Reformminister Moser will Österreich „neu bauen“
Wien (PK) – Justizminister Josef Moser zeigte sich heute im Verfassungsausschuss des Nationalrats zuversichtlich, dass es gelingen kann, Österreich zumindest in Teilbereichen neu zu bauen. Man müsse die zersplitterten Strukturen zusammenführen und die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern im Sinne eines „echten Föderalismus“ entflechten, sagte der in der Regierung auch für Verfassung, Reformen und Deregulierung zuständige Minister bei einer allgemeinem Aussprache über aktuelle Themen. Laut Moser sind die Gespräche mit den Ländern über eine Beseitigung gegenseitiger Blockademöglichkeiten und die Abschaffung des Artikels 12 der Bundesverfassung bereits weit gediehen, nun soll eine Arbeitsgruppe konkrete Umsetzungsschritte erarbeiten.
Neben Moser standen Bundeskanzler Sebastian Kurz und Kanzleramtsminister Gernot Blümel den Mitgliedern des Ausschusses Rede und Antwort, wobei die Themenpalette von den Schwerpunkten der Regierungspolitik bis zur Mindestsicherung reichte. Laut Blümel gilt es nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs nun ein Mindestsicherungsmodell zu erarbeiten, dass den höchstgerichtlichen Vorgaben entspricht, gleichzeitig aber auch dem seiner Meinung nach zuletzt vernachlässigten Grundgedanken Rechnung trägt, dass die Mindestsicherung eine Wiedereinstiegshilfe in den Arbeitsmarkt und kein bedingungsloses Grundeinkommen sei. Das Budget für die Volksgruppenförderung steht ihm zufolge noch nicht fest.
SPÖ hinterfragt Projekte zur Rechtsbereinigung und zur Beseitigung von „Gold Plating“
Am meisten Raum in der Debatte nahmen die Reformprojekte von Justizminister Josef Moser ein, insbesondere was die geplante Rechtsbereinigung und die Neuordnung der Kompetenzen betrifft. Morgen ist der Stichtag, bis zu dem die einzelnen MinisterInnen einmelden müssen, welche Gesetze sie in ihrem Zuständigkeitsbereich für überflüssig halten. Gleichzeitig hat der nunmehr im Justizministerium angesiedelte Verfassungsdienst eine Liste erstellt, wie Moser berichtete. Damit sei eine Doppelkontrolle gewährleistet. Es werde außerdem in jedem Fall, so wie beim im Jahr 1999 verabschiedeten Deregulierungsgesetz, eine „Positivliste“ der abzuschaffenden Normen geben, sicherte Moser SPÖ-Abgeordnetem Johannes Jarolim zu. Dieser hatte zuvor die Befürchtung geäußert, dass weiter notwendige Gesetze durchrutschen könnten, wenn man im Zuge der Beschlussfassung ausschließlich darauf abstelle, welche Gesetze weiter Bestand haben sollen.
Auch bezüglich der geplanten Beseitigung von „Gold Plating“ ist laut Moser ein partizipativer Prozess sichergestellt. In einem ersten Schritt seien alle Akteure, darunter auch die Sozialpartner, eingeladen worden, gesetzliche Bestimmungen zu melden, die über EU-Vorgaben hinausgehen und weder aus volkswirtschaftlichen Überlegungen noch im Interesse der Unternehmen bzw. ArbeiternehmerInnen notwendig sind. Die Frist dafür läuft bis 15. Mai. Es solle nur das beseitigt werden, was keinen Zweck habe, unterstrich Moser. Höhere Umweltstandards, die es schon vor dem EU-Beitritt Österreichs gegeben hat, seien in keinem Fall gefährdet.
Für SPÖ-Abgeordneten Andreas Schieder sind allerdings noch viele Fragen offen. Er hoffe, dass es nicht die Umwelt und die ArbeiternehmerInnen sind, die bei der Beseitigung von „Gold Plating“ draufzahlen, sagte er. Außerdem gab er zu bedenken, dass auch die österreichischen Agrarförderungen, die über die Kofinanzierung von EU-Förderungen hinausgehen, unter „Gold Plating“ fallen. Eine Einschätzung, die ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Berlakovich aber nicht teilen wollte. Dass ÖPUL-Programm für eine ökologische Landwirtschaft habe nichts mit „Gold Plating“ zu tun.
Was die Kompetenzentflechtung betrifft, will Moser unter anderem das Übergangsgesetz von 1920, das wechselseitige Zustimmungsrechte von Bund und Ländern regelt, kippen. Dort ist unter anderem festgeschrieben, dass der Bund bei der Bestellung von LandesamtsdirektorInnen ein Wort mitzureden hat, während etwa die Länder Einsprüche gegen die Änderung von Gerichtssprengeln einlegen können. Für wenig zweckmäßig erachtet Moser außerdem jenen Artikel in der Bundesverfassung, der für manche Bereiche die Grundsatzgesetzgebung durch den Bund und die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung durch die Länder vorsieht. Österreich stehe überall an der Spitze, wenn Geld ausgegeben werde, sagte Moser, bei der Effizienz hinke man aber hinten nach.
FPÖ-Verfassungssprecher Harald Stefan gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die zersplitterten Kompetenzen ein wesentlicher Hemmschuh für Reformen seien. Diese zu entflechten wird seiner Meinung nach eine Herkulesaufgabe sein.
Moser will einheitliches Richterbild entwickeln
Forcieren will Moser auch die Entwicklung eines einheitlichen Richterbilds. Da kommt es ihm zupass, dass das Justizministerium nunmehr auch für das Bundesverwaltungsgericht zuständig ist. Es gehe nicht darum, die hervorragende Ausbildungsschiene für VerwaltungsrichterInnen, die aufgebaut wurde, in Frage zu stellen, sagte der Minister, man wolle aber einen Austausch fördern. Wesentlich ist für ihn außerdem, weiterhin FachexpertInnen als VerwaltungsrichterInnen zu gewinnen, um bei den Verwaltungsgerichten nicht von GutachterInnen abhängig zu sein.
Im Bereich der Verwaltungsstrafen soll es laut Moser künftig möglich sein, ersatzweise gemeinnützige Leistungen zu erbringen. Überdies hält er im Sinne eines effizienten Strafverfahrens einen einheitlichen Deliktskatalog für notwendig.
Keineswegs geplant sei, die Zuständigkeit für Strafrecht vom Justizministerium ins Innenministerium zu transferieren, versicherte Moser SPÖ-Abgeordnetem Jarolim. Dass die zur Verschärfung des Sexualstrafrechts eingerichtete Taskforce von Innen-Staatssekretärin Karoline Edtstadler geleitet wird, begründete er damit, dass es innerhalb der Taskforce drei Arbeitsgruppen – eine für Strafrecht, eine für Opferschutz und eine für Täterarbeit – gebe. Die Arbeitsgruppe für Strafrecht werde vom Generalsekretär des Justizministeriums Christian Pilnacek geleitet.
Rasch und klaglos ist Moser zufolge die Eingliederung des Verfassungsdienstes in das Justizressort erfolgt. „Es war ein absolut harmonischer Übergang.“
Mindestsicherung: Blümel will neues Modell erarbeiten
Zum von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak angesprochenen Vfgh-Urteil zur Mindestsicherung nahm Kanzleramtsminister Gernot Blümel Stellung. Er erinnerte daran, dass die Mindestsicherung bei ihrer Einführung als Wiedereinstiegshilfe in den Arbeitsmarkt gedacht war. Dieser Grundgedanke sei beispielsweise in Wien aber verlorengegangen. Dort habe sich die Mindestsicherung zu einem bedingungslosen Grundeinkommen entwickelt, meinte Blümel. Da der Verfassungsgerichtshof den eingeschlagenen Weg zur Reform der Mindestsicherung nicht akzeptiert habe, müsse man nun einen anderen Weg suchen. Scherak hatte dazu festgehalten, dass es mit dem Vorarlberger Modell, das verstärkt auf Sachleistungen setzt, ein verfassungskonformes Mindestsicherungsmodell gebe.
Gegenüber ÖVP-Abgeordnetem Berlakovich sicherte Blümel zu, dass die Förderanträge der Volksgruppen künftig schneller abgewickelt werden. Das Budget für die Volksgruppen steht ihm zufolge noch nicht fest.
Kurz: Regierung hat bereits etliche Meilensteine gesetzt
Auf die Schwerpunkte der Regierungspolitik ging Bundeskanzler Sebastian Kurz ein. Man habe in den wenigen Monaten seit Amtsantritt schon einige Meilensteine gesetzt und damit auch Wahlversprechen eingelöst, sagte er und nannte als Beispiele etwa den Familienbonus, die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge für kleine Einkommen, das Prinzip „Deutsch vor Schuleintritt“ und die schnelle Einigung bei der Universitätsfinanzierung. Der Regierung gehe es darum, Österreich sicher zu machen, die Bevölkerung zu entlasten und alles zu tun, um Österreich zukunftsfit zu machen.
Dem Einwand von Abgeordnetem Schieder (SPÖ) wonach massive Kürzungen etwa bei Bahnprojekten und im Bildungsbereich drohen, hielt Kurz entgegen, es sei das große Ziel der Regierung, dass arbeitenden Menschen mehr Geld übrig bleibt. Um das zu gewährleisten, brauche es einen schlanken Staat und einen sparsamen Umgang mit Steuergeld. ÖVP und FPÖ seien außerdem für ihr Versprechen nach einer Steuerentlastung gewählt worden.
Parallel dazu versuche die Regierung, ein ausgeglichenes Budget zustande zu bringen, unterstrich Kurz. Internationale Beispiele zeigten, dass eine ständige Überschuldung des Staates zu massiven Sparprogrammen führe, die erst recht wieder die Ärmsten der Armen treffen. Als Ziel der Arbeitsmarktpolitik nannte es Kurz, die Menschen so schnell wie möglich wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen und sie nicht vom Staat abhängig zu machen.
Staatsziel Wachstum und Beschäftigung
Sowohl Kurz als auch Moser bekräftigten darüber hinaus das Vorhaben, eine Staatszielbestimmung zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts in der Verfassung zu verankern. Dieses Staatsziel werde den anderen Staatszielen nicht übergeordnet, sondern diesen gleichrangig sein, betonte Moser. Es gehe darum, Ökonomie, Ökologie und Soziales gleich zu behandeln. Auch ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl machte sich für eine entsprechende Verfassungsbestimmung stark. Susanne Fürst (FPÖ) forderte darüber hinaus weitere Maßnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts wie die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Bürokratieabbau. (Fortsetzung Verfassungsausschuss) gs
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