Erdgas in der EU-Taxonomie: Umweltorganisationen reichen Klage beim EuGH ein
Die Umweltschutzorganisation WWF (World Wide Fund for Nature) reicht heute gemeinsam mit drei weiteren Organisationen beim Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Aufnahme von Erdgas in die “Klima-Taxonomie” der EU ein. Diese sollte ursprünglich als Katalog für klimafreundliche Investitionen ein Maßstab für die Finanzwirtschaft in Europa werden. “In ihrer jetzigen Form ist die Taxonomie legalisiertes Greenwashing. Damit würden weiterhin Milliarden in klimaschädliche Industrien fließen. Wir reichen daher heute Klage gegen den Rechtsakt ein”, sagt Jakob Mayr, Experte für nachhaltige Finanzen beim WWF Österreich. Da das Thema Atomkraft bereits in einem weiteren Verfahren behandelt wird, richtet sich die Klage des WWF-Büros in Brüssel gemeinsam mit ClientEarth, Transport & Environment und BUND gegen die Aufnahme von fossilem Gas in die EU-Taxonomie.
Mit der Aufnahme von Erdgas verletzt die Europäische Union nicht nur ihre Verpflichtungen nach dem Pariser Klimaabkommen, sie verstößt auch gegen das europäische Klimagesetz und sogar gegen die Taxonomie-Verordnung selbst. Denn diese schreibt vor, dass die Klassifizierung von Technologien wissenschaftlich fundiert sein muss – die Einordnung von Gas als “nachhaltig” verstößt aber gegen die ausdrückliche Empfehlung des damit befassten wissenschaftlichen Beirats. “Auch viele Finanzinstitute sind bereits einen großen Schritt weiter und haben fossiles Gas aus ihrer Kreditvergabepolitik ausgeschlossen – so etwa die Europäische Investitionsbank seit 2019. Auf dem globalen Markt für grüne Anleihen ist es gängige Praxis, fossiles Gas auszuschließen. Die EU-Taxonomie konterkariert diese Entwicklung und setzt damit ein völlig falsches Signal”, kritisiert Jakob Mayr vom WWF.
Erdgas für 20 Prozent der heimischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich
Gemeinsam mit Erdöl und Kohle zählt fossiles Gas weltweit zu den größten Klimakillern und ist allein in Österreich für 20 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Besonders problematisch ist das bei der Förderung freigesetzte Methan – seine klimaschädliche Wirkung ist mehr als 80 Mal größer als jene von CO2. Dazu kommen die hohen volkswirtschaftlichen Kosten, weil Erdgas großteils teuer importiert werden muss. “Das Greenwashing von Erdgas bringt uns in eine fatale Sackgasse, die unsere Energie-Unabhängigkeit gefährdet und sämtliche Klimaschutz-Bemühungen untergräbt. Europa muss vor allem in Energiespar-Programme und naturverträgliche erneuerbare Energieträger investieren, anstatt neue fossile Abhängigkeiten zu schaffen”, fordert Jakob Mayr vom WWF.
Hintergrund zum Verfahren
Anders als die Mitgliedstaaten haben Umweltorganisationen keinen direkten Zugang zum Europäischen Gerichtshof (EuGH). Um einen Fall wie diesen einzureichen, müssen sie zunächst einen Verwaltungsschritt, einen sogenannten "Antrag auf interne Überprüfung", einbringen. Dieser erste Schritt ist im September 2022 erfolgt. Nach einer negativen Antwort der Kommission ist der Weg zum EuGH nun frei.
Aktuelle Pressefotos einer gemeinsamen Aktion heute in Brüssel sind ab ca. 11 Uhr unter diesem Link verfügbar.
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