SPÖ konfrontiert Innenminister Nehammer mit Sicherheitsbedenken | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

SPÖ konfrontiert Innenminister Nehammer mit Sicherheitsbedenken

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Wien (PK) – Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) machte die SPÖ in der aktuellen Europastunde der heutigen Nationalratssitzung zum Thema. Unter dem Titel „Keine europäischen Nachrichtendienstinformationen für das BVT – Österreich im schwarzen Loch der gemeinsamen europäischen Terrorbekämpfung durch Versagen der Innenminister in den letzten Jahren“ stellte SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner den seiner Meinung nach beschädigten Ruf des österreichischen Verfassungsschutzes in Europa zur Diskussion. Während die BVT-Reform ihm zufolge stocke, berichtete Innenminister Karl Nehammer von Reformschritten. Auch Grüne und NEOS mahnten Neuerungsbedarf ein, ÖVP und FPÖ suchen die Verantwortung für die behördlichen Schwierigkeiten bei der jeweils anderen Fraktion.

SPÖ sieht Bedarf für parlamentarische Kontrolle und gesamtstaatliches Terror-Abwehrzentrum

Großen Handlungsbedarf bei der Sicherheitspolitik sowie Defizite der Bundesregierung in diesem Bereich ortet Reinhold Einwallner (SPÖ) angesichts der Herausforderungen hinsichtlich terroristischer Anschläge in Europa. „Ideologischen Brandstiftern“ müsse Einhalt geboten werden, wofür das Funktionieren der Nachrichtendienste unerlässlich sei. Laut Einwallner würde das BVT von den europäischen Nachrichtendiensten aber nicht mehr in ausreichender Form mit Informationen versorgt und nicht vollumfänglich eingebunden werden, wofür der SPÖ-Mandatar die Verantwortung bei den ÖVP-Ressortchefs der letzten zwei Jahrzehnte sieht. Im Zusammenhang mit dem Attentäter von Wien sei dem Verfassungsschutz von der Untersuchungskommission ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt worden, etwa hinsichtlich der Ressourcenproblemen geschuldet verzögerten Risikoabschätzung. Außerdem würde die BVT-Reform „auf Kosten der Sicherheit“ stocken, kritisierte Einwallner. Das von der Regierung angekündigte Anti-Terror-Paket versteht er als Ablenkungsstrategie, da es für den SPÖ-Sicherheitssprecher nicht bei der Rechtslage, sondern innerhalb der Behörde Verbesserungsbedarf gibt. Er schlug eine rasche Reform des Verfassungsschutzes, begleitet von parlamentarischer Kontrolle sowie einem gesamtstaatlichen Terror-Abwehrzentrum vor, wo alle Informationen gebündelt zusammenliefen. Für die Sicherheit der ÖsterreicherInnen sei es dringend notwendig, den Vertrauensverlust wieder herzustellen, betonte Einwallner.

SPÖ-Fraktionskollege Jörg Leichtfried schlug in die gleiche Kerbe und warf der ÖVP 20-jährige Parteibuchwirtschaft im Innenressort sowie politische Verantwortung für den Terroranschlag vom 2. November 2020 vor. Für gute nachrichtendienstliche Zusammenarbeit brauche es qualifizierte Leute, unabhängig von ihrer politischen Verortung, meinte Selma Yildirim (ebenfalls SPÖ). Die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner ging von einem „abgewirtschafteten“ Sicherheitsapparat aus. Österreich sei nicht in der Lage, die innere und äußere Sicherheit zu verknüpfen und würde von den ausländischen Behörden nicht ernstgenommen sowie vom nachrichtendienstlichen Informationsfluss abgeschnitten werden, so ihre Kritik angesichts des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt. Sie forderte in Anbetracht der Zunahme terroristischer Bedrohungen ein rascheres Handeln der Behörden, „mehr Europa“ und mehr Koordinierung auf bi- und multilateraler Ebene ein.

Innenminister Nehammer: Neuaufstellung des Verfassungsschutzes läuft

Der Reformbedarf des alten Verfassungsschutzes sei mehr als sichtbar, gestand Innenminister Karl Nehammer ein. Es sei unbestritten, dass die „Schutzmauer der Republik“ Risse bekommen habe, weshalb er das Ziel verfolge, diese neu aufzustellen. Bereits letzten Februar sei der Projektauftrag erteilt worden, mit der BVT-Reform zu beginnen. Durch das umfassende Projekt soll die Struktur des Verfassungsschutzes anhand neuerster internationaler Erkenntnisse -etwa die Trennung in einen nachrichtendienstlichen und einen staatspolizeilichen Teil – komplett neu aufgebaut werden, informierte Nehammer. Erste Gesetzesschritte seien bereits veranlasst worden. Sie betreffen die neue Ausbildung und Auswahlkriterien sowie die Sicherheitsüberprüfung für BVT-Bedienstete. Durch die Reformschritte sei das Vertrauen in den Verfassungsschutz bei der österreichischen Bevölkerung deutlich gewachsen, was internationale Partner bestätigen würden, meinte der Minister. Auch die Sicherheitssprecher der Parlamentsparteien würden laufend über den Reformprozess informiert werden.

Über den zur Sprache gebrachten Bericht der Untersuchungskommission sei er dankbar, da die Erkenntnisse in den Neuaufbau der Behörde einfließen und dabei helfen würden, dass Fehler nicht wiederholt werden, sagte Nehammer. Auch werde die Bedrohungslage in Bezug auf dschihadistischen Terrorismus nicht weniger sondern mehr. Die rechtsextreme Szene würde sich zunehmend bewaffnen, wobei die Kooperation zwischen den heimischen und internationalen bzw. europäischen Behörden eine große Rolle spiele. Der Verfassungsschutz sollte kein Spielball sein, sondern ein allgemeines Anliegen aller Fraktionen, wandte sich Nehammer abschließend ans Plenum.

ÖVP verweist auf FPÖ-Amtszeit

Es sei zwar unbestritten, dass sich das BVT in einer anhaltenden Krise befinde, sagte Karl Mahrer (ÖVP), jedoch sei diese seiner Meinung nach durch das „Aufräumen“ des einstigen FPÖ-Innenministers Herbert Kickl verursacht worden. Während dessen Amtszeit hätten mehrere schwerwiegende Sicherheitsvorfälle internationales Vertrauen gekostet. Zum Glück könne dieses durch den nunmehrigen Innenminister Schritt für Schritt zurückgewonnen werden, meinte Mahrer hinsichtlich der geplanten Reform. Auch sein Fraktionskollege Christian Stocker geht davon aus, dass sich der Verfassungsschutz nun in bessere Richtung entwickele. Das ÖVP-Mitglied im Europäischen Parlament Lukas Mandl berichtete über die derzeitigen Schwerpunkte der Sicherheitspolitik auf EU-Ebene. Neben dem islamistischen Terrorismus würden auch Cyberattacken und Angriffe auf die Demokratie für intensive Beschäftigung sorgen. Österreich sei dabei gut eingebunden. Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit werde auch die Neuaufstellung des österreichischen Verfassungsschutzes wahrgenommen, sagte Mandl.

FPÖ spielt Ball zurück

Als Ursachen für den Vertrauensverlust des BVTs bei den europäischen Nachrichtendiensten sehen die FPÖ-Mandatare Hannes Amesbauer und Christian Ries die teils unzureichenden Sicherheitsüberprüfungen der MitarbeiterInnen sowie fehlende Qualifikationen bei vermeintlich ÖVP-nahen Führungspositionen. So habe laut Amesbauer beim Wiener Terroranschlag ein behördliches Versagen stattgefunden, obwohl der Informationsfluss zu den europäischen Partnerdiensten gut funktionierte. Auch der „schonungslose“ Bericht der Untersuchungskommission würde aufzeigen, dass das Attentat hätte verhindert werden können. Dieses „Totalversagen“ des Verfassungsschutzes könne man nicht schönreden, meinte er zum Innenminister, bei dem die politische Verantwortung liege. Für Amesbauer gilt es, die parlamentarische Kontrolle im Zuge der BVT-Reform zu stärken. FPÖ-Europaabgeordneter Roman Haider führte die Problematik auf den ehemaligen ÖVP-Innenminister Ernst Strasser zurück. Er habe mit der BVT-Gründung einen „schwarzen Sumpf“ in der Behörde hinterlassen. Nur eine völlige Neuaufstellung ohne ÖVP-Netzwerke würde den Verfassungsschutz retten und die Sicherheit Österreichs gewährleisten, um den von den internationalen Partnern ernstgenommen zu werden, meinte er.

Grüne besorgt über Entwicklungen in rechtsextremer Szene

In ganz Europa sei aktuell zu beobachten, wie Rechtsextreme Demonstrationen von sogenannten „Corona-Kritikern“ unterwandern, zeigte sich Georg Bürstmayr (Grüne) besorgt und verwies auf aufgedeckte Waffenlager aus der Szene. Es sei die Aufgabe des Bundeamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, diesen Gefahren zu begegnen und sie abzuwenden, sagte er dem Innenminister die diesbezügliche Unterstützung seiner Fraktion zu. Das in den letzten Jahren verloren gegangene Vertrauen sei nicht leicht wieder aufzubauen, meinte Michel Reimon (Grüne) zum Debattenthema, wozu die Grüne EU-Abgeordnete Monika Vana erläuterte, dass die Geheimdienste innerhalb der nationalen Kompetenzen und nicht auf EU-Ebene liegen. Terrorbekämpfung würde in ihren Augen nur grenzübergreifend funktionieren. Bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus ortet Vana dringenden Handlungsbedarf und sprach sich diesbezüglich für den Ausbau parlamentarischer Kontrollmöglichkeiten aus.

NEOS: „Verkorkste“ Behördenstruktur führte zu „Systemversagen“

Dem Staatsschutz sei nach jahrelanger ÖVP-Parteipolitik und mangelnden Ressourcen in der Ära Kickl ein „Todesstoß“ versetzt worden, resümierte Stephanie Krisper (NEOS). Das Vertrauen in die Partnerdienste sei aber schon davor gestört gewesen, meinte sie, weil die ÖVP der FPÖ das Innenministeramt überlassen habe. Die Schuldzuweisungen von dieser Seite wertete sie daher als Hohn. Das „Systemversagen“ beim Terroranschlag sei aus ihrer Sicht nicht auf fehlende Strafgesetze und nachrichtendienstliche Informationen, sondern auf die „verkorkste“ Behördenstruktur zurückzuführen, weshalb sie sich für eine rasche Reform aussprach. Auch Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (ebenfalls NEOS) meinte, die ÖVP habe das Versagen und die Strukturmängel der Behörde als FPÖ-Koalitionspartner mitzuverantworten. Für NEOS-Europaparlamentarierin Claudia Gamon sind stabile und effektiv arbeitende nationale Behörden die Grundvoraussetzung für gute Zusammenarbeit in diesem Bereich. Beim BVT und dessen Reform gebe es viel Luft nach oben. Sie schlug eine zeitgemäße Erneuerung der Struktur der europäischen Geheimdienst-Kooperation sowie den Ausbau von Europol zu einem „EU-FBI“ vor. (Fortsetzung Nationalrat) fan

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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