Umweltschutzpaket der Bundesregierung passiert Bundesrat
Wien (PK) – Mit dem sogenannten Aarhus-Beteiligungsgesetz (270 d.B.) setzt Österreich die Aarhus-Konvention um. Umweltschutzorganisationen sollen in Zukunft ebenso wie unmittelbar Betroffene die Möglichkeit der Beteiligung bei Entscheidungsverfahren in Umweltangelegenheiten haben. De facto erhalten NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) damit das Recht, gegen negative UVP-Feststellungsbescheide rechtlich vorzugehen. Der Bundesrat bestätigte den diesbezüglichen Beschluss des Nationalrats, mit dem das Abfallwirtschaftsgesetz, das Immissionsschutzgesetz-Luft und das Wasserrechtsgesetz geändert werden. Auch gegen das Emissionsgesetz-Luft 2018 (271 d.B.), gegen Änderungen des Umwelthaftungsgesetzes (272 d.B.) und des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-Gesetz) (275 d.B.) gab es seitens des Bundesrats mehrheitlich keine Einwände. SPÖ- und Grüne-Mandatare äußerten jedoch teils vehemente Bedenken. Ein Antrag der SPÖ, den Entwurf der UVP-Gesetzesänderung zu beeinspruchen wurde mehrheitlich abgelehnt. Die Abstimmung über den gegenteiligen Antrag aus dem Ausschuss erfolgte auf Verlangen der SPÖ namentlich. Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bekräftigte, das Regierungspaket sei ein Erfolg. Unterstützung erhielt sie dabei von BundesrätInnen aus den eigenen Reihen und den Reihen des Koalitionspartners.
Mit dem Aarhus-Beteiligungsgesetz erfüllt Österreich die dritte Säule des Aarhus-Abkommens, das 1998 abgeschlossen und von Österreich 2005 ratifiziert wurde. Ziel ist es, Umweltschutzorganisationen den Zugang zu Informationen zu ermöglichen, sie an Entscheidungsverfahren zu beteiligen und ihnen Rechtsschutz zu gewähren. „Diese Punkte werden jetzt durch dieses Gesetz vollständig erfüllt“, sagte Umweltministerin Köstinger. „NGOs haben jetzt erstmals vollen Zugang zu allen Rechten und Informationen, die sie brauchen.“ Mit dem Gesetz sind drei Materien umfasst: die Abfallwirtschaft, der Wasserschutz und die Reinhaltung der Luft.
Zwischen Mängeln und Ausgewogenheit
Andrea Kahofer (SPÖ/N) anerkannte die Bemühungen der Umweltministerin, allerdings bemängelte sie, dass in vielen Fällen nur nachträgliche Überprüfungsrechte bestünden. In einigen Fällen würden die Regelungen zu einer Rechtsunsicherheit der Bevölkerung und der NGOs führen – und teilweise auch für Antragsteller, wenn sie Projekte einreichen. Andrea Wagner und Sonja Zwazl, beide von der ÖVP-NÖ, lobten das Aarhus-Beteiligungsgesetz – Zwazl besonders für seine „Ausgewogenheit“. Der Zugang zu den Gerichten sei ein „Auffangtatbestand“, der über das hinausging, was zu erwarten gewesen sei. Dort, wo mutwillig versucht werde, auf Verzögerungstaktik zu setzen, werde ein Riegel vorgeschoben, erläuterte Zwazl. „NGOs sind wichtig in einem Rechtsstaat, aber man muss ihnen auch die ‚richtigen‘ Instrumente zur Verfügung stellen“, erklärte Andrea Wagner. „Die Bevölkerung versteht es nicht, wenn Projekte ewig dauern.“
Andreas Arthur Spanring (FPÖ/N) schloss sich den ÖVP-Mandatarinnen aus seinem Bundesland an. „Erstmals gibt es ein Regierungsprogramm, in dem ein klares Bekenntnis zur Aarhus-Konvention steht, und dann ist es wieder nicht recht“, wetterte er. Ziel eines Beteiligungsverfahrens müsse es sein, „mit Augenmaß ein klares Ja zum Umweltschutz“ zu sagen und dennoch „die Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts zu ermöglichen, statt sie unter dem Deckmantel des Umweltschutzes zu behindern“.
Luftreinhaltung als Basis des Lebens
Durch das Emissionsgesetz-Luft 2018 kommt Österreich unionsrechtlichen Verpflichtungen auf dem Gebiet der Luftreinhaltung nach. So sollen für die Jahre 2020 und 2030 sowie zur Erreichung der Zwischenziele im Jahr 2025 Maßnahmen in allen Bereichen – von der Industrie über die Landwirtschaft bis zum Verkehr – gesetzt und in Luftreinhalteprogrammen dokumentiert werden. „Bei der Luftverschmutzung haben wir enormen Handlungsbedarf“, machte Gerhard Leitner (SPÖ/K) klar. Doch die Ziele, die sich die Regierung bis 2030 gesetzt habe, seien zu unkonkret formuliert. Zudem verstehe er nicht, wie es die Umweltministerin zulassen könne, dass der Verkehrsminister die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen versuchsweise auf 140 km/h anhebe – wo doch evident sei, dass dadurch mehr Schadstoffe, wie Stickoxyde, in die Luft ausgestoßen werden. Jedes Jahr würden mehr Menschen an den Folgen des Einatmens von Feinstaub und Ammoniak sterben als durch Unfälle im Straßenverkehr.
Anders als Leitner bezeichnete David Stögmüller (Grüne/O) das Emissionsgesetz-Luft 2018 als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“, wogegen er gegen andere Teile des Umweltschutzpakets, die später in der Sitzung behandelt wurden, Widerstand ankündigte. Silvester Gfrerer (ÖVP/S) sah im Emissionsgesetz-Luft einen „wichtigen Mosaikstein in der österreichischen Umweltpolitik“. „Die Emissionsbelastung der Luft hat laut Weltgesundheitsorganisation die größten Auswirkungen auf den Menschen“, betonte er. Thomas Schererbauer (FPÖ/OÖ) untermauerte das mit Zahlen. Laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur „EEA“ starben 2015 in Europa 391.000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung allein durch Feinstaub. Umweltministerin Elisabeth Köstinger kündigte an, die Bundesregierung werde am 1. April 2019 der Europäischen Kommission ein nationales Luftreinhalteprogramm zustellen. Sie forderte einen Schulterschluss, gerade was die Reduzierung der Luftschadstoffe betreffe: „Das muss ein gemeinsames nationales Anliegen sein – es geht um unsere Gesundheit und um die Gesundheit unserer Kinder!“
Anpassungen im Umwelthaftungsgesetz
Mit der Änderung des Umwelthaftungsgesetzes wird der Kreis jener Personen, die zu einer Umweltbeschwerde berechtigt sind, an EU-Recht angepasst. Es bringt auch eine Klarstellung beim Begriff des „Gewässerschadens“. Demnach kann ein Gewässerschaden nicht mehr allein aufgrund einer nationalen Bewilligung (wie z. B. für ein Wasserkraftwerk) ausgeschlossen werden. Damit wird auf ein EuGH-Urteil und ein EU-Vertragsverletzungsverfahren reagiert. „Das zeigt: Ohne Druck tut sich nichts in Österreich, wenn es um den Umweltschutz geht“, beklagte Ewa Dziedzic (Grüne/W). „Eine Definition von Umweltschäden haben wir Grünen bereits 2009 zum ersten Mal eingefordert.“ Erst der Druck aus Brüssel habe dazu geführt – und selbst jetzt habe man die Anforderungen nach Ansicht der Grünen nicht ausreichend erfüllt. Günther Novak (SPÖ/K) kündigte an, seine Fraktion werde dem Antrag zustimmen. Wenngleich er nicht mit allem zufrieden sei, so sei es doch ein Schritt in die richtige Richtung.
Josef Ofner (FPÖ/K) erinnerte an den HCP-Skandal 2014 in Kärnten, wo es durch Verbrennung zu Emissionen gekommen sei, die im Futter, letztlich in Lebensmitteln und auch im Wasser gelandet seien. Der Fall sei zwar gerichtlich noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse einer Untersuchungskommission, hätten jedoch aufgezeigt, wie Behörden ihre Kontrollfunktion besser ausführen können. Nach Umweltministerin Elisabeth Köstinger werde durch das Umwelthaftungsgesetzes nicht nur sichergestellt, dass die Urheber von Umweltschäden zur Rechenschaft gezogen würden, sondern dass sie sie auch wieder beseitigten.
Beteiligung nur für NGOs mit mindestens 100 Mitgliedern
Weit kontroverser ging es in der Debatte um die vorgeschlagene Änderung des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes (UVP-Gesetz) zu. Dabei geht es um die Anerkennung von Umweltorganisationen, die in die Umweltverträglichkeitsprüfung einbezogen werden wollen. Sie erhalten die Anerkennung künftig nur auf drei Jahre befristet. Die Regierung will damit nicht nur EU-Vorgaben umsetzen, etwa durch die Aufnahme neuer Prüfbereiche wie Klimawandel oder Flächenversiegelung, sondern vor allem zur Verfahrensbeschleunigung beitragen. Für die Parteistellung in einem UVP-Verfahren sind künftig nur mehr NGOs zugelassen, die mindestens 100 Mitglieder haben. Sie müssen das anhand einer Mitgliederliste nachweisen, in der Namen und Anschrift der betroffenen Personen angeführt sind. Für Verbände gilt als Voraussetzung, dass sie mindestens fünf Vereine repräsentieren. Nach einer früheren Fassung sollten die Vereine die Mitgliederzahl durch Vorlage der Mitgliederliste bei der Behörde nachweisen. Das wurde nach Kritik abgeändert – vor allem im Hinblick auf die Vorgaben der EU-Datenschutzgrundverordnung, die im Mai 2018 in Kraft getreten ist. Jetzt ist es nur mehr nötig, die Mitgliederlisten bei Notaren, Wirtschaftsprüfern oder Anwälten zu hinterlegen und der Behörde glaubhaft zu machen, dass man über die geforderte Zahl an Mitgliedern verfügt. „Das kann für jede seriöse Umweltschutzorganisation kein Problem sein“, sagte Umweltministerin Elisabeth Köstinger.
Der Gesetzesvorschlag enthält auch Klarstellungen, welche Unterlagen Projektwerbende vorzulegen haben. Bei Einzelfallprüfungen soll die Frist zur behördlichen Entscheidung mit sechs Wochen begrenzt sein. Neben dem Umweltanwalt soll künftig auch ein Standortanwalt zur Wahrung öffentlicher Interessen den UVP-Verfahren beigezogen werden. Für Vorhaben mit erheblichen negativen Umweltauswirkungen ist die UVP-Pflicht sicherzustellen. Der jeweilige Projektwerbende soll auch Maßnahmen zur Schadensvermeidung vorzulegen haben.
Opposition: „Unfreundlicher Akt“ und „Schikane“
„Warum wollen Sie so viele Menschen vor den Kopf stoßen?“, fragte Stefan Schennach (SPÖ/W) die Bundesministerin im Zusammenhang mit der Einschränkung auf NGOs mit mindestens 100 Mitgliedern. „Das sind Menschen, die besorgt sind, die Zeit damit verbringen, das zu erhalten, was Sie ihnen in einem unfreundlichen Akt nicht zugestehen – die zivilgesellschaftliche Beteiligung.“ Schennach wertete es als Zeichen der Reife einer Demokratie, wie sie mit Bürgerinitiativen und NGOs umgehe. Köstinger entgegnete, Schennach würde Bürgerinitiativen nicht von NGOs unterscheiden, denen nicht von Haus aus Parteienstellung zukomme. „Diese Regelung hat nichts mit Anrainern und Bürgerinitiativen zu tun, die direkt von einer Maßnahme betroffen sind“, betonte sie. „Sie haben automatisch Parteienrecht – egal, wie viele Menschen sie sind.“
Doch auch Günther Novak (SPÖ/K) bezeichnete den Mitgliedernachweis als „Schikane“. Das würde einen großen Teil der NGOs ausschließen, die in Frage kämen. Ewa Dziedzic (Grüne/W) sah darin einen „völkerrechtlichen Verstoß“. Die Anpassung des UVP-Gesetzes sei eine „Husch-Pfusch-Aktion“ und ein „Rückschlag für die Umweltschutzbewegung“. Für David Stögmüller (Grüne/OÖ) war es ein „dunkler Tag für den Umweltschutz und die Demokratie“. Zwei Drittel der Vereine würden durch die neue Regelung ausgeschlossen. Stefan Schennach forderte die Regierung auf, die UVP-Prüfungen durch wirksamere Maßnahmen zu beschleunigen, etwa durch Aufstockung der UVP-Behörden, durch strategische Vorprüfungen und eine Reform des UVP-Managements.
ÖVP/FPÖ: Verfahrenseffizienz als oberstes Ziel
Hinter die Umweltministerin stellten sich die Bundesräte der ÖVP und FPÖ. Martin Preineder (ÖVP/N) erinnerte daran, dass der frühere Vizekanzler Josef Riegler, der kürzlich seinen 80. Geburtstag gefeiert hatte, als Erster eine Balance zwischen Umweltverträglichkeit und ökosozialer Marktwirtschaft geschafft habe. Umweltverträglichkeitsprüfungen wurden unter seiner Ägide eingeführt. Jetzt würden sie transparenter und vor allem rascher. Umweltministerin Köstinger stellte die Verfahrenseffizienz als oberstes Ziel über ihre Bemühungen in diesem Zusammenhang. Nach Josef Ofner (FPÖ/K) ist es „unverantwortlich, wenn ein Unternehmer 14 Jahre auf einen Bescheid warten muss“. Für seinen Parteikollegen aus Niederösterreich Michael Bernard ist auch die durchschnittliche UVP-Verfahrensdauer von 16,4 Monate nicht akzeptabel.
In Richtung der Klagen über den Nachweis von 100 Mitgliedern meinte Martin Preineder, er verstehe „das Raunen nicht, wenn man hört, dass 100 Mitglieder als Minimum gefordert sind – das kann doch keine Hürde sein“. Seine Parteikollegin Sonja Zwazl wies darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2009 einer entsprechenden Regelung Schwedens zustimmte, in der 2.000 Mitglieder gefordert worden waren. Auch dass der Nachweis alle drei Jahre erbracht werden muss, ist für Zwazl akzeptabel. „Schließlich ist die Beteiligung mit vielen Rechten verbunden“, betonte sie. Zwazl ging auch auf die Klarstellung ein, welche Unterlagen die Projekteinreicher im Verfahren einbringen müssen. „Mängelbehebungsaufträge kommen oft zeitlich gestaffelt und sind widersprüchlich in ihren Vorgaben“, sagte die Bundesrätin. Das werde durch die Vorgaben der neuen Bestimmungen klar geregelt. Auch die Vorgabe des „Einsendeschlusses für Vorbringen“ wertete sie positiv.
Trotz allem blieb die Opposition überzeugt, dass die neuen Regelungen noch ein „Nachspiel haben werden“, wie es Ewa Dziedzic ausdrückte. David Stögmüller sagte, die NGOs würden dagegen mit Protesten reagieren. Stefan Schennach hielt es für möglich, dass die Mitgliederregelung in der beschlossenen Form nicht zur Anwendung kommen werde. Ein Antrag der SPÖ, unterstützt von den Grünen, wonach der Bundesrat Einspruch gegen die Änderungen im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz erheben solle, wurde mehrheitlich abgelehnt. Danach stimmten die 60 anwesenden Bundesräte – ebenfalls auf Antrag der SPÖ – namentlich über die Annahme des Gesetzesvorschlags ab; und dabei sprachen sie sich mehrheitlich dafür aus. (Schluss Bundesrat) gb/fan
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