Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 29. September 2018. Von ALOIS VAHRNER. "Selbstzerfleischung nach Kern-Schmelze" | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 29. September 2018. Von ALOIS VAHRNER. „Selbstzerfleischung nach Kern-Schmelze“

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Innsbruck (OTS) – Die SPÖ kann offenbar Opposition, allerdings in eigener Sache – und präsentiert sich als Tollhaus, in dem die designierte Parteichefin Pamela Rendi-Wagner bereits vor ihrer Wahl schwer beschädigt wird.

Erstmals seit dem Start von Türkis-Blau musste diese Woche Bundeskanzler Sebastian Kurz ausrücken, um den Koalitionspartner öffentlich zurückzupfeifen: Das Mail aus dem von FPÖ-Mastermind Herbert Kickl geführten Innenministerium an Polizeidienststellen zur Einschränkung von Informationen für kritische Medien wurde auch vom Regierungschef zu Recht als Angriff auf die Pressefreiheit gesehen. Eine Message Control der völlig inakzeptablen Art.
An und für sich wären solche Konflikte eine höchst willkommene Auflage für die Opposition. Diese ist aber vornehmlich mit sich selbst beschäftigt. Die Liste Pilz fiel bisher vor allem mit internen Querelen auf, die NEOS müssen mit dem Abgang ihres beliebten Parteichefs Matthias Strolz wohl neu in die Gänge kommen. Und die mit Abstand größte Oppositionskraft SPÖ? Hier herrscht das reinste Chaos. Zunächst die völlig vermurkste Rücktrittsankündigung des einst als Wunderwuzzi von den ÖBB gekommenen Christian Kern, der als am kürzesten dienender SPÖ-Chef der Geschichte eine zutiefst zerstrittene Partei hinterlässt. Seit Tagen wird eine Selbstzerfleischung auf offener Bühne vollführt. Eine Disziplin, die man in der Vergangenheit vor allem von der ÖVP kannte, die ihre Obmänner immer wieder scheibchenweise demontierte, während die SPÖ von den Schwarzen oft für ihre Disziplin bewundert wurde, die ihr oft Platz 1 und den Kanzler einbrachte.
Die SPÖ bräuchte nach der vielfach selbst verschuldeten Kern-Schmelze (von der Silberstein-Affäre bis zu einem schwer zu vermittelnden Zickzackkurs) einen kraftvollen Neubeginn. Rendi-Wagner könnte als erste Frau an der SPÖ-Spitze tatsächlich so ein Aufbruchssignal sein. Abgesehen davon, dass offenbar aber nur wenige in der Partei wissen, wofür die designierte Chefin bei diversen heißen Themen (allen voran die Migration oder auch die ewige Gretchenfrage Verhältnis zur FPÖ) steht: Rendi-Wagner wurde ausgerechnet von Kern vorgeschlagen und sie holt mit Thomas Drozda dessen engsten Vertrauten – und wie schon bei Kerns damaliger Kür (der damalige Bürgermeister Michael Häupl wollte Gerhard Zeiler) wurden die mächtigen roten Wiener Genossen vor vollendete Tatsachen gestellt.
Als Sebastian Kurz im Vorjahr ÖVP-Chef wurde, hat ihm die umfragemäßig am Boden liegende Partei quasi alle Vollmachten ausgestellt. Einige SPÖ-Granden hingegen beschädigen ihre kommende Chefin bereits vor ihrer Wahl massiv. Rendi-Wagner tritt ein ganz schweres Amt an, in dem sie eigentlich nur noch positiv überraschen kann.

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