Baustart für Jahrhundertprojekt: Gewässerschutz auf voller Länge für den Wienfluss
Am Donnerstag übergaben Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky, Gemeinderätin Angelika Pipal-Leixner und die Bezirksvorsteher*innen von Margareten, Mariahilf, Meidling, Hietzing, Penzing und Rudolfsheim-Fünfhaus symbolisch eine Grubenlampe an das Bau-Team von Wien Kanal. Es war das Startzeichen für die Bauarbeiten an einem Jahrhundertprojekt: Der Wiental-Kanal wird unter dem Wienfluss um rund neun Kilometer verlängert. Es handelt sich dabei um das größte Kanalbauprojekt in der Geschichte von Wien Kanal.
Der Abwassertunnel verläuft entlang von sechs Bezirken vom Ernst-Arnold-Park im Osten bis zum Skatepark Auhof im Westen Wiens. Mit der rund 270 Millionen Euro hohen Investition wird die Wasserqualität im Wienfluss verbessert und das Kanalnetz bei Starkregen entlastet. Zusätzlich wird die Möglichkeit geschaffen, die bestehenden Kanäle entlang des Wienflusses effizient und sicher zu sanieren.
„Der Vollausbau des Wiental-Kanals ist eine wichtige Zukunftsinvestition zum Schutz der Umwelt. Starkregenereignisse, wie wir sie durch die Klimakrise häufiger erleben, sind eine hohe Belastung für unsere Gewässer. Mit dem Wiental-Kanal schützen wir in Zukunft den Wienfluss vor Verschmutzung bei starkem Regen. Das ist nicht nur ein wichtiger Beitrag zum Gewässerschutz, sondern auch für die Lebensqualität und die Sicherheit der Wienerinnen und Wiener, die entlang des Wienflusses leben“, sagt Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky.
Die Arbeiten starten am 4. März 2024 am Gaudenzdorfer Gürtel. Dort befindet sich für die nächsten vier Jahre das Zentrum des Baugeschehens. Parallel dazu wird in den kommenden Wochen mit Vorbereitungsarbeiten zum Tunnelbau im Bereich der Baumgartenbrücke gestartet.
Nach Fertigstellung des Tunnels wird der neue Kanal an 43 Stellen an das bestehende Kanalnetz angeschlossen. Mit Jahresende 2027 werden die Bauarbeiten abgeschlossen, 2028 der Kanal in Betrieb genommen.
Mit dem Startschuss für den Vollausbau des Wiental-Kanals wird eine weitere Maßnahme aus dem Regierungsprogramm der Fortschrittskoalition und des Wiener Klimafahrplans umgesetzt.
Startschacht am Gaudenzdorfer Gürtel
Um die Auswirkungen durch das Großprojekt für die Wienerinnen und Wiener so gering wie möglich zu halten, finden die Bauarbeiten hauptsächlich im Untergrund statt. Der fast neun Kilometer lange Kanal wird als Tunnelröhre mit einem Außendurchmesser von fast vier Meter gebohrt und einem Innendurchmesser von drei Meter ausgebaut. Er liegt tiefer als der Wienfluss und verläuft größtenteils entlang der linken Wienflussmauer.
Dreh- und Angelpunkt für alle Aktivitäten des Tunnelbaues ist die 12.000 Quadratmeter große Fläche zwischen den beiden Gürtelfahrbahnen an der Grenze zwischen 5., 6., 12. und 15. Bezirk.
„Durch die Größe und verkehrsgünstige Lage ist sie der ideale Logistik-Hub für die Anlieferung der Maschinen- und Tunnelteile sowie der Ablieferung des Bohrmaterials. Insgesamt 42.800 Tunnelbausteine und 140.000 Kubikmeter Erdmaterial werden hier umgeschlagen, wechseln vom LKW zur Tunnelbohrmaschine und umgekehrt. Die dazu erforderlichen Lagerflächen sind hier ebenso angesiedelt wie die Baubüros, Unterkünfte der Bohrteams, Werkstätten und Energieversorgungsanlagen“, erklärt Wien Kanal Direktor Andreas Ilmer die strategische Bedeutung dieser Fläche.
Zunächst wird der rund 150 Quadratmeter große und 15 Meter tiefe Startschacht am Gaudenzdorfer Gürtel mit zwei Startröhren errichtet. Dort wird im Frühjahr 2025 eine 135 Meter lange Tunnelbohrmaschine in Einzelteilen eingebracht und zusammengebaut. Der riesige Bohrer nimmt dann die Arbeit Richtung Westen auf, bis er sein Ziel im Sommer 2026 im Skatepark Auhof im 13. Bezirk erreicht. Dort wird die Maschine zerlegt und wieder zum Startschacht zurücktransportiert. Wieder zusammengebaut geht es dann in die entgegengesetzte Richtung bis zum Anschluss an den bestehenden Wiental-Kanal im Ernst-Arnold-Park im 5. Bezirk.
„Die Kanalisation sieht man selten. Bescheiden kümmert sie sich unterirdisch um den Abtransport von Regenwasser und Abwasser. Die Wienerinnen und Wiener verlassen sich mit Recht darauf, dass sie stets funktioniert. Gerade in einer wachsenden Stadt und in Zeiten der Klimawandels, der nicht nur zu Trockenheit, sondern auch zu immer mehr Starkregenereignissen führt, ist der Ausbau des Wiental-Kanals ein wichtiges Projekt von generationenübergreifender Bedeutung für Wien. Es bietet zahlreiche Vorteile, darunter die Verbesserung der Wasserqualität und den Schutz des Wienflusses vor Verschmutzung bei starkem Regen. Ein bedeutender Meilenstein für unsere Stadt, der nicht nur zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt, sondern auch die Lebensqualität entlang des Flusses nachhaltig verbessern wird," sagt NEOS Wien Umweltsprecherin Angelika Pipal-Leixner.
Stimmen aus den Bezirken
„Der Vollausbau des Wientalkanals ist ein wichtiges Zukunftsprojekt für Wien. Die umfassende Information über den Ausbau des Wientalkanals wird wesentlich dazu beitragen, dass die Anrainer*innen und die lokalen Unternehmer*innen das Projekt mittragen. Es ist unser gemeinsames Anliegen, die Verlängerung so rasch und effizient wie möglich umzusetzen“, betont Bezirksvorsteherin Silvia Jankovic.
„Eine konventionelle Baustelle in offener Bauweise würde ein Vielfaches an Belastungen für die Bevölkerung auslösen. Mit der gewählten Tunnelbauweise hat die Stadt Wien einen innovativen Weg gewählt, der den Wiener*innen viel Zeit und Lärm ersparen wird. Trotzdem wird es Baustellen auch an der Oberfläche geben und es braucht eine besonders gute Koordination und Kooperation. Es war mir daher wichtig, dass die Bezirke frühzeitig eingebunden werden“, sagt Bezirksvorsteher Markus Rumelhart.
Großes Augenmerk wird auf die klimagerechte Instandsetzung der benötigten Oberflächen gelegt. Dort wo aufgegraben wird, soll der Bestand verbessert werden. Die Gestaltung wird mit Einbindung der Bürgerinnen und Bürger geplant.
„In Wien können wir sehr stolz sein auf unsere tolle Infrastruktur! Das kommt nicht von ungefähr, sondern liegt an langfristigen, gut durchdachten Bauprojekten wie hier beim Wiental Kanal. Als Techniker bin ich besonders froh, dass künftig auch ein Infocenter umfassend zum Projekt informieren wird“, betont Bezirksvorsteher Wilfried Zankl.
„Ein angenehmer Aufenthalt direkt am Wasser für Erholungssuchende und für Benützer*innen des Wiental-Radwegs wird auch in Zukunft noch sicherer möglich sein. Durch den Wiental-Kanal wird Hochwasser- und Umweltschutz auf höchstem Niveau gewährleistet und die Stadt ist somit auch für Starkregenereignisse entlang der Wien gut gerüstet", betont Bezirksvorsteher Friedrich Nikolaus Ebert.
Bezirksvorsteherin Michaela Schüchner ergänzt: „Der Wienfluss ist ein beliebtes Erholungs- und Freizeitgebiet für die Bewohner*innen der angrenzenden Bezirke. Ich freue mich, dass mit dem Wiental Kanal ein Großprojekt in Angriff genommen wird, um den Wienfluss langfristig zu schützen. Damit werden die Voraussetzungen für weitere Schritte der lebenswerteren Gestaltung des Wientals geschaffen.“
„Der Wiental-Kanal wird einen sehr wichtigen Beitrag zum Gewässer- und Umweltschutz leisten. Es wurde großer Wert daraufgelegt, möglichst wenig aufgraben zu müssen. Dort, wo es sich nicht verhindern lässt, werden wir gemeinsam mit der Stadt darauf schauen, dass die Oberflächen klimagerechter und noch lebenswerter gestaltet werden“, so Bezirksvorsteher Dietmar Baurecht.
Neun Kilometer Gewässerschutz im Wiener Untergrund
Im Einzugsgebiet des Wienflusses entsorgen Kanäle das Abwasser aus 12 Bezirken, das macht rund ein Fünftel des Abwassers der Stadt aus. Die Wienfluss-Sammelkanäle stoßen derzeit bei starkem Regen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Durch den Regen verdünntes Kanalwasser, so genanntes Mischwasser, wird daher über Notauslässe entlang der bestehenden Kanäle in den Wienfluss geleitet. Die Ausleitung entlastet das Kanalnetz und verhindert dadurch Überflutungen in den Bezirken. Gleichzeitig belastet es jedoch die Wasserqualität des Wienflusses.
Zwischen 1997 und 2006 wurden von der Mündung des Wienflusses in den Donaukanal flussaufwärts bereits 3,5 Kilometer Kanal in drei Bauabschnitten errichtet. Mit dem nächsten und längsten Bauabschnitt wird der Wiental-Kanal um neun Kilometer verlängert. Die bestehenden Auslässe in den Wienfluss werden dann zum Schutz des Wienflusses an den neuen Abwassertunnel angeschlossen. Nur bei extremen Regenereignissen stehen sie noch als Notentlastung zur Verfügung.
Rund 61 Millionen Liter Mischwasser können dann im neuen Abschnitt zwischengespeichert werden. Gemeinsam mit den rund 110 Millionen Liter Speichervolumen der bestehenden Abschnitte stehen ab 2028 insgesamt rund 171 Millionen Liter Speicherkapazität für den Gewässerschutz am Wienfluss zur Verfügung. Mit dieser Maßnahme wird die Wasserqualität noch einmal massiv verbessert und übertrifft damit die einschlägigen Vorgaben wie die der EU-Wasserrahmenrichtlinie und des nationalen Gewässerbewirtschaftungsplanes.
Wichtige Voraussetzung für Sanierungsprogramm von Wien Kanal
Nicht nur der Wienfluss profitiert vom Wiental Kanal. Auch das bestehende Kanalnetz gewinnt durch die Maßnahme. Die Kanäle, die links und rechts neben dem Wienfluss die Abwässer transportieren, sind bereits in die Jahre gekommen. Die notwendige Sanierung der Kanäle ist allerdings nur bei Trockenlegung möglich. Derzeit müsste das Abwasser während der Sanierung entweder direkt in den Wienfluss ausgeleitet oder sehr kostenintensiv und mit vielen Hindernissen an der Oberfläche umgepumpt werden.
Diese Belastung für Mensch und Umwelt erspart der neue Wiental-Kanal. Das Abwasser kann dann problemlos zur Kläranlage geleitet und die alten Sammelkanäle betriebssicher saniert werden. Damit wird das Sanierungsprogramm von Wien Kanal weiter vorangetrieben und ein wichtiger Beitrag zum hohen Standard der Wiener Abwasserentsorgung geleistet.
Eine moderne, hochqualitative und sichere Abwasserentsorgung ist ein wesentlicher Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge. Czernohorszky: „In Wien setzen wir auf hohe Versorgungssicherheit und nachhaltige Entwicklung im Interesse der Wienerinnen und Wiener. Daher setzen wir die nötigen Maßnahmen, um die hohe Qualität dieser Dienstleistungen zu bewahren und auszubauen“.
„Über Unten“: Infos zum Jahrhundertprojekt
Im Herbst 2024 wird ein Infocenter mit einem faszinierenden Blick in die Stadt unter der Stadt eröffnet. Direkt beim Startschacht der Baustelle am Gaudenzdorfer Gürtel bietet es Informationen zum Bauablauf und gibt Raum für Klimabildung. Die Ausstellung „Über Unten“ dient als Anlaufstelle für Anrainer*innen und ist ein Exkursionsziel für Lehrlinge, Schüler*innen und alle weiteren Interessierten. Neben umfangreicher Information zum Bauprojekt wird in den Abschnitten „Yesterday“, „Today“ und „Tomorrow“, die Geschichte des Wiener Abwassers von den Römern über die Cholera-Kanäle bis in die heutige Zeit eines digital gesteuerten Kanalnetzes erzählt und ein Fokus auf die Bedeutung der Kanalisation und sicheren Abwasserentsorgung für die Klimawandelanpassung gelegt.
Große technische Herausforderungen mit Transportwasserleitungen und U-Bahn
Der Vollausbau des Wiental-Kanals ist mit großen technischen Herausforderungen verbunden. Beispielhaft dafür ist die Querung der U-Bahnlinien U2 und U4 im Bereich der Pilgramgasse, sowie die Querung der 1. und 2. Hauptwasserleitung – das sind zwei große Transportleitungen von Wiener Wasser – vom 13. in den 14. Bezirk. Unter der Pilgramgasse müssen sich die Tunnelprofis von Wien Kanal und Wiener Linien den knappen Platz sorgfältig teilen. Für die U-Bahn-Linie 2 entsteht eine neue Station bzw. deren Anbindung an jene der Linie U4. Für den Wiental-Kanal wurde deshalb ein Fenster freigelassen, das der Abwasserbohrer durchfahren wird. Die beiden Hauptwasserleitungen, die beim Preindlsteg und bei der Baumgartenbrücke den Wienfluss queren, müssen verlegt werden.
Das Projekt in Zahlen
- Investition rund 270 Millionen Euro (netto)
- 8,6 Kilometer Tunnelvortrieb mit Erdruck-Schild DN 3000
- 2,5 Kilometer Rohrpressung DN 800 für Anschlüsse DN 500
- 290 Meter Vortrieb nach Neuer Österreichischer Tunnelbaumethode für Zugangsstollen
- 43 Anschlussstellen an den neuen Abwassertunnel in 6 Bezirken
- Vortrieb West von Frühjahr 2025 bis Sommer 2026
- Vortrieb Ost von Herbst 2026 bis Winter 2026
- Fertigstellung Jahresende 2027, Inbetriebnahme 2028
Über Wien Kanal
Mit einer Leitungslänge von mehr als 2.500 Kilometer ist Wien Kanal Österreichs größter Kanalnetzbetreiber. Täglich wird etwa eine halbe Milliarde Liter Abwasser von 2 Millionen Menschen und 170.000 Gebäuden sicher und umweltgerecht zur Kläranlage in Simmering transportiert.
Rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten das Kanalnetz funktionsfähig und sauber. So werden zum Beispiel tägliche zwischen 15 und 20 Tonnen abgelagertes Material aus den Kanälen geräumt, um den Abfluss zur Kläranlage zu garantieren. 99,8 Prozent aller Haushalte in Wien sind an das städtische Kanalnetz angeschlossen. Trotzdem wächst das Wiener Kanalnetz jährlich um rund zehn Kilometer. Mehr als 700 Kanalbaustellen werden jedes Jahr zur Erhaltung und Reparatur durchgeführt. Durchschnittlich fünf Kilometer Kanal werden unterirdisch, also nahezu aufgrabungsfrei saniert. Unterirdisch sind auch die Roboter von Wien Kanal unterwegs. Alleine im vergangenen Jahr haben sie mehr als 200 Kilometer im Abwasserlabyrinth zurückgelegt und die Rohre auf Beschädigungen untersucht.
Service: Erklär-Video
Unter diesem Link finden Sie ein Erklär-Video zum Wiental-Kanal-Projekt: https://www.wien.gv.at/video/3371/Wiental-Kanal-Vollausbau
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