Pflegeassistenz einfache Routineaufgaben der Pflege unter Aufsicht qualifizierter PflegerInnen ausgeführt. Bei den öffentlichen Krankenhausträgern lassen sich beim Berufseinstieg als Pflegeassistenz im Durchschnitt EUR 2.380 brutto monatlich verdienen. Das maximale Einkommen im Österreichvergleich liegt bei den öffentlichen Krankenhausträgern bei knapp EUR 2.800 brutto monatlich. Am Ende der Berufslaufbahn als Pflegeassistenz zahlen Österreichs öffentliche Krankenhäuser im Durchschnitt EUR 2.940 und im Maximum knapp EUR 3.200 brutto monatlich für eine Pflegeassistenz. Bescheidener sind die Einkommen der Pflegeassistenz in den Alters-und Pflegeheimen sowie im Mobilen Dienst:
EUR 2140 brutto monatlich im Österreichdurchschnitt und maximal EUR 2.390 brutto monatlich zum Berufseinstieg. Am Ende der Berufslaufbahn zahlen Alters-/Pflegeheime und Mobiler Dienst für die Pflegeassistenz im Durchschnitt EUR 2820 und maximal EUR 3180 brutto monatlich. Dieses Einkommen liegt bei vergleichbaren Aufgaben deutlich über dem Niveau des Arbeitsmarktes:
So verdienen AbsolventInnen einer Handelsschule oder kaufmännischen Lehre beim Berufseinstieg im Österreichdurchschnitt EUR 1.700 brutto monatlich, das sind um EUR 650 brutto monatlich weniger – oder hochgerechnet auf ein Jahreseinkommen um EUR 9.500 brutto weniger als die Pflegeassistenz in einem öffentlichen Krankenhaus.
Mit der GuKG-Novelle 2016 wurde mit der Pflegefachassistenz ein neuer Beruf in der Pflege eingeführt. Im Qualifikationsprofil -positioniert zwischen Pflegeassistenz und Diplomierter Pflege -übernimmt die Pflegefachassistenz qualifiziertere Pflegetätigkeiten, allerdings auch – wie die Pflegeassistenz – unter Aufsicht qualifizierter Pflegeberufe. Im Durchschnitt zahlen Österreichs öffentliche Krankenhausträger zum Berufseinstieg einer Pflegefachassistenz EUR 2.500 brutto monatlich und im Maximum EUR 2.860 brutto monatlich. Am Ende der Berufslaufbahn erhöht sich das durchschnittliche Einkommen der Pflegefachassistenz auf EUR 3.240 brutto monatlich. Das maximale Einkommen im Österreichvergleich beträgt am Ende der Berufslaufbahn für eine Pflegefachassistenz EUR 3.560 brutto monatlich.
Auch bei der Pflegefachassistenz zahlen Alters-/Pflegeheime und der Mobile Dienst geringere Einkommen:
Im Durchschnitt EUR 2.230 Brutto monatlich zum Berufseinstieg und EUR 3090 brutto monatlich am Ende der Berufslaufbahn.
Die eigenverantwortliche operative Pflege ist Aufgabe des Gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege (Diplomierte Pflege). Bisher konnte die Diplomierte Pflege nach dreijähriger Ausbildung an einer Krankenpflegeschule im Alter von 20 Jahren ihren Dienst auf einer Station antreten. Österreichs Kliniken zahlen einer Diplomierten Pflege auf der Station im Durschnitt zum Berufseinstieg EUR 2.880 und im Maximum EUR 3.120 brutto monatlich. In Alten-/Pflegeheimen sowie im Mobilen Dienst liegen die Einkommen wiederum tiefer:
EUR 2.540 brutto monatlich im Durchschnitt und im Maximum EUR 2.890 brutto monatlich.
Seit der GuKG-Novelle 2016 hat die Diplomierte Pflege eine Bachelor-Ausbildung zu absolvieren. Welche Rolle diese MitarbeiterInnengruppe künftig in Kliniken bzw. Alters- und Pflegeheimen wahrnehmen wird und wie diese Rolle honoriert wird, lässt sich zum gegebenen Zeitpunkt noch nicht definitiv abschätzen.
Zum Vergleich:
AbsolventInnen einer Handelsakademie verdienen zum Berufseinstieg im Durchschnitt des österreichischen Arbeitsmarktes im Alter von 20 Jahren EUR 1.850 brutto monatlich. Das sind im Jahreseinkommen mehr als EUR 14.000 brutto weniger als die Diplomierte Pflege auf einer Station in einer Klinik. Auch AbsolventInnen einer Universität der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Studienrichtungen liegen mit einem Durchschnittseinkommen beim Berufseinstieg von EUR 2.600 brutto monatlich unter den Einkommen der Diplomierten Pflege auf der Station mit einer dreijährigen Ausbildung auf einer Krankenpflegeschule.
Der Pflegeberuf bietet viele Möglichkeiten zur Höherqualifizierung. Nicht wenige MitarbeiterInnen der Diplomierten Pflege entscheiden sich für eine Ausbildung zur Intensivpflege:
Auf der Intensivstation lassen sich dann im Alter von etwa 25 Jahren im Österreichdurchschnitt EUR 3.400 und im Maximum EUR 3.830 brutto monatlich verdienen. Da können selbst die am Arbeitsmarkt so begehrten UniversitätsabsolventInnen der MINT-Fächer nicht mithalten:
Nach 6-7 Jahren Studium an einer Universität zahlt der österreichische Arbeitsmarkt hier im Durchschnitt EUR 3.300 brutto monatlich.
Der Karrierepfad im Pflegeberuf führt weiter zu Stations- und Pflegedienstleitung. Die Stationsleitung führt und steuert operativ einen Bereich mit durchschnittlich etwa 20 MitarbeiterInnen. Die Pflegedienstleitung trägt die Verantwortung für mehrere Stationen. Einer Stationsleitung mit Berufserfahrung zahlen Österreichs Kliniken im Durchschnitt EUR 4.300 brutto monatlich und einer Pflegedienstleitung mit Berufserfahrung EUR 5.200 brutto monatlich. An der Spitze der Pflegehierarchie lassen sich als PflegedirektorIn in der kollegialen Führung in Österreichs großen Kliniken ca. EUR 10.000 brutto monatlich und mehr verdienen.
Zur Interpretation der Markteinkommen der Pflegeberufe:
Betrachtet man das mittlere und obere Drittel der Einkommen, dann lassen sich bei den Pflegeberufen attraktive Einkommen in Relation zum Arbeitsmarkt erzielen. In diesem Segment sind die Einkommen vor allem auch für die Berufseinsteiger attraktiv und konkurrenzfähig.
Institutionen, deren Gehaltsniveau sich im unteren Drittel der Einkommenspyramide befindet, werden bei den Engpässen am Arbeitsmarkt unter Druck kommen, Gehälter anzupassen.
Beim Vergleich des Einkommensniveaus der unterschiedlichen Träger zeigen sich deutliche Unterschiede in der Bezahlung. Im klinischen Bereich lässt sich nach wie vor besser verdienen als in Pflege-/Altersheimen oder im Mobilen Dienst. In den Kliniken haben kompetente und gut vernetzte Personalvertretungen/Betriebsräte die Interessen ihrer Belegschaft offenbar gut vertreten. Unter dem Anspruch „gleiche Arbeit – gleicher Lohn“ ist für Pflege-/Altersheime und den Mobilen Dienst ein Nachzieheffekt anzunehmen.
Die Entlohnungssysteme für Gesundheitsberufe sind vielfach noch traditionell geprägt: das Lebens-/Dienstalter bestimmt maßgeblich die Entwicklung des Einkommens. Aber, der pflegerische Alltag verändert sich mit der Einführung neuer Technologien und organisatorischer Anpassungen wesentlich. Das erfordert kompetente und im state oft the art ausgebildete MitarbeiterInnen. Zeitgemäße Entlohnungssysteme haben daher vor allem auch Qualifikation und Kompetenz der MitarbeiterInnen zu honorieren.
Will man mehr junge Menschen in den Pflegeberuf bringen, dann gilt es primär das Image des Pflegeberufs zu ändern:
Pflege hat nicht nur Herz, sondern vor allem auch Verstand.
Das muss im Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit verankert werden. Die digitale Medizin ist auf eine fachlich kompetente Pflege mit Eigenverantwortung und Umsetzungsstärke angewiesen. Dieses Verständnis wird den bisher „weiblichen“ Pflegberuf auch „männlich“ machen.
Und zuletzt: Ein Überdenken der Prozesse und auch der Führungskultur wird Belastungen in den Gesundheitsberufen deutlich reduzieren und die Attraktivität dieses Berufs fördern. Gemeint sind damit insbesondere zeitgemäße Organisationsformen und auch Unternehmenskultur.
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