Luxusautos auf der Schiene
Berlin (ots) – Nur Fliegen wäre schneller: Seit hochwertige Fahrzeuge auf der eurasischen Bahnstrecke über die Kontinente hinweg ausgeliefert werden, verkürzt sich die Wartezeit der Kunden erheblich. Der Autotransport auf der Schiene macht dem Transport auf dem Seeweg zunehmend Konkurrenz. Das gilt auch für Ersatzteile und Maschinenanlagen – und neuerdings auch für französischen Rotwein und italienische Nudeln, auf die Wohlhabende in Fernost in enormen Mengen Appetit haben.
Europäische Fracht nach China mit der Bahn zu transportieren und umgekehrt, wird immer normaler. Das zeigen die Zahlen aus dem Jahr 2018: Von China nach Polen wurden mehr als 127.000 Standardcontainer (20-Fuß-Container, nach der englischen Bezeichnung „twenty foot equivalent unit“ auch TEU genannt) transportiert, in der Gegenrichtung 55.300 TEU; von China nach Deutschland knapp 61.000 TEU, in der Gegenrichtung fast 64.000 TEU; von China nach Belarus 22.530 TEU, in der Gegenrichtung fast 4.100; von China in die Slowakei mehr als 6.700, in der Gegenrichtung 4.150; von China nach Finnland 1.230, in der Gegenrichtung 3.770. Von China in die Niederlande gingen knapp 1.000 Standardcontainer, während 3.550 Standardcontainer von den Niederlanden nach China transportiert wurden.
Weitere Zahlen: von China nach Schweden fuhren fast 750 Container, in der Gegenrichtung fast 300; von China nach Frankreich fast 600, in der Gegenrichtung 460; von China nach Tschechien knapp 570, in der Gegenrichtung sogar 7.800; von China nach Italien 480, in der Gegenrichtung 840; von China nach Österreich 460, in der Gegenrichtung sogar 9.040; von China nach Belgien immer noch knapp 360, in der Gegenrichtung 160 Standardcontainer. Tendenz: überall steigend.
Porsche hat schon viel Erfahrung mit Fahrzeugauslieferung auf den wichtigen chinesischen Markt auf der Schiene; Daimler experimentiert noch mit Pilotprojekten. Pionier war jedoch Volvo: Schon 2017 bediente sich der schwedische Autokonzern – als erster europäischer Autohersteller überhaupt – der umweltfreundlichen und schnelleren Transporte auf der Neuen Seidenstraße. Die in China produzierten Luxusmodelle Volvo S90 werden allesamt auf der Schiene nach Europa gebracht.
Volvos Spitzenmodell als Pionier
Volvo war der erste Automobilhersteller der Welt, der die in China produzierten Fahrzeuge auf der Schiene nach Europa transportierte. Der erste Transport brachte die S90-Modelle im Mai 2017 vom chinesischen Volvo-Werk Daqing ins belgische Zeebrugge. Volvo bediente sich dabei der gerade eröffneten Eisenbahnverbindung China -Europa – und blieb dabei. Denn auf der Schiene geht es um ein bis sogar zwei Drittel schneller als auf dem klassischen Seeweg.
Die Volvo-Modelle werden in speziellen Frachtcontainern transportiert, die jeweils drei Limousinen aufnehmen. In den Containern sind sie sicher verstaut, der Platz ist optimal ausgenützt. Pro Zug finden mehr als 200 Fahrzeuge Platz.
Der schwedische Autoproduzent ist damit nicht nur der erste Europas, der fest in chinesischen Händen ist, sondern auch der erste, der einen Teil seiner Modelle wie eben den S90 in China bauen lässt, nicht nur für den chinesischen, sondern auch für den europäischen Markt.
Eine Sprecherin von Volvo bestätigt, dass dieser Transportweg gut funktioniert und weiterhin benutzt wird. Neben der verkürzten Strecke führt Volvo einen weiteren Vorteil an: Allein dadurch, dass der Wechsel des Transportmittels wegfällt, reduziert sich die CO2-Emission zwischen Produktion und Zulassung.
Porsches startet Regelverkehr auf der Schiene
Nach Volvo setzen nun auch die Porsche-Produzenten auf den Schienenweg. Für Porsche ist China der volumenstärkste Einzelmarkt. Zweimal pro Woche wechseln 88 Stück der Sportwagen die Kontinente, ungeachtet der verschiedenen Spurbreiten der Züge in Europa und Asien.
Jörg Walz, Sprecher für Produktion und Logistik bei Porsche, erklärt das Pilotprojekt für beendet. „Vor einigen Monaten hat Porsche mit dem Regelverkehr auf der Schiene begonnen.“ Im Falle Porsche gehe diese Entscheidung nicht einmal zu Lasten der Seetransporte: „In China wachsen unsere Absatzzahlen sukzessive, daher müssen trotz der Bahntransporte die Autolieferungen per Schiff gar nicht reduziert werden.“
Der Großteil der Exporte Richtung Osten, nämlich 80.000 Stück, wird zwar immer noch verschifft, was etwa 50 Tage in Anspruch nimmt. Doch elf Prozent werden bereits auf der 11.000 Kilometer langen neuen Bahnverbindung entlang der Seidenstraße in den Südwesten Chinas exportiert. Es handelt sich um Provinzen, die von Seehäfen weit entfernt sind und daher auf der Schiene besser zu erreichen sind.
Oliver Bronder, Leiter Logistik und Produktionssteuerung bei Porsche, ist sehr zufrieden: „Unsere Kunden kommen deutlich schneller an ihr neues Fahrzeug.“ Der bis zu 20 Tage lange Bahntransport verkürze den Weg um bis zu drei Wochen, und das, obwohl wegen der verschiedenen Spurweiten die Container mehrmals umgesetzt werden müssen.
Auch Daimler setzt bereits auf die Schiene, allerdings erst im Versuchsstadium. Wenn Mercedes-Modelle Bahn fahren, handelt es sich noch um ein Pilotprojekt. Im Regelfall liefert Daimler seine Produkte – Fahrzeuge und Ersatzteile – nach wie vor per Schiff nach China. Bettina Buchholz, Sprecherin der Mercedes-Benz Cars Produktion Sindelfingen & Supply Chain, betont, dass es über die ersten Versuche hinaus aktuell noch keine Entscheidungen zur künftigen Nutzung der genannten Bahnstrecke gebe. Daimler habe zwischenzeitlich einen Güterzug genutzt, um Pkw von Bremerhaven auf dem Landweg nach China zu transportieren. „Doch üblicherweise nutzen wir den Seeweg.“ Die Transportzeit verkürze sich gegenüber dem Seetransport um etwa die Hälfte. „Die bedarfsweise Nutzung verschiedener Verkehrsmittel in einem Transportmix – Schiff, Bahn, Lkw – ist bei uns ein üblicher Vorgang.“
Alexey Grom: Einfachere Grenzabfertigung
Großes Potenzial in den eurasischen Bahntransporten sieht auch Alexey Grom, Präsident des Vereinigten Transport- und Logistikunternehmens UTLC ERA, einem russisch-kasachisch-belarussischen Dienstleister. „Seit April 2019 kooperieren wir mit Hellmann Worldwide Logistics, einer internationalen Spedition mit Sitz in Osnabrück und einem Netzwerk in 157 Ländern. Hellmann transportiert über uns verschiedene Waren nach China, darunter auch deutsche Wagen der Oberklasse.“
Im zweiten Quartal 2019 eröffnete UTLC ERA sogar eine neue Route von Bremerhaven nach Chongqing, die 30-Millionen-Stadt im Südwesten Chinas, die als größte Metropole der Welt gilt. Auf dieser Strecke transportiert das Unternehmen die deutschen Luxusautos. Grom: „Ein wichtiger Anreiz für unsere Kunden ist die Lieferzeit, die ist mit unseren Services gegenüber dem Seeweg um drei Wochen verkürzt ist.“
Als Hauptvorteile der Eisenbahn gegenüber dem Seeverkehr führt Alexey Grom die Geschwindigkeit, die Verlässlichkeit sowie die Umweltfreundlichkeit an. Demnach ist der CO2-Ausstoß beim Transport auf der Schiene im Vergleich zu allen anderen Verkehrsträgern am geringsten. UTLC ERA befördert etwa 76 Prozent von ungefähr 370.000 Standardcontainern (TEU), die jedes Jahr auf der Schiene zwischen China und Europa bewegt werden – auch hier ist die Tendenz steigend.
Groms Unternehmen transportiert auf der Breitspurbahn 1520 bereits mehr als 70 Prozent der Transitfrachtgüter zwischen China und Europa. Die Transportdauer für die Güter mit der UTLC ERA auf der 5.430 Kilometer langen Bahnstrecke beträgt nur noch fünfeinhalb bis sechs Tage. Das Transportvolumen des Containerdienstleisters steigt von Jahr zu Jahr in großen Schritten.
Auch die Abfertigung an den Grenzen unterwegs sei effizienter: „Die Abwicklung an der chinesisch-kasachischen Grenze läuft beispielsweise weitaus schneller als im Hafen von Schanghai“, betont Grom.
Stark verkürzte Fahrtzeiten
Noch vor fünf Jahren wurde ein durchgehender Containerzug aus Ostchina in Europa feierlich empfangen, nachdem er die 13.000 Kilometer lange Strecke in 21 Tagen bewältigt hatte. Heute entscheiden sich Logistiker immer öfter für die Bahn. Sie nennen dafür gute Gründe: Zwar ist die Fracht auf See billiger als auf der Schiene, aber viele Wochen lang unterwegs, manchmal sogar Monate. Die Fahrtzeiten der Bahntransporte werden dagegen immer kürzer; gleichzeitig wird die Zahl der Fahrten pro Tag immer größer. Dazu kommt, dass die Kosten besser geplant werden können, weil die Preise transparent und stabil sind. Auch die Ankunftszeit ist besser planbar als auf dem Seeweg. Selbstverständlich sind Schienentransporte deutlich billiger als Luftfracht, was die steigenden Ölpreise noch deutlicher machen.
Diese Entwicklung ist auch vor den jüngsten Zahlen zu sehen, die aus der Luftfracht gemeldet werden. Das Cargo-Aufkommen nimmt generell ab. Das liegt nach den Worten von Ralph Beisel, dem Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, an der weltweit abgeschwächten Konjunktur. Es fehlen wirtschaftliche Impulse, dazu kommen andere bremsende Effekte wie anhaltende Handelskonflikte Handelsbarrieren und Sanktionen.
Die unterschiedliche Spurweite – 1520 Millimeter auf östlicher, 1435 Millimeter auf europäischer Seite – spielt für den Kunden keine Rolle mehr. Der Auftraggeber bucht das Endprodukt und kümmert sich nicht um Details, wie oft beispielsweise die Container umgesetzt werden müssen.
Preisindex zum Kostenvergleich
Seit Anfang dieses Jahres hilft der neu entwickelte Eurasian Rail Alliance Index ERAI (Webseite www.index1520.com) europaweit, genaue Informationen über die Kosten der Containertransporte per Schiene durch Weißrussland, Russland und Kasachstan auszurechnen. Er zeigt u.a. die preisliche Annäherung von schnelleren und sicheren Bahnfrachten zu Seefrachten auf. Der Index wird aus mehreren Faktoren errechnet. Er hängt u.a. von der Höhe der Frachtgebühren der Russischen Eisenbahnen RZhD, der Weißrussischen Eisenbahn sowie der Kasachischen Eisenbahngesellschaft für Containertransporte auf der Schiene ab; ferner von der Höhe der Nutzungsgebühren für Container-Tragwagen; vom Preis der Dienstleistungen in den Containerterminals sowie von der Transportgeschwindigkeit und der Fahrtzeit.
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