Versicherungsrücktritte – EuGH stärkt Versicherungsnehmer wesentlich, auch ÖVP/FPÖ-Gesetz rechtswidrig!
Wien (OTS) – Das Urteil (C-355/18) wurde lange erwartet. Wie bekannt, können Versicherungsnehmer, die nicht oder unrichtig über ihr Rücktrittsrecht von Lebensversicherungen informiert wurden, vom Vertrag unbefristet zurücktreten („Spätrücktritt“) und das einbezahlte Geld samt Zinsen zurückverlangen. Die OVP/FPÖ-Regierung hatte daher unter Mitwirkung des ehemaligen Finanzministers Hartwig Löger diese Möglichkeit nach 3 abgewehrten Anläufen mit einem höchst umstrittenen Gesetz beendet. Es wurde ausführlich darüber berichtet:
siehe [OTS]
(https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180619_OTS0040/))
Die Versicherungen wehrten sich vor Gericht nach Kräften. Zwei Gerichte legten schließlich für sie noch offene, europarechtliche Detailfragen dem EuGH zur Entscheidung vor. Hier nun die Detailantworten:
1) Kann im Fall des Rücktrittes nur der Rückkaufswert
ausbezahlt werden?
Dies hat der EuGH ausdrücklich verneint. Im Falle des Rücktritts erhält der Versicherungsnehmer somit die einbezahlten Prämien plus Zinsen zurück.
2) Kann auch nach Beendigung, insbesondere Kündigung des
Vertrages und Auszahlung zurückgetreten werden?
Auch dies hat der EuGH konsumentenfreundlich eindeutig bejaht!
3) Für wie viele Jahre werden Zinsen ausbezahlt?
Hier hat der EuGH an die österreichischen Gerichte verwiesen, aber eine Verjährung der Zinsen für 3 Jahre als möglich angesehen. Details muss somit der OGH (Oberste Gerichtshof in Österreich) noch klären.
4) Ist die Vorschreibung der nur schriftlichen Rücktrittsmöglichkeit erlaubt?
Dies hat der EuGH nur einschränkend bejaht. Es dürfen sich durch eine zusätzliche Formhürde die gesetzlichen Bedingungen für den Rücktritt nicht verschlechtern .
Dies wäre aber bei der Bedingung eines schriftlichen Rücktritts (somit mit Unterschrift) im Versicherungsvertrag – obwohl vom Gesetz diese Bedingung nicht vorgesehen ist – wohl nicht gegeben, da sodann ein Rücktritt z.B. per E-Mail nicht möglich wäre.
Die größte Brisanz dieser Punkte hat die Feststellung des EuGH, dass bei einem Rücktritt keinesfalls nur der Rückkaufswert ausbezahlt werden muss. Dieses Ergebnis würde laut EuGH die Kündigung dem Rücktritt gleichstellen, was klar EU-widrig ist. Genau so wurde von den Versicherungsnehmern aber notorisch argumentiert. Nun hat es der EuGH ein für alle Mal festgestellt.
Damit ist aber das erst Mitte 2018 beschlossene, neue konsumentenfeindliche Gesetz ([OTS]
(https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20180619_OTS0040/))
jedenfalls in dieser Hinsicht EU-widrig und daher wirkungslos. Ein Keulenschlag für die Versicherungen und ihre Lobbymaschinerie. Damit steht wohl wieder ein Gesetz der ehemaligen ÖVP/FPÖ-Regierung vor dem Fall!
Die Versicherungen müssen nun zähneknirschend die nächste Niederlage einstecken und endlich den Forderungen der Versicherungsnehmer entsprechen.
Sie haben sich den Schlamassel durch die Verwendung schlampiger und rechtswidriger Formulare selbst eingebrockt und sollen nun endlich diese Suppe auslöffeln – nämlich die Ansprüche der zurück getretenen Versicherungsnehmer bezahlen. Diesem – wörtlich vorgetragenen Argument – ist der EuGH nun folgerichtig gefolgt.
Meine Kanzlei wird nun die circa 1.000 Klagsakten bei Gericht fortsetzen, wie es mit dem neuen Gesetz nun weiter geht entscheidet sich im neuen Jahr.
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