FDI in Mittel-, Ost- und Südosteuropa: Rückgänge durch Kapitalabzug | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

FDI in Mittel-, Ost- und Südosteuropa: Rückgänge durch Kapitalabzug

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Wien (OTS) – Der Zufluss ausländischer Direktinvestitionen (FDI) nach Mittel-, Ost- und Südosteuropa (MOSOE) nahm 2017 aufgrund von Kapitalabzügen stark ab. Letztere fanden im Zuge von Wiederverstaatlichungen oder inländischen Übernahmen ausländischer Vermögenswerte statt und verringerten vor allem FDI in den EU-Mitgliedstaaten der Region (EU-MOE). Aus dem gleichen Grund gingen auch österreichische Direktinvestitionen im EU‑MOE-Raum zurück, die Erträge der Investoren stiegen hingegen.

FDI-Zuflüsse nach MOSOE gingen 2017 im Vergleich zu den revidierten Daten für 2016 um 25% zurück. Nach dem Rekordbetrag von 96 Mrd. Euro im Jahr zuvor (Tabelle 1) wurden nur noch 72 Mrd. Euro verzeichnet. Der Rückgang betrug 20% in der EU-MOE-Region und 36% in Belarus, Kasachstan und Moldau (GUS-3) und der Ukraine. Auch die beiden bevölkerungsreichsten Länder der MOSOE verzeichneten einen deutlichen Rückgang: Russland -33% und die Türkei -20%. Der Westbalkan erreichte hingegen einen Zuwachs von 18%. Trotz scheinbar ungünstiger FDI-Entwicklungen in den meisten MOSOE-Regionen stellen die Zuflüsse im Jahr 2017 keinen Sonderfall, sondern eine Rückkehr zum Durchschnitt der Jahre 2011-2015 dar, was das Jahr 2016 als Ausreißer erscheinen lässt.

MOSOE verzeichnete 2017 zum dritten Mal in Folge einen Anstieg der Anzahl der Neuansiedlungsinvestitionen (7,4%), während die Höhe des zugesagten Investitionskapitals das außerordentlich starke Ergebnis von 2016 um 26% verfehlte (Tabelle 2, auf Basis von fdimarkets.com). Die EU-MOE-Länder registrierten sowohl bei der Anzahl der Projekte als auch beim Investitionskapital Zuwächse. Der größte Boom an Unternehmensneuansiedlungen war in Polen zu verzeichnen, wo sich jedoch die FDI-Zuflüsse aufgrund von Kapitalabzügen auf 5,7 Mrd. EUR halbierten.

Verkäufe von ausländischen Vermögenswerten an inländische Investoren im Rahmen von Kapitalabzügen verminderten den Umfang der FDI-Zuflüsse (den Nettowert von Bruttozufluss und Kapitalabzug). In Polen verkaufte die UniCredit Bank ihre 32,8%ige Beteiligung an der Pekao Bank für 2,4 Mrd. Euro an die staatliche Versicherungsgesellschaft PZU und den Polnischen Entwicklungsfonds, PFR. Überhaupt ist die polnische Regierung darum bemüht, die Kontrolle über den Finanzsektor und die Medien zu übernehmen. Auch in Ungarn gingen die ausländischen Beteiligungen durch staatliche Akquisitionen im Energie-, Telekom- und Bankensektor zurück. Infolgedessen kam 2017 fast der gesamte FDI-Zufluss in Ungarn der verarbeitenden Industrie zugute. In der Tschechischen Republik übernahmen inländische Investoren ausländische Vermögenswerte im Medien- und Telekommunikationssektor.

Die EU-MOE-Region und der Westbalkan könnten im Jahr 2018 aufgrund des lebhaften Wirtschaftswachstums mit steigenden FDI-Zuflüssen rechnen. Die FDI-Aktivitäten werden jedoch nicht wieder das Niveau vor der Finanzkrise erreichen, da das Investitionsklima allgemein gedämpft ist. In Volkswirtschaften, in denen ausländische Tochtergesellschaften 40-50% des BIP im Unternehmenssektor erwirtschaften, wie Ungarn, der Slowakei, Rumänien und der Tschechischen Republik, ist der Spielraum für ausländische Übernahmen überhaupt begrenzt. Die politische Unterstützung für ausländische Direktinvestitionen beschränkt sich auf exportorientierte Investitionen mit Hochtechnologie, während inländische Investoren starke und bevorzugte Wettbewerber in anderen Sektoren sind.

Arbeitskräftemangel hemmt Neuinvestitionen in den EU-MOE-Ländern. Es werden Schwierigkeiten entstehen, den Beschäftigungsbedarf von 220.000 neuen Arbeitsplätzen zu decken, die durch die im Jahr 2017 angekündigten Unternehmensansiedlungen geschaffen werden sollen. In Ungarn werden 90% der potenziellen Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt durch ausländische Neuansiedlungsinvestitionen benötigt, etwa 50% in der Tschechischen Republik und Polen, 25% in der Slowakei und Serbien und 20% in Rumänien. Zum Vergleich: Ausländische Tochtergesellschaften beschäftigen in diesen Ländern zurzeit nur etwa 25% der Arbeitskräfte. Die angespannte Arbeitsmarktsituation kann weitere ausländische Direktinvestitionen behindern, es sei denn, die Investoren erwägen neue Wege wie Automatisierung oder eine Verlagerung weiter in den Osten. Letzteres ist demnächst nicht sehr wahrscheinlich, da diese Länder, wie beispielsweise die Ukraine, schlechtere Geschäftsbedingungen und Infrastruktur bieten. Der Westbalkan, reich an freien Arbeitskräften, könnte eine Alternative darstellen.

Abgesehen vom Geschäftsumfeld innerhalb der Region gibt es mehrere globale Entwicklungen, die die FDI-Ströme im Jahr 2018 und darüber hinaus beeinflussen werden. Sanktionen gegen russische Oligarchen werden einen starken Rückgang der ausländischen Direktinvestitionsbeziehungen Russlands in bzw. aus den USA und Europa auslösen. Die Reformen der US-Körperschaftssteuer und der Gewinnrückführung sowie die Zölle auf Stahl- und Aluminiumimporte werden die FDI-Ströme in die Vereinigten Staaten lenken. Wenn Importzölle auf Europäische Autos erhoben werden, würde dies auch den Zulieferern in MOSOE schaden. Der Brexit kann ein Umdenken ausländischer Investoren in Großbritannien in Bezug auf Wertschöpfungsketten und allgemeine Investitionskosten bedeuten und Kapitalverlagerungen in Bewegung setzen. Digitalisierung und die Industrie 4.0 dürften die Rolle der Arbeitskosten bei der Aufteilung und Lokalisierung der Wertschöpfungskette verringern und damit auch den Umfang und die Größe der globalisierten Produktion. Dabei könnten die EU-MOE-Länder langfristig an Attraktivität verlieren, da die automatisierte Produktion möglicherweise nicht mehr ausgelagert wird.

Österreich bleibt nach den Niederlanden und Deutschland der drittwichtigste Direktinvestor in der EU-MOE-Region (9,2% des Bestandes im Jahr 2016) und der zweitwichtigste in den Westbalkanstaaten (11%; Daten des Gastlandes; Tabelle 3). Die Umstrukturierung im Bankensektor (UniCredit) und in anderen Sektoren hat die Größe österreichischer FDI-Bestände in der Region allerdings verringert.

Die österreichischen Unternehmen erwirtschaften überdurchschnittlich hohe Gewinne in den EU-MOE-Ländern. Der Anteil dieser Länder an den österreichischen aktiven Direktinvestitionsbeständen betrug im Jahr 2017 25.5%, die aber 33% der weltweiten FDI-Erträge erwirtschaftet haben (Quelle: OeNB).

Das Einkommen österreichischer Unternehmen aus Direktinvestitionen im EU-MOE-Raum betrug 1,2% des BIP in 2017 (Berechnung auf Basis von OeNB-Daten). Das ist bedeutend höher als der österreichische Beitrag zum EU-Haushalt (0,8% des BIP im Jahr 2016). Zwischen den beiden Beträgen lässt sich ein Zusammenhang herzustellen. Ein großer Teil der Zahlungen an das EU-Budget hat nämlich die Infrastruktur und das Geschäftsumfeld in den EU-MOE-Ländern verbessert und somit österreichischen (und anderen) Unternehmen geholfen, Gewinne aus ihren Investitionen in der Region zu erzielen.

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