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Europa zum Auftakt im Nationalrat

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Wien (PK) – Europapolitische Fragen prägen die Innenpolitik. Das zeigte sich heute einmal mehr bei der Aktuellen Stunde, mit der die zweite Sitzung des neu gewählten Nationalrats startete. „Europa in bewegten Zeiten. Was bedeutet das für Österreich?“ war auf Wunsch der ÖVP Titel der Debatte von Brexit bis EU-Budget. Außenminister Alexander Schallenberg informierte die Abgeordneten dabei über Österreichs Positionierung bei den Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich, dessen EU-Austritt nun für 31. Jänner 2020 geplant ist, bei den Überlegungen zum mehrjährigen Finanzrahmen 2021 – 2027 der EU und in der EU-Erweiterungspolitik.

Eröffnet wurde die Debatte von ÖVP-Mandatar Gernot Blümel mit der Erinnerung an den Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren, die einen entscheidenden Schritt zur Einigung Europas in einem demokratischen Umfeld dargestellt habe. „Der Sieg der Demokratie und der Marktwirtschaft hat sich auch in Europa durchgesetzt.“ Dennoch sei heute das meist diskutierte Thema der EU der drohende Austritt eines Mitgliedstaats, nämlich des UK. In seiner Ursachenanalyse stellte Blümel fest, weltweit sinke die Zahl der Demokratien wieder, Flüchtlingswellen hätten Binnengrenzen erneut entstehen lassen und maßgeblich zur Brexit-Entscheidung beigetragen. Die Politik müsse daher Ängste der Bevölkerung vor Wohlstandsverlust, Migration oder Klimawandel ernst nehmen, ohne dabei eine apokalyptische Stimmung herbeizurufen, schlussfolgerte der ÖVP-Politiker.

Außenminister Schallenberg für Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien

In der letzten Regierung als Kanzleramtsminister zuständig für EU-Agenden, bezog sich Blümel außerdem auf die EU-Beitrittsbestrebungen der Westbalkanstaaten, namentlich Nordmazedoniens und Albaniens und zeigte sich enttäuscht, dass im Rat der Europäischen Union dafür noch keine Einstimmigkeit herrscht. Damit liegt er auf einer Linie mit Außenminister Schallenberg, der betonte, „wir treten für umgehende Eröffnung der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien ein“. Eine gute Nachbarschaftspolitik mit Südosteuropa sei entscheidend für die Stabilität in ganz Europa.

Klimawandel, Migration und digitale Entwicklung nannte Außenminister Schallenberg als Herausforderungen, die schon seit Jahren die europäische Politik bestimmten. Dementsprechend groß seien die Erwartungen an die neue Europäische Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen. „Zunächst gilt es endlich, den Brexit zu lösen“, sagte Schallenberg, schon um sich anderen Politikfeldern widmen zu können. Beispielsweise gelte es, den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU auszuverhandeln. Der klimarelevante Anteil des EU-Budgets solle darin erheblich steigen, auch durch Beiträge aus dem Agrarbereich. „Als Nettozahler steht Österreich bereit, Verantwortung zu zeigen“, versicherte Schallenberg. Allerdings müsse die EU auch sparsam mit ihren Ressourcen wirtschaften.

Angesicht globaler Krisen wie der Militäroperation der Türkei in Nordsyrien, die Schallenberg deutlich als völkerrechtswidrig verurteilte, brauche die EU überdies ein geschlossenes Auftreten. In den Beziehungen mit der Türkei stehe Österreich klar für ein Ende der formalen Beitrittsverhandlungen, wofür jedoch Einstimmigkeit im Rat nötig sei. Jedenfalls dürfe sich die EU nicht von der Türkei erpressen lassen.

ÖVP will starke Partnerschaft in Europa

Für die ÖVP sprachen sich ähnlich wie Blümel auch die Abgeordneten Reinhold Lopatka und Carmen Jeitler-Cincelli dafür aus, das europäische Projekt weiter voranzutreiben. Lopatka zitierte Aussagen des französischen Präsidenten Macron und der designierten Kommissionspräsidentin von der Leyen, um verschiedene Blickwinkel auf die EU darzustellen und folgerte, „Grundtugenden“ zur Lösung von Herausforderungen seien Kompromissbereitschaft und Solidarität. Österreich wolle bei der Bewältigung aller Problemfelder ein verlässlicher und aktiver Partner sein, so Lopatka Nagelprobe hier werde das nächste EU-Budget, das auf einer „fairen Lastenteilung“ beruhen müsse.

Jeitler-Cincelli erinnerte mit Blick auf den geplanten Austritt des Vereinigten Königreichs und auf die Einflussnahme von Drittstaaten in Südosteuropa daran, Europa müsse im Sinne seiner Stabilität eine „sinnvolle Erweiterung begrüßen“. Immerhin kämen mit Ländern wie Nordmazedonien Staaten des europäischen Kulturkreises in die Union.

SPÖ sieht EU in sozialer und ökologischer Krise

Die SozialdemokratInnen legen besonderes Gewicht auf die soziale Lage in der EU. SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried erklärte, für den Zusammenhalt der EU sei das Vorgehen gegen grenzüberschreitendes Lohndumping und gegen Kinderarmut entscheidend. Der früheren türkis-blauen Regierung warf Leichtfried vor, für ein „Europa der Konzerne und nicht der Menschen“ gearbeitet zu haben. Ebenso ortet er eine ökonomische Krise in Europa, zumal die Schieneninfrastruktur für eine Verkehrsverlagerung immer noch unzureichend sei.

Letztlich sieht Leichtfried auch eine politische Krise in Europa. „Lassen wir uns nicht in einer Zeit des freien Spiels der Kräfte blockieren“, wandte er sich gegen die Praxis des Vertagens von parlamentarischen Initiativen. Seine Parteikollegin Eva Maria Holzleitner nannte als Beispiel den kürzlich vom Budgetausschuss vertagten SPÖ-Antrag für eine Klimaschutzmilliarde. Dieses Vorgehen sei unverantwortlich, meinte Holzleitner mit Verweis auf den vom Nationalrat ausgerufenen Klimanotstand, die Fridays-for-Future-Bewegung junger Menschen und die Jugendklimakonferenz. Bei letzterer Veranstaltung hatte sie VertreterInnen von ÖVP und FPÖ vermisst: „Wir haben hier eine wahnsinnig große Verantwortung.“ Kein gutes Haar ließ die Sozialdemokratin auch an der von der letzten Regierung beschlossenen Indexierung der Familienbeihilfe für im EU-Ausland lebende Kinder von ArbeitnehmerInnen in Österreich. Hier drohe der Republik ein Vertragsverletzungsverfahren.

FPÖ für stärkeren Grenzschutz

Die Europäische Union sei in weiten Teilen „handlungsunfähig“, warf FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl der EU-Spitze vor, beim Brexit versagt zu haben und mit Entscheidungen wie der Flüchtlingsverteilung die Mitgliedsländer vor den Kopf zu stoßen. Immer noch gebe es „viel zu viele Anreize“ für MigrantInnen, die EU-Grenze illegal zu überschreiten. Die Flüchtlingswelle über Bosnien – laut Kickl ein „Brückenkopf des politischen Islam“ – stelle eine Bedrohung für ganz Europa dar.

Dennoch verhandle ÖVP-Chef Sebastian Kurz mit den Grünen über eine mögliche Koalition, von der keine restriktive Zuwanderungspolitik mehr zu erwarten sei, zeigte sich der ehemalige Innenminister enttäuscht. Für eine weitere Verbesserung des Grenzschutzes tritt vor diesem Hintergrund der Freiheitliche Hannes Amesbauer ein, eben auch an den nationalen Grenzen, solange die EU-Außengrenzen nicht hinlänglich geschützt werden. Weiters seien Islamisten schnellstmöglich außer Landes zu bringen, plädierte Amesbauer zudem für ein Verbotsgesetz gegen den politischen Islam im Rahmen einer „Mitte-Rechts Politik“.

Grüne warnen vor rechtsnationalem Aufschwung

Die EU biete keine echte Identifikationsfläche für die BürgerInnen Europas, formulierte der frühere EU-Abgeordnete Michel Reimon heute für die Grünen seine Sicht über das Grundproblem der Union. Wie bedeutend die Identifikation mit der europäischen Gemeinschaft sei, zeige sich beispielsweise bei der Nordirland-Frage. Aus diesem Grund will Reimon eine „bessere europäische Demokratie“ bauen, entgegen der rechtsnationalen Kräfte, die „zurück ins Mittelalter wollen“. Im Zusammenhang mit der Klimakrise unterstrich er wie seine Parteikollegin Ewa Ernst-Dziedzic, gerade als EU-Mitglied könne Österreich einen nachhaltigen Beitrag leisten.

In ihrer Rede warnte Ernst-Dziedzic auch vor der Zersplitterung Europas aufgrund von blindem Nationalismus und verwies auf rechtsextreme Bewegungen im EU-Land Polen. Die internationale Einigung bröckle, die daraus entstehende Unsicherheit in der Bevölkerung stärke rechtsextreme Parteien. Die Projektion von Feindbildern dürfe jedoch nicht hingenommen werden, appellierte die Grünen-Mandatarin. Vielmehr müsse ein stärkerer Fokus auf eine gemeinsame Sozialpolitik in der EU gerichtet werden, denn nur ein Ausbau der sozialen Leistungen könne den Zerfall der Union verhindern.

Zur Migrationsthematik sagte Ernst-Dziedzic, diese dürfe nicht nur auf den Außengrenzschutz beschränkt werden, sondern müsse genauso eine funktionierende Integration beinhalten, was letztlich auch der Wirtschaft nütze.

NEOS: EU braucht mehr Handlungsfähigkeit

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger unterstrich, die aktuellen Probleme der EU -„die großen Krisen“ – erforderten eine starke Union. Angesichts einer drohenden Wirtschaftskrise brauche Europa als wirtschaftliches Fundament eine ökosoziale Marktwirtschaft und stärkere Handlungsfähigkeit benötige die EU im Bereich Sicherheit. Bei letzterem Punkt bezog sich Meinl-Reisinger auf militärische Konflikte weltweit und hinterfragte das Prinzip der Einstimmigkeit unter den EU-Mitgliedsländern bei diesbezüglichen Ratsbeschlüssen. Die Forderung nach einer Stärkung der Mitgliedstaaten sei in diesem Zusammenhang fehl am Platz.

Die Rolle Österreichs in Europa umriss Nikolaus Scherak bei seinen Ausführungen über Maßnahmen, die zum Erhalt der EU zu ergreifen seien. „Mehr Europa, mehr Zusammenarbeit, bessere Zusammenarbeit“, sind für Scherak hier die Leitmotive. Folglich brauche die EU künftig mehr Mittel, um bei großen Herausforderungen wie Migration und Klimawandel handlungs- und entscheidungsfähig zu sein und über krisenfeste Wettbewerbsfähigkeit zu verfügen. Konkret zum kommenden mehrjährigen Finanzrahmen der EU regte Scherak an, darin mittels Sanktionsmöglichkeiten „das Thema Rechtsstaatlichkeit stärker abzubilden“. (Fortsetzung Nationalrat) rei

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