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Bundesrats-Enquete zu Armut: Benachteiligungen im Kindesalter wirken ein Leben lang

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Wien (PK) – Kinderarmut nimmt Menschen Entwicklungschancen und führen zu Armut im Alter. Zudem sind vor allem Frauen von Altersarmut betroffen. In diesem Befund waren sich alle ExpertInnen, die zu diesem Thema in der heutigen Enquete des Bundesrats Stellung bezogen, einig. Frauen würden durch ihre unbezahlte Arbeit in der Familie bei Kindererziehung und Pflege einen wesentlichen Beitrag leisten, ohne dafür honoriert zu werden. In den Statements wurde auch darauf hingewiesen, dass Altersarmut zur gesellschaftlichen Isolation führt und Krankheit verursacht.

Korosec: Mangelnde Bildung ist eine wesentliche Ursache für Altersarmut

Ein besonderer Zusammenhang wurde auch zwischen mangelnder Bildung und Armutsbekämpfung gesehen, denn die Benachteiligungen im Kindesalter wirken ein Leben lang, wie die Präsidentin des Seniorenrats, Ingrid Korosec, betonte. Sie forderte daher, vermehrt in Bildung zu investieren, gab aber gleichzeitig zu bedenken, dass dies keine Einbahn sein könne, sondern es auf die Vielfalt des Bildungsangebots ankomme. Dazu bedarf es noch einer Bewusstseinsbildung, denn nur lebenslanges Lernen vergrößere die Einkommenschancen und schütze somit vor dem Abrutschen in die Armut. Lebenslanges Lernen muss eine Selbstverständlichkeit werden, so das Credo von Ingrid Korosec.

Die Präsidentin des Seniorenrats forderte zudem eine stärkere Aufklärung darüber, wie wichtig und notwendig eine Eigenpension ist. In diesem Zusammenhang sprach sie sich für ein verpflichtendes Pensionssplitting aus, da dieses freiwillig nicht funktioniere. Sie trat zudem dafür ein, endlich das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit zu realisieren, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen und pflegende Angehörige zu unterstützen – auch durch finanzielle Besserstellung. Grundsätzlich plädierte sie dafür, über das Verhältnis von unbezahlter Arbeit und Erwerbsarbeit neu nachzudenken.

Blecha: Wohnen muss wieder leistbar sein

Frauen länger im Erwerbsleben zu halten, ist auch für Karl Blecha vom Pensionistenverband Österreich unabdingbar. Grundsätzlich hält er es für erforderlich, älteren Menschen altersgerechte Arbeitsfelder zu eröffnen und bessere Integrationsmaßnahmen zu setzen. Heftige Kritik übte er am Stopp der Aktion 20.000. Um der Altersarmut besser begegnen zu können, schlug Blecha vor, bei der Bemessungsgrundlage für künftige Pensionen die schlechtesten 10 Jahre herauszurechnen und bei der erhöhten Ausgleichszulage für Alleinstehende auch die Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen. Mit allem Nachdruck trat er für ein neues Mietrecht ein, um das Wohnen leistbar zu machen.

Neubauer: Working poor und hohe Arbeitslosigkeit sind besondere Herausforderungn

Armut hat viele Gesichter und Ursachen, sagte Werner Neubauer vom Österreichischen Seniorenring. Als besondere Problembereiche bezeichnete er das Phänomen der working poor, also jener Menschen, die von ihrem Einkommen nicht leben können und die noch immer hohe Arbeitslosigkeit. Auch die massive Teuerung bereite vielen älteren Menschen große Probleme, sagte er und beleuchtete vor allem den sogenannten Österreich-Aufschlag, etwa bei Lebensmitteln, kritisch. Seine Forderungen gingen in Richtung Erhöhung des Familienbonus und Anhebung der Mindestpension auf 1200 €, bzw. 1500 € für Paare. Auch er sprach sich für die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten und Pflege bei der Pensionszeitenberechnung und allgemein für eine steuerliche Entlastung aus.

Heitzmann: An der stärkeren Armutsgefährdung von Frauen hat sich nichts geändert

Von der wissenschaftlichen Seite ging Karin Heitzmann (Institut für Sozialpolitik an der WU Wien) an das Thema heran. Sie bezog sich dabei auf die Gruppe der einkommensarmen Menschen und stellte dazu fest, dass bei dieser Berechnung der Armutsgefährdung nur Einkommen, nicht aber Vermögen oder Ausgaben, etwa für Wohnen etc., miteingerechnet werden. Heitzmann bestätigte, dass die Altersarmut in Österreich in den letzten 10 Jahren gesunken ist, dass sich aber an der stärkeren Armutsgefährdung von Frauen im Alter gegenüber Männern nichts geändert habe. Auch ist der Rückgang der Armutsgefährdung bei älteren Männern stärker als bei Frauen. Laut Heitzmann muss man jedoch auch bei den älteren Menschen zwischen unterschiedlichen Gruppen unterscheiden und so habe sich gezeigt, dass die unter 60-Jährigen stärker von Armut gefährdet sind als die über 60-Jährigen. Auch die Gruppe der über 75-Jährigen bleibt überproportional armutsgefährdet.

Geringes Einkommen zieht viele Mängel nach sich, wie etwa eine schlechte Wohnumgebung und schlechte Wohnbedingungen. Damit erhöhe sich die Krankheitsgefahr und die Pflegebedürftigkeit. Armut mache auch psychisch krank und führe zu sozialer Isolation, führte Heitzmann aus. Das beste Mittel gegen Altersarmut ist für sie die Möglichkeit, individuelle Pensionsleistungen durch eigenständige Erwerbsarbeit zu erreichen.

Herr: Haushaltseinkommen ist entscheidender Faktor, Unterhaltsgarantie muss kommen

Der Zusammenhang zwischen schlechten Bedingungen in Kindheit und Jugend und Altersarmut wurde auch in den Referaten der JugendvertreterInnen deutlich. Um über bessere Daten zu verfügen und zu wissen, was ein Kind braucht, wurde die Forderung nach einer neuen Kinderkostenstudie in den Raum gestellt.

Als einen entscheidenden Faktor zur Verhinderung von Armut in der Familie, bezeichnete Julia Herr von der Bundesjugendvertretung das Haushaltseinkommen. Ihrer Meinung nach muss man besonders bei der Zielgruppe der AlleinerzieherInnen, der erwerbslosen Eltern, der kinderreichen Familien und jener mit prekären Arbeitsverhältnissen ansetzen. Als ein besonderes Problem in Bezug auf Kinder – und Jugendarmut sieht auch Herr die hohen Wohnungskosten. Viele Familien würden in unbeheizten Wohnungen leben müssen, was sich in der Folge negativ auf die Bildungschancen und die Gesundheit auswirke. Auf Grund eines mangelten Familieneinkommens können viele SchülerInnen nicht an schulischen Aktivitäten teilnehmen, der Schulanfang bedeute einen massiven Einschnitt in das Familienbudget, all das habe den sozialen Ausschluss zur Folge, so Herr.

Die Jugendvertreterin drängte daher auf eine Unterhaltsgarantie sowie auf eine Neuberechnung des Unterhalts. Sie forderte zudem ein flächendeckendes Angebot an Kindergärten und Kinderbetreuungsplätzen, das den ganzen Tag und das ganze Jahr zur Verfügung steht. Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz müsse ab dem ersten Lebensjahr gelten, zudem plädierte Herr für eine Kindergartenpflicht zwei Jahre vor dem Schuleintritt.

Tiwald: Erziehung und Hilfe von außen können Unterschiede beheben

Die finanzielle Absicherung, ein ausreichendes Angebot an Kinderbetreuung, eine gute Schule und die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte sind auch für die zweite Rednerin aus der Bundesjugendvertretung, Martina Tiwald, absolut notwendig. Unterschiede sind behebbar, ist sie überzeugt, einerseits durch Erziehung, andererseits durch Hilfestellung von außen, etwa durch Monitoring, aber auch durch das vielfältige Angebot der zahlreichen Kinder- und Jugendorganisationen. Diese trügen durch ihre sinnvolle Freizeitgestaltung wesentlich zur Entwicklung von Kindern und Jugendlichen bei.

Tiwald legte einen besonderen Fokus auf die Familie und auf Möglichkeiten individueller Unterstützung. Kinder brauchen Zeit, Aufmerksamkeit und Fürsorge, betonte sie, Kindererziehung müsse als eine geteilte elterliche Aufgabe begriffen werden. Dies sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die Jugendvertreterin appellierte, die Kinderrechte zu verwirklichen und die UNO-Kinderrechtekonvention umzusetzen.

Kohlbauer: Mehr für den sozialen Wohnbau tun

Eine gute Wohnumgebung hält auch Leo Kohlbauer, Landtagsabgeordneter der FPÖ in Wien, für eine zentrale Frage im Kampf gegen Kinderarmut. In diesem Sinn sieht er die Kommunen und Länder besonders gefordert, mehr für den sozialen Wohnbau zu tun. Er kritisierte vor allem, dass Wien den Heizkostenzuschuss gestrichen hat.

Ihm zufolge sollte die öffentliche Hand auch dafür sorgen, dass ausreichend Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stehen und diese für sozial Schwache auch kostenlos sind. Sozial benachteiligte Kinder sollten auch im Rahmen der Ganztagsbetreuung das Essen gratis bekommen und für notwendige Schulutensilien nichts zahlen müssen. Kohlbauer machte besonders darauf aufmerksam, dass viele Kinder mit Migrationshintergrund von Armut betroffen sind. Er prangerte vor allem „Betteltouristen“ an, die Kinder für ihre Zwecke missbrauchen, weshalb er für ein rigoroses Bettelverbot und Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Kinder vor Ort eintrat.

Nik Nafs: Notwendig ist Steigerung der Kaufkraft und Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbußen

Aus der Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft hob Ercan Nik Nafs vor allem drei Gruppen hervor, denen man besonderes Augenmerk schenken müsse. Das sind vor allem Menschen ohne Zugang zu Sozialleistungen – zum Beispiel Drittstaatsangehörige, weiters Menschen, die aus der Grundversorgung herausgefallen sind und Flüchtlinge. Sie würden ihre Einkünfte besonders aus der Schwarzarbeit beziehen, weshalb sich Nik Nafs für einen Ausbau der Straßensozialarbeit, die Stärkung der NGOs und ganzjährige Unterbringungsmöglichkeiten in Notschlafstellen aussprach.

Die zweite Gruppe betrifft die BezieherInnen der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Um bei dieser Gruppe richtig anzusetzen, verlangte der Experte die Stärkung der Kinder- und Jugendhilfe, die Berechtigung, Hilfsangebote in Anspruch zu nehmen, auf 21 Jahre anzuheben, eine Unterhaltsgarantie und vor allem auch den Ausbau des sozialen Wohnbaus und die Regulierung der Wohnkosten.

Schließlich gibt es die Gruppe der „working poor“. In diesem Zusammenhang machte sich Nik Nafs für eine Steigerung der Kaufkraft durch höhere Einkommen und eine Reduktion der Wochenarbeitszeit ohne Einkommensverluste stark. Er sprach sich auch für eine weitere engagierte aktive Arbeitsmarktpolitik aus und appellierte, vermehrt in Bildung zu investieren. Als eine Grundnotwendigkeit bezeichnete er darüber hinaus auch Maßnahmen gegen extremistische Strömungen und den Ausbau der demokratischen Kultur. (Fortsetzung Enquete des Bundesrats) jan

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