TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Wo kein Wille, da auch kein Weg“, von Max Strozzi
Innsbruck (OTS) – Das Urteil des EU-Gerichts zugunsten des steuerschonenden Paarlaufs von Apple und Irland ist auch nur ein Ausdruck dafür, wie die EU-Staaten seit Jahren keine Lösung gegen Steuerflucht finden – oder finden wollen.
Wie sich die Schlagzeilen ähneln. „EU-Kommission macht Vorstoß im Kampf gegen Steueroasen“, hieß es etwa im April 2008. „Kampf gegen Steuervermeidung: EU-Kommission ergreift Initiative“, hieß es gestern. Dazwischen liegen Jahre, in denen sich sämtliche EU-Staaten regelmäßig publikums- und wählerwirksam dem Kampf gegen Steuerflucht, Steuervermeidung und Steueroasen verschrieben haben, aber in der praktischen Umsetzung kaum über Klein-klein-Aktionen hinausgekommen sind. Sie sind zwar allesamt löblich und begrüßenswert, haben aber bisher im Großen und Ganzen das Kraut nicht wirklich fett gemacht. Dass beispielsweise Konzerngewinne in jenem Land besteuert werden, wo sie anfallen, ist eine Forderung, die über den Status des Wunschtraums nicht hinausgekommen ist.
Denn um effizient gegen Steuerflucht vorgehen zu können, müssten die EU-Staaten solche grundlegend neuen Steuerregeln einstimmig absegnen. Was de facto unmöglich ist, weil sich Europas Staaten gegenseitig mit Steuerzuckerln austricksen, um Unternehmen anzulocken, und das als „Standortpolitik“ titulieren. Insofern ist das gestrige – vorläufige – Urteil des EU-Gerichts zugunsten von Steuervermeider Apple, zugunsten von Irlands Steuerzuckerln und zulasten der steuerzahlenden EU-Bürger auch nur Ausdruck dafür, dass Europas Staaten seit vielen Jahren keine grundlegende Lösung finden oder finden wollen. Damit können sich nicht nur die Apples, Amazons, Googles und Faceboooks dieser Welt auf ihren unversteuerten Geldbergen entspannt zurücklehnen. Auch die allermeisten börsenotierten Unternehmen in Österreich unterhalten Briefkastenfirmen in Steueroasen. Und nicht nur die: Selbst für biederste Firmen gibt es steuerschonende Angebote von Malta über Luxemburg, Gibraltar bis nach Holland oder Zypern.
Die Verschiebung von Konzerngewinnen in Niedrigsteuerländer kostet den österreichischen Fiskus rund 1,3 Mrd. Euro im Jahr. Der EU gehen durch Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Umsatzsteuerbetrug jährlich Hunderte Milliarden Euro an Einnahmen verloren. Geld, das schon bisher an allen Ecken und Enden fehlte – und angesichts von Corona-Hilfspaketen über Hunderte Milliarden Euro erst recht. Spinnt man allerdings den roten Faden der vergangenen Jahre weiter, ist zu befürchten, dass die EU-Staaten auch noch in zehn Jahren den Kampf gegen Steuerflucht ausrufen werden.
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