Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 30. Juli 2020. Von MAX STROZZI. „Der Infusions-Tropf bleibt hängen“.
Innsbruck (OTS) – Angesichts der nahenden Pleitewelle konnte man gar nicht anders, als die Kurzarbeit zu verlängern. Sonst marschiert Österreich Richtung eine Million Arbeitslose. Da hätten nicht nur Betroffene ein Problem, sondern auch Regierende.
Es blieb ja gar nichts anderes übrig, als das Modell der Corona-Kurzarbeit über den Herbst hinaus zu verlängern. Sonst würden wir im Oktober in Richtung eine Million Arbeitslose marschieren (derzeit sind 432.000 arbeitslos und 474.000 in Kurzarbeit). Da hätten nicht nur die betroffenen Menschen ein Riesenproblem, sondern auch die Regierenden, denn seit Wochen wird jedem vor Augen geführt, was alle Fachleute schon zum Zeitpunkt der behördlichen Zwangsschließungen Mitte März – dem „Lockdown“ – formuliert hatten:
Wer den Anschein erwecken will, man könne dem Wirtschaftsmotor den Schlüssel abziehen, ihn kurz danach wieder starten und er schnurrt bald wieder, als wäre nichts gewesen, streut den Menschen Sand in die Augen. Die „staatlich verordnete Krise“ (© Wirtschaftskammer-Ökonom Stefan Garbislander) hat deshalb jetzt zwangsläufig die staatliche Verantwortung zur Folge, die Betroffenen an den Tropf der – verbliebenen – Steuerzahler zu hängen und sie über die Runden zu bringen. Alles andere wäre nicht nur unmenschlich und asozial, sondern auch politischer Selbstmord. Eine Frage ist: Wie lange kann und will man sich diesen Weg leisten? Zunächst einmal bis nächsten März, zumal ganz generell eine wirtschaftliche Normalität noch lange nicht in Sichtweite ist und es im Speziellen um die touristische Wintersaison nicht wahnsinnig gut bestellt ist, denn mittlerweile hat ja jede einzelne Corona-Infektion das Potenzial, die Massen in Angst zu versetzen.
Für einen gewissen Zeitraum hat sich Kurzarbeit als Rettungsanker bewährt. Ewig lässt sich diese Karte aber auch nicht ausspielen. Nicht einmal in Corona-Zeiten. Abgesehen davon, dass man irgendwann an die Grenzen der Finanzierbarkeit stößt: Je länger das Mittel der Kurzarbeit ausgereizt wird, desto mehr werden auch problematische Strukturen konserviert und eine Weiterentwicklung verhindert. Damit riskiert man langfristig den gegenteiligen Effekt, nämlich mehr statt weniger Arbeitslose. Davor haben unlängst die Ökonomen des Instituts für Höhere Studien gewarnt. Und bis die Wirtschaft in Vorkrisen-Dimensionen zurückkehrt, wird es noch viele Jahre dauern. Vor 2024 geht da gar nichts – mit Kurzarbeit lässt sich das nicht überbrücken.
Österreichs Arbeitsmarktpolitik wird aber schon bald noch deutlich mehr zu stemmen haben als bisher. Wenn im Herbst, nach Ende des Insolvenz-Moratoriums, die befürchtete Pleitewelle ins Rollen kommt, hilft den Betroffenen kein Kurzarbeitsmodell. Da dürfte die Debatte um die Höhe des Arbeitslosengeldes wieder an Fahrt gewinnen.
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