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„Die Energiezukunft braucht auch (grünes) Gas“

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Wien (OTS) – Energie ist nicht nur Strom: Ein klimaneutrales Energiesystems braucht auch Gas aus erneuerbaren Quellen. Grünes Gas spielt eine Schlüsselrolle bei der so genannten Sektorkopplung, die wiederum eine wesentliche Voraussetzung für ein effizientes Gesamtsystem darstellt.

Diese Position vertraten die Sprecherin des Forums Versorgungssicherheit Brigitte Ederer und der Geschäftsführer von Netz Burgenland, Wolfgang Trimmel beim Energiepolitischen Hintergrundgespräch des Forums Versorgungssicherheit am Donnerstag, 5. November 2020.

Das Konzept der Sektorkopplung sieht vor, dass Energieformen jeweils umgewandelt werden, um höhere Effizienz zu erzielen. Trimmel präsentierte als Beispiel eine Anlage in Neusiedl am See (nördliches Burgenland), wo überschüssiger erneuerbarer Strom über Wärmepumpen zur Erzeugung von Fernwärme genutzt wird. „Die Windräder heizen die Stadt“, so Trimmel.

Saisonale Speicher

Brigitte Ederer verweist darauf, dass erneuerbares Gas zwei Probleme der Energiewende lösen kann: „Erstens nutzen wir damit eine bestehende, gut ausgebaute Infrastruktur. Zweitens kann durch die Umwandlung mittels Elektrolyse der Strom aus Wind- und Photovoltaik-Anlagen gespeichert werden. Dadurch ist die Energie dann verfügbar, wenn sie gebraucht wird.“

Tatsächlich stellt die Gas-Infrastruktur in Österreich einen wesentlichen volkswirtschaftlichen Wert dar, so Ederer. Österreichweit gibt es 43.000 Kilometer Verteilernetze, 3000 Kilometer Fernleitungen sowie Speicher für einen gesamten Jahresbedarf. 2,2 Millionen Österreicher nutzen Gas im Haushalt. Es wäre daher sinnvoller, den Gasverbrauch nach und nach auf grünes Gas (Wasserstoff und Biomethan) umzustellen, als das Gas – und damit die bestehende Infrastruktur und die bestehenden Endgeräte – völlig aus dem Energiesystem zu verdrängen.

Zudem werde Wasserstoff ohnehin als saisonaler Speicher benötigt, weil Wind und Sonne typischerweise im Sommer mehr Strom liefern, als unmittelbar verbraucht wird, aber deutlich weniger im Winter produzieren, wenn der Energiebedarf am höchsten ist. Ohne saisonale Speicher müssten für die Wintermonate die im Sommer benötigten Erzeuger- und Netzkapazitäten annähernd verdoppelt werden. Im Burgenland stoßen die Verteilernetze schon jetzt an die Kapazitätsgrenze, sagt Trimmel: „Wir betreiben im Burgenland Windräder mit einer Gesamtleistung von 1,2 Gigawatt, das entspricht annähernd dem 6-7fachen des Donaukraftwerks Freudenau. In naher Zukunft kommen noch 600 Megawatt an Photovoltaik hinzu.“

Welche Möglichkeiten die Sektorkopplung und in weiterer Folge die Sektorintegration (also die Zusammenführung aller Energienetze) bieten, soll ein Projekt demonstrieren, das in Neusiedl am See geplant ist. Trimmel: „Wir werden dort mit Elektrolyse Wasserstoff aus Windenergie erzeugen, der ins Gasnetz eingespeist wird.“ Derzeit ist eine Beimischung von 4% Wasserstoff zum Erdgas zulässig, Experten halten jedoch auch eine Beimischung von bis zu 10% für möglich. Weiters, so Trimmel, wird in Neusiedl eine Wasserstofftankstelle errichtet: „Wir wollen die öffentlichen Busse im gesamten Nordburgenland auf Wasserstoff umstellen.“ Dritte Säule ist die Nutzung der Abwärme, die bei der Elektrolyse anfällt, für das Fernwärmenetz. Trimmel: „Solche Verfahren sind technisch anspruchsvoll und leider sehr teuer. Ohne Förderungen ist die Energiewende wirtschaftlich nicht durchsetzbar.“

Heizen von Wohnhäusern

Bei der Umstellung auf klimafreundliches Heizen droht eine hohe wirtschaftliche Belastung für die Haushalte, fürchtet Trimmel. Nur durch den Einsatz von erneuerbarem Gas lässt sich verhindern, dass Wohnhäuser hohe Investitionen in neue Heizanlagen auf sich nehmen müssen. „Fernwärme ist nur in den Städten verfügbar und sinnvoll“, so Trimmel, „es wäre zudem höchst ineffizient, eine parallele Infrastruktur von Gas und Fernwärme nebeneinander aufzubauen.“ Da strombetriebene Radiatoren „höchst ineffizient und wahre Stromverschwender“ sind, müssten Haushalte teure neue Heizsysteme installieren.

„Umgekehrt kann mit grünem Gas eine Million Haushalte nahezu ohne Investitionen für die Konsumenten auf klimaneutrales Heizen umgestellt werden“, rechnet Trimmel vor, „dabei können bestehende Anlagen wie Gasthermen, Durchlauferhitzer und Gas-Zentralheizungen weiter verwendet werden. Diese Umstellung können wir bis 2030 schaffen. Aber zu erwarten, dass zehntausende Hausbesitzer ihren Estrich herausreißen und eine Niedertemperaturheizung installieren, ist nicht realistisch.“

Wünsche an die Politik

Das aktuell im Parlament behandelte Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz schenke dem Gas zu wenig Aufmerksamkeit, moniert Trimmel. Die Energienetz-Betreiber fordern daher, dass die Gasinfrastruktur unbedingt erhalten werden müsse. In den Bauordnungen, in der Wohnbauförderung sowie allen anderen relevanten Bestimmungen soll sichergestellt werden, dass Gas in Wohnhäusern weiterhin verwendet werden darf, sofern es sich um grünes Gas handelt.

Weiters sollen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die den Ausbau der Erzeugungsanlagen für grünes Gas ermöglichen. Trimmel: „Wir brauchen eine Gleichbehandlung der Produzenten von erneuerbarem Gas mit anderen erneuerbaren Energieträgern, nötig ist auch ein Fördersystem analog zur Ökostromförderung.“

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