Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren! Wofür entscheidet sich die Bildungspolitik?
Wien (OTS) – In Österreich wird Kindern und Jugendlichen während ihrer Schulzeit der realistische Blick genommen, die Möglichkeit, sich mit den unterschiedlichsten Ausprägungen von Diversität in unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen. Der gesamte „Lehrkörper“ Österreichs ist alles andere als repräsentativ. Unter den ca. 128.000 Pädagog_innen im österreichischen Schulwesen finden sich, wenn es hochkommt, 400 Lehrer_innen mit einer Behinderung (präzisere Zahlen waren nicht in Erfahrung zu bringen, siehe Nationaler Bildungsbericht 2018, Band 2, Seite 69). Wendet man das Behinderteneinstellungsgesetz auf diese wichtige Berufsgruppe an, fehlen 3.000 bis 4.000 Pädagog_innen mit Behinderung.
Solange Kinder aber auf ihrem gesamten Bildungsweg nie mit Menschen mit Behinderung in Berührung kommen, nie Fragen stellen, nie gemeinsame positive Erfahrungen machen können, bleiben Angst, Unsicherheit und Distanz die unvermeidlichen Folgen.
Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren!
Seit 2016 setzt hier das MellowYellowTeam mit seinem Pilot-Projekt an, das seit 2018 mit Dance out of Line (DOOL) auch EU weit vernetzt arbeitet. In nur wenigen Projekttagen bewegen professionelle Künstler_innen-Teams die Perspektiven von Schüler_innen, Pädagog_innen und Eltern mit erfahrungsgemäß nachhaltiger Wirkung. Unlängst fragte ein 11-Jähriger in einer Ottakringer Mittelschule seine Klassenlehrerin, ob sie nicht ausnahmsweise heute eine Stunde länger in der Schule bleiben dürfen. Es war einer jener Projekttage, die die Künstler_innen-Teams von MellowYellow in Wien anbieten.
Diese Teams setzen sich aus erfahrenen Performer_innen des zeitgenössischen Tanzes zusammen und sind „mixed-abled“, d.h. eine/r der Künstler_innen hat eine Behinderung.
Fehlende Lehrende = 22,4 Millionen Ausgleichstaxe
Eine Veränderung des Bildungssystems ist seit der Ratifizierung der Menschenrechtskonvention der sog. Behindertenrechtskonvention 2008 explizit gefordert. Trotz eklatanter Untererfüllung des Behinderteneinstellungsgesetzes im Bildungsbereich sind keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Die österreichische schulspezifische Ausgleichstaxe laut BEinstG beträgt ca. 22,4 Millionen.
Die Finanzierung der Künstler_innen-Teams, die wir in den nächsten Jahren in ganz Österreich aufbauen sollten, wäre somit leicht zu bewerkstelligen. Eine Investition, die sich langfristig vielfach bezahlt machen wird (durch einfacheren Zugang zu höherer Bildung, leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt, etc.)
Pina Bausch erzählte von einem Mädchen, das sie lachend zum gemeinsamen Tanz gerufen hatte: „Tanz, tanz sonst sind wir verloren!“. Vielleicht sind wir nicht verloren, wir würden jedoch die Chance vergeuden, das Schulsystem durch Kunst sinnvoll zu verändern.
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