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„Die Welt der Kinderrechte – eine Welt voller Kontraste“

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Wien (PK) – „Die Welt der Kinderrechte – eine Welt voller Kontraste“

Schlussworte bei Parlamentarischer Enquete des Bundesrats: Es gibt noch einiges an Handlungsbedarf

In seinem Schlusswort in der Parlamentarischen Enquete des Bundesrats ging Helmut Sax vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte mit der Zweischneidigkeit der Kinderpolitik hart ins Gericht. „Die Welt der Kinderrechte ist eine Welt voller Kontraste – voller Gegensätze, Widersprüche und Ambivalenzen“, sagte er. Die Kinderrechtskonvention sei der „erfolgreichste Menschenrechtsvertrag aller Zeiten“. Mit Ausnahme eines Landes wurde sie von allen Staaten der Welt unterzeichnet. Zugleich handle es sich um den „wahrscheinlich am öftesten verletzten Menschenrechtsvertrag“, wo doch nach einer Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO 275 Millionen Kinder weltweit von Gewalt betroffen seien.

Österreich hat die Kinderrechtskonvention 1990 als eines der ersten Länder unterfertigt. 1994 wurde erstmals die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung gefordert. „Gedauert hat es bis ins Jahr 2011, bis das umgesetzt worden ist“, hob Sax hervor. 2012 war Österreich unter den ersten Ländern, die das Dritte Zusatzprotokoll zur Kinderrechtskonvention unterzeichnet haben. Es geht dabei um die Einrichtung eines Beschwerdemechanismus bei der Verletzung von Kinderrechten. „Ratifiziert hat Österreich das Protokoll bis heute nicht“, betonte der Vertreter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte. In einem Bericht der Bundesregierung an den UNO-Kinderrechtsausschuss habe Österreich noch im April 2018 das Bundeskinderjugendhilfegesetz (BKJHG) gelobt. Es sei ein wesentlichen Beitrag zur Vereinheitlichung von Standards. „Im Mai darauf hat man sich mit den Bundesländern auf politischer – nicht auf fachlicher -Ebene auf die Auflösung dieses Gesetzes geeinigt „, erklärte Sax.

Mehr gemeinsame statt Entweder-/Oder-Lösungen

Der Menschenrechtsexperte unterstrich die Notwendigkeit, dass Bund und Länder gemeinsam an Lösungen arbeiten müssen. „Aus meiner Sicht wird hier allzu oft von einem Entweder/Oder gesprochen und nicht von einem ‚Und‘ – nämlich Bund und Länder gemeinsam“, sagte Sax. Er beleuchtete das anhand von vier Dimensionen. Die erste Dimension „Grundsätze“ verlange unter anderem den Rechtsanspruch auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe. Für bestimmte Gruppen von Kindern sei dieser nicht verwirklicht, etwa für Kinder aus dem Ausland.

In der Dimension „Strukturen“ subsumierte Sax Strategieentwicklung, Koordination und Schnittstellenmanagement. Die Kinder- und Jugendanwaltschaften (KIJA) etwa seien im BKJHG verankert. Doch dieses würde mit der „Verländerung“ obsolet werden. Die KIJAs würden damit ihre Rechtsgrundlage verlieren. In Österreich gebe es beispielsweise noch keinen Aktionsplan gegen Kindergewalt. „Wenn die Materie nun Ländersache wird – wer stellt dann sicher, dass es zum Beispiel eine einheitliche Ausbildung gibt, dass einheitliche Qualitätsstandards geschaffen und eingehalten werden oder dass Schnittstellen funktionieren?“, fragte Sax.

Von der dritten Dimension, den „Leistungen“, seien die Identifizierung von Gefährdungen, der Schutz von Kindern, die Leistung von Unterstützungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche oder auch die eventuelle Herausnahme aus den Familien umfasst. Mit der geplanten Änderung wäre es zum Beispiel wohnortabhängig, welche Therapieangebote Kinder und Jugendliche in Anspruch nehmen könnten. „In der Prävention und in der frühen Hilfe werden uneinheitliche Akzente gesetzt“, sagte Helmut Sax. Wie wichtig diese wären, zeigte nach Sax eine Modellberechnung der Universität Gießen aus dem Jahr 2011. Demnach kosten über die Lebensspanne hinweg Maßnahmen bei Problemen im Säuglingsalter 34.000 Euro; würden sie im Kindergartenalter in Angriff genommen, kosteten sie 430.000 Euro; würden man ihnen im Schulalter begegnen, beliefen sich die Kosten auf 1,1 Millionen Euro.

Bei der vierten Dimension „Rechenschaft“ sei mit umfasst, wie festgestellt und sichergestellt werde, dass die Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt würden und in der Praxis auch tatsächlich wirksam seien. Auch hier ortete Helmut Sax Defizite. Die österreichische Kinder- und Jugendhilfe verfüge zwar über interne Aufsichtsmechanismen. Beim externen Monitoring gebe es aber noch Aufholbedarf.

„15a-Vereinbarungen“ nur Schadensbegrenzung?

Helmut Sax bezeichnete die bisherige als „nicht die schlechteste Lösung“. Man hätte erst Evaluierungsergebnisse abwarten sollen, bevor man die Kinder- und Jugendhilfe in die Hände der Länder legt. Die jetzige Lösung mit einer „15a-Vereinbarung“ zwischen den Bundesländern als Ausgleich und zur Gewährleistung einheitlicher Standards sei nichts anderes als Schadensbegrenzung. Er verwies auf Deutschland, wo man erst kürzlich ein „Kinder- und Jugendstärkungsgesetz“ umgesetzt habe, nachdem man die Lage evaluiert hatte. „Dort gibt es dieses gemeinsame Vorgehen und nicht das Entweder/Oder“, hob Helmut Sax hervor.

Vertreterinnen der Regierungsparteien: „Regierung ist am richtigen Weg“

Marianne Hackl (ÖVP/B) und Rosa Ecker (FPÖ/O) verteidigten die geplante Vorgangsweise der Bundesregierung. Rosa Ecker hob die Rolle der Pflege- und Krisenpflegefamilien hervor. Auch die SozialarbeiterInnen der Kinder- und Jugendhilfe leisteten mehr, als man von ihnen erwarten könne. Marianne Hackl sagte, die Regierung sei auf dem richtigen Weg. Sie stelle sicher, dass die Länder ihre Leistungsangebote umsetzen. Ecker betonte, Beteiligungsprozesse seien mühsam aber wirksam. „Wir brauchen eine mitwirkende Gesellschaft“, sagte sie. „Ich habe Vertrauen in die Bundesländer, dass sie die Kinder- und Jugendhilfe in ihrer Kompetenz auf einem hohen Niveau meistern werden.“

Opposition: „Der Bund nimmt sich aus der Verantwortung“

Daniela Gruber-Pruner (SPÖ/W) hingegen beklagte, der Bund würde sich aus der Verantwortung nehmen. „Wir haben 2013 mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz die Kooperation zwischen allen Beteiligten weiterentwickelt und ein Netz aus Bund und Ländern geknüpft“, erläuterte Gruber-Pruner. „Jetzt nimmt sich der Staat aus diesem Netz heraus.“ Sie verstehe nicht, warum eine Materie wie die Kinder- und Jugendhilfe in den Augen der Regierung nicht gut genug sei, in Bundesverantwortung zu bleiben. Bei anderen Materien sei dies nach wie vor der Fall – trotz Kompetenzbereinigung.

Nach wie vor Handlungsbedarf in verschiedenen Bereichen

Einig waren sich die Vertreterinnen der drei Bundesratsfraktionen darin, dass es noch Handlungsbedarf in unterschiedlichen Bereichen des Kindeswohls gebe. Marianne Hackl betonte, wie wichtig es sei, Kinder auch auf dem Sprung ins Erwachsenenleben zu begleiten und ihre Eltern dabei zu unterstützen. Daniela Gruber-Pruner unterstrich die Wichtigkeit der Ressourcen: „Die Kinder- und Jugendhilfe steht und fällt mit gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit entsprechenden räumlichen Gegebenheiten – und sie steht und fällt damit, dass den Kindern und Jugendlichen viel Zeit gewidmet wird“, sagte sie. Rosa Ecker hob hervor, dass der Anteil der familiär betreuten Kinder gegenüber dem Anteil der Kinder in staatlicher Obsorge in Österreich im Vergleich mit anderen europäischen Ländern noch gering sei. „Für Kinder ist das Aufwachsen in einem familiären Umfeld aber wichtig, um erwünschte Kompetenzen und eine eigene Identität entwickeln zu können“, betonte sie. (Schluss Enquete) gb

HINWEIS: Fotos der Parlamentarischen Enquete des Bundesrats finden Sie auf der Website des Parlaments unter www.parlament.gv.at/SERV/FOTO/ARCHIV .

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