Femizid: Presserat mahnt zur Einhaltung des Opferschutzes | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Femizid: Presserat mahnt zur Einhaltung des Opferschutzes

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Wien (OTS) – Nach Ansicht des Senats 3 des Presserats verstoßen die Beiträge „Dreifache Mutter stirbt nach Messerattacke“, erschienen auf den Seiten 18 und 19 der „Kronen Zeitung“ vom 24.09.2020, sowie „Rätsel nach Bluttat“, erschienen auf Seite 23 der „Kronen Zeitung“ vom 25.09.2020, gegen Punkt 5 des Ehrenkodex für die österreichische Presse (Persönlichkeitsschutz).

Im Beitrag „Dreifache Mutter stirbt nach Messerattacke“ wird über eine Tötung in Kledering (NÖ) berichtet. So habe ein dreifacher Familienvater zu einem Messer gegriffen, damit seine Ehefrau erstochen und anschließend versucht, auch sich selbst zu töten. Die Hintergründe des „Beziehungsdramas“ im Morgengrauen würden die Ermittler vor ein Rätsel stellen. Im Beitrag „Rätsel nach Bluttat“ wird in einer kurzen Meldung nochmals über das Tötungsdelikt und die Obduktion berichtet. In beiden Beiträgen wurde ein Foto vom genannten Ehepaar veröffentlicht, wobei das Gesicht des mutmaßlichen Täters grobkörnig verpixelt ist, jenes des Opfers hingegen nicht.

Eine Beraterin des Gewaltschutzzentrums NÖ-Wiener Neustadt wandte sich an den Presserat und sah in der Bildveröffentlichung eine Persönlichkeitsverletzung gegenüber dem Opfer. Die Medieninhaberin nahm nicht am Verfahren vor dem Presserat teil. Der Senat geht daher davon aus, dass von Seiten der Angehörigen keine Zustimmung zur Bildveröffentlichung vorlag.

Der Senat hält fest, dass Berichte über Tötungsdelikte grundsätzlich für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Er erkennt das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit an solchen Berichten an. Aus dem öffentlichen Interesse an der Berichterstattung ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz des Opfers missachtet werden darf. Zudem verweist der Senat auf Punkt 5.4 des Ehrenkodex, wonach auf die Anonymitätsinteressen von Verbrechensopfern besonders zu achten ist. Schließlich darf das Leid, das die Angehörigen der Opfer erfahren, durch die Berichterstattung nicht vergrößert werden.

Die Senate des Presserats haben bereits mehrfach festgehalten, dass die Persönlichkeitssphäre eines Menschen auch über dessen Tod hinaus zu wahren ist und dass die Veröffentlichung unverpixelter Fotos von Mordopfern geeignet ist, in die Persönlichkeitssphäre dieser Personen einzugreifen und die Trauerarbeit der Hinterbliebenen zu beeinträchtigen. Im Sinne dieser bisherigen Entscheidungspraxis stellt der Senat einen Verstoß gegen Punkt 5 des Ehrenkodex fest und fordert die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ auf, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten.

Hinsichtlich der jüngst verübten Femizide weist der Presserat außerdem darauf hin, dass Journalisten und Fotografen die Privatsphäre der Angehörigen von mutmaßlichen Tätern und Verbrechensopfern zu respektieren haben. In dem Zusammenhang wird auch an die Stellungnahme des Senats 1 des Presserats aus dem Jahr 2019 erinnert, in der zu einer verantwortungsvollen Berichterstattung beim Thema „Gewalt gegen Frauen“ aufgefordert wurde:
[https://presserat.at/rte/upload/entscheidungen_2019/stellungnahme_20
19_s001-i_09.10.2019.pdf.]
(http://https://presserat.at/rte/upload/entscheidungen_2019/stellungn
ahme_2019_s001-i_09.10.2019.pdf.)

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung des Gewaltschutzzentrums NÖ-Wiener Neustadt ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin der „Kronen Zeitung“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht anerkannt.

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