Ibiza-Untersuchungsausschuss: ÖVP, FPÖ und Grüne sehen Präzisierungsbedarf
Wien (PK) – Der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats hat heute die Beratungen über das Verlangen von SPÖ und NEOS aufgenommen, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, um etwaige Korruptionsfälle unter der türkis-blauen Bundesregierung zu prüfen. Ein Beschluss dazu wurde noch nicht gefasst, ÖVP, FPÖ und Grüne wollen noch Gespräche über eine Präzisierung des Verlangens führen. Zudem wiesen sie darauf hin, dass die Liste der in Frage kommenden VerfahrensrichterInnen und VerfahrensanwältInnen erst seit gestern vorliegt. Die SPÖ zeigte allerdings wenig Verhandlungsbereitschaft: Abgeordneter Kai Jan Krainer hält die Formulierung des Verlangens für „rechtlich wasserdicht“ und stellte die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs in Aussicht, sollten formelle Einwände gegen den Untersuchungsgegenstand vorgebracht werden. Gegen eine Verzögerung des U-Ausschusses wandten sich auch die NEOS.
Vorgebracht wurden die Bedenken gegen das vorliegende Verlangen von den Abgeordneten Wolfgang Gerstl (ÖVP), Sigrid Maurer (Grüne) und Volker Reifenberger (FPÖ). Die Verfassung schreibe vor, dass nur ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes Gegenstand eines Untersuchungsausschusses sein könne, machte Gerstl geltend. SPÖ und NEOS wollten aber fast das gesamte Regierungshandeln der türkis-blauen Regierung, z.B. 60% der Regierungsvorlagen, unter die Lupe nehmen. Maurer sieht es außerdem als problematisch, dass das Verlangen „eine Sammlung von nicht direkt in Zusammenhang stehenden Themenbereichen“ enthält. Auch die FPÖ hält das Vorhaben für zu breit gesteckt und damit möglicherweise zu unbestimmt.
Allerdings ist offen, ob tatsächlich formelle Einwände gegen den Untersuchungsgegenstand gemacht werden. ÖVP, FPÖ und Grüne wollen bis zur nächsten Sitzung des Ausschusses jedenfalls noch Gespräche mit SPÖ und NEOS führen. Diese seien auch vereinbart gewesen, sagte Maurer, die den Untersuchungsausschuss grundsätzlich als „extrem wichtig“ qualifizierte.
Von Seiten der SPÖ zeigte Abgeordneter Krainer jedoch wenig Gesprächsbereitschaft. Wenn FPÖ und Grüne Änderungen am Untersuchungsgegenstand vornehmen wollten, könnten sie eigene Verlangen einbringen oder für ihr Anliegen eine Mehrheit suchen, meinte er zu Feststellungen von Maurer und Reifenberger, wonach es sinnvoller wäre, den Untersuchungszeitaum auszudehnen und dafür weniger breit zu halten. Rechtlich hält er das vorliegende Verlangen jedenfalls für absolut wasserdicht und will auch nicht daran rütteln. Schließlich basiere dieses auf einem Minderheitenrecht. Gegebenenfalls werde sich die SPÖ an den Verfassungsgerichtshof wenden, kündigte Krainer an und meinte: „Sie können den Untersuchungsausschuss verzögern, verhindern können Sie ihn nicht.“
Wenig Verständnis für die Vertagung der Beratungen äußerten auch Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) sowie die NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper und Nikolaus Scherak. Man sei im Vergleich zu den bisherigen Minderheitenverlangen ohnehin in Verzug, sagte Bures und hob die Notwendigkeit hervor, zeitnahe Beschlüsse zu fassen. Scherak sprach von „vorgeschobenen Argumenten“ und zeigte sich wie Krisper überzeugt, dass das Verlangen verfassungskonform formuliert und damit zulässig ist.
Entwurf für grundsätzlichen Beweisbeschluss
Zur Untermauerung der Forderung nach einer raschen Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses legten SPÖ und NEOS einen Entwurf für einen grundsätzlichen Beweisbeschluss vor, in dem die Beweisthemen nochmals detailliert aufgeführt und jene Stellen benannt werden, die dem Untersuchungsausschuss Akten und Unterlagen vorzulegen haben. Neben den Regierungsmitgliedern und den Landeshauptleuten werden dabei auch der Bundespräsident, der Nationalratspräsident, der Rechnungshof, die Oesterreichische Nationalbank, die Finanzmarktaufsicht, die Finanzprokuratur, das Bundesverwaltungsgericht, das Bundesfinanzgericht, die Disziplinarbehörden des Bundes und die Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit genannt. Zusammensetzen soll sich der Untersuchungsausschuss laut SPÖ-NEOS-Vorschlag aus 13 Mitgliedern (5 ÖVP, 3 SPÖ, 2 FPÖ, 2 Grüne, 1 NEOS).
Für eine endgültige Entscheidung hat der GO-Ausschuss nun bis zum 5. Februar Zeit. Werden gegen den Untersuchungsgegenstand keine formellen Einwände geltend gemacht, müssen die Abgeordneten die Zusammensetzung des U-Ausschusses festlegen sowie VerfahrensrichterIn und Verfahrensanwalt/Verfahrensanwältin wählen. Einen Termin für die Fortsetzung der Beratungen gibt es laut Ausschussobmann August Wöginger noch nicht.
Begründet wird die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss von SPÖ und NEOS mit dem Verdacht, dass es unter der türkis-blauen Koalition zu Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch gekommen ist. Die beiden Parteien wollen in diesem Sinn nicht nur die Vollziehung des Glücksspielgesetzes und Managemententscheidungen bei der Casinos Austria AG, sondern auch weitere Postenbesetzungen und Entscheidungen der Regierung in den letzten beiden Jahren prüfen. Auch etwaige politische Einflussnahmen auf die von den zuständigen Behörden eingeleiteten Ermittlungen nach Veröffentlichung des Ibiza-Videos soll der Ibiza-Untersuchungsausschuss unter die Lupe nehmen (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 1182/2019). (Schluss) gs
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