Schwerpunkt des Rats liegt bei COVID-19-Wiederaufbau
Wien (PK) – Pünktlich zum Start des deutschen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union widmete sich der EU-Ausschuss des Bundesrats heute den Details des Ratspräsidentschaftsprogramms. Des Weiteren standen Verordnungsvorschläge der Kommission in Hinblick auf Katastrophenschutz und humanitäre Hilfe als Reaktion auf COVID-19 zur Diskussion.
Dichtes Programm für EU-Ratsvorsitz Deutschlands
Ab heute übernimmt Deutschland für die nächsten sechs Monate den Vorsitz im Rat der EU, gleichzeitig startet der Turnus der Trio-Präsidentschaft mit Portugal und Slowenien. Der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland Ralf Beste stellte das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft den BundesrätInnen vor, in dessen Mittelpunkt die unmittelbare Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus steht. Außerdem gilt es, die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen sowie über die künftigen Beziehungen zu Großbritannien zu führen und Vorhaben in Schlüsselbereichen wie Klimaschutz und Digitalisierung voranzutreiben. Auch die Themen Solidarität, Rechtstaatlichkeit und die Heranführung der Westbalkanstaaten sollen Beachtung finden und nach Möglichkeit ein EU-China-Gipfel wie auch ein EU-Afrika-Gipfel stattfinden. Die Reform der Asyl- und Migrationspolitik bleibe ebenso Priorität, informierte der Botschafter die BundesrätInnen Monika Mühlwerth (FPÖ/W) und Stefan Schennach (SPÖ/W), die sich darüber informierten.
Botschafter Beste zeigte sich ob der dichten Agenda um ein gewisses Erwartungsmanagement bemüht und betonte, die Bedeutung Deutschlands als Vorsitz im Rat nicht überschätzen zu wollen. Man werde gegenüber den Mitgliedstaaten und den EU-Organen eine unterstützende Rolle einnehmen, meinte er. Für Christian Buchmann (ÖVP/St) und Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) bleiben die Erwartungen angesichts des ambitionierten Programms allerdings weiterhin hoch. Auch Stefan Schennach (SPÖ/W) und Marco Schreuder (Grüne/W) meinten, die deutsche Ratspräsidentschaft käme genau zur richtigen Zeit. Die beiden Bundesräte hoben außerdem hervor, dass sie das Bestreben, den COVID-19-Wiederaufbau und die Schaffung neuer Arbeitsplätze mit Aspekten der Ökologisierung und Digitalisierung zu verbinden, schätzen.
Die Pandemie wurde von Monika Mühlwerth (FPÖ/W) vor einem anderen Hintergrund zur Sprache gebracht, und zwar in Bezug auf die Schwierigkeiten bei der Einführung von Schutzmasken. Der deutsche Botschafter hielt dies für kein Ruhmesblatt, es sei aber schließlich gelungen, die Blockaden rechtzeitig zu lösen. Den „europäischen Reflex“ könne man nicht genug trainieren, meinte er anhand des Exempels. Auch der Umgang der EU mit China wurde thematisiert. Bundesrat Marco Schreuder (Grüne/W) fände es gut, hier eine gemeinsame Sprache zu finden. Die außenpolitischen Herausforderungen versuche man mit Blick auf die europäischen Werte zu begehen, blieb Beste diplomatisch.
In Bezug auf die parlamentarische Dimension verdeutlichte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) das Prinzip der Subsidiarität, welches insbesondere vom Bundesrat hochgehalten werde. Diese Ausrichtung teilte auch der deutsche Botschafter.
Adaption des EU-Katastrophenschutzverfahrens
Vor dem Hintergrund der Pandemie möchte die EU in Zukunft besser auf Katastrophen größeren Ausmaßes vorbereitet sein und folglich das Katastrophenschutzverfahren der Union („rescEU“) adaptieren. Der entsprechende Kommissionsvorschlag hat neben der generellen Aufstockung der Finanzen in diesem Sektor auch die vollständige Finanzierung der rescEU-Kapazitäten durch EU-Mittel zum Ziel. Bisher wurden diese co-finanziert. Die Kommission soll mit den nötigen logistischen Kapazitäten – etwa Mehrzweck-Flugdienste für die rechtzeitige Beförderung von Hilfsgütern – ausgestattet werden. Auch die operative Überwachungsfunktion des Zentrums für die Koordination von Notfallmaßnahmen (ERCC) soll gestärkt werden. Vorbehaltlich einer Einigung im Rat wäre ein Inkrafttreten mit Jänner 2021 möglich, was aufgrund der Zurückhaltung Deutschlands und anderer Mitgliedstaaten eher unwahrscheinlich scheint, wie eine Expertin aus dem Innenministerium schilderte. Es handle sich um eine Anlassgesetzgebung, um das Momentum der COVID-19-Krise für die bereits länger vorliegenden Vorschläge zu nutzen, so ihre Einschätzung. Viele Details seien zudem unklar und die Verhandlungen noch nicht weit gediehen, erklärte sie.
Der Großteil der BundesrätInnen sah den Kommissionsvorstoß kritisch. Christoph Steiner (FPÖ/T) wertete ihn als Versuch einiger Länder, an Steuermittel zu kommen und lehnte ihn daher ab. Stefan Schennach (SPÖ/W) bezeichnete es als bedauerlich, dass die Pandemie „ausgenutzt“ werde, um versteckte Rechtsakte vorzubringen. Auch nahm er auf eine Länderstellungnahme Bezug, in welcher aufgrund der Befugnisse von einer Verletzung des Subsidiaritätsprinzips ausgegangen wird. Auch von Seiten der ÖVP wurde die generelle Skepsis gegenüber den delegierten Rechtsakten betont. So dürfe die Solidarität nicht zu Kompetenzverschiebungen führen, auch weil der in Österreich stark auf freiwilliger Basis organisierte Katastrophenschutz nur schwer im europäischen Kontext vergleichbar sei, meinte Martin Preineder (ÖVP/N). Die europäischen Grünen würden der rescEU-Novelle aufgrund der solidarischen Grundregeln nicht negativ gegenüberstehen, sagte Marco Schreuder (Grüne/W), wenngleich er die geäußerten Kritikpunkte berechtigt fand.
Humanitäre Hilfe als Element der Wiederaufbaustrategie
Positiv wahrgenommen wurde von den BundesrätInnen, dass die EU-Strategie zum COVID-19-Wiederaufbau humanitäre Hilfe inkludiert. Für die Ausnahmesituation infolge des Coronavirus-Ausbruchs schlägt die Kommission nämlich eine einheitliche Reaktionsstrategie vor, die neben der Errichtung eines EU-Wiederaufbauinstruments auch die Unterstützung von Volkswirtschaften in der EU sowie in Drittländern und die Stärkung der humanitären Hilfe der EU beinhaltet. Es geht dabei um den Aufbau von Kapazitäten zur Verbesserung der künftigen Krisenprävention und -vorsorge mit einer Finanzierungssumme von zusätzlichen 5,5 Mrd. € für humanitäre Hilfe, wie eine Expertin des Bundesministeriums für Europäische und Internationale Angelegenheiten berichtete. Sowohl Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) als auch Stefan Schennach (SPÖ/W) begrüßten diesen Verordnungsvorschlag und hoffen auf rasche Umsetzung. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) fan
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