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Nationalrat: Karner will illegale Migration mit Anti-Marketing bekämpfen

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Mit einem Appell an Innenminister Gerhard Karner machten die Freiheitlichen heute im Nationalrat Asyl und Russland-Sanktionen zum Thema. "Österreich braucht Wohlstand und Sicherheit statt EU-Sanktionen und Asylanten-Ansturm", so die FPÖ in ihrer Dringlichen Anfrage in der Sondersitzung, die darin die Asylpolitik des Ministers vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs hinterfragte. Karner räumte ein Problem im Bereich der illegalen Migration ein und will dies mit einem Maßnahmenbündel national, bilateral und auf europäischer Ebene bekämpfen.

Während zwei Entschließungsanträge der FPÖ zur Asylpolitik mehrheitlich abgelehnt wurden, fand ein gemeinsamer Antrag von ÖVP, Grünen und NEOS eine klare Mehrheit. Gefordert wird ein geschlossenes EU-Auftreten als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und die volle Unterstützung der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität.

FPÖ: Asylanträge fast um 200% gestiegen

Von Jänner bis August 2022 wurden 56.149 Asylanträge in Österreich gestellt, um 195% mehr als im Jahr 2021, so Herbert Kickl (FPÖ), der den Anlass für die Sondersitzung begründete. 90% davon seien Männer. Im Jahr 2020, als Karl Nehammer (ÖVP) als Innenminister einen "De-facto-Einreisestopp für illegale Migranten" ausgerufen habe, seien 14.775 Asylanträge gestellt worden, erinnerte er und rief in Erinnerung, dass die ehemalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine Asylobergrenze von 37.500 definiert hatte.

Die Kritik der FPÖ galt insbesondere den Grünen, die Kickl zufolge die "Zuwanderungsexplosion" negieren. Eine Zuwanderung von über 56.000 Personen bedeute ein Ausmaß in der Größenordnung einer Stadt wie St. Pölten, untermauerte er seine Forderung nach einer strengeren Asylpolitik. Polizei und Bundesheer im Grenzeinsatz seien zunehmend überlastet, argumentierte der Abgeordnete. Zum Schutz des österreichischen Staates, seines Budgets und der österreichischen Bürger:innen sei ein Asylstopp unbedingt erforderlich, sagte Kickl.

Von Innenminister Karner forderte Kickl Initiativen zur Verhinderung der Zuwanderung. Er hinterfragte unter anderem die Herkunft der Asylwerber:innen, die Zahl der Außerlandesbringungen sowie der illegalen Migrant:innen. Kickl äußerte Befürchtungen über Auswirkungen auf das Bundesbudget. Die hohe Zahl an neu eröffneten Betreuungseinrichtungen stellen für ihn einen großen Budgetposten dar. Nicht zuletzt trat der FPÖ-Klubobmann für die Schließung der Balkanroute ein.

Kickl: Sanktionspolitik führt zu Teuerungslawine

Als weiteres Kernthema sah Kickl die Sanktionspolitik der Europäischen Union gegenüber Russland, deren Auswirkungen die heimische Bevölkerung stärker treffe als Russland. Erneut sprach er sich dafür aus, die Bevölkerung zur Fortführung der Sanktionsmaßnahmen zu befragen. Die Teuerungslawine überrolle die österreichische Bevölkerung, betonte er und nahm Amerika für den Krieg in der Ukraine ebenso in die Schuld wie Russland. Kickl will daher weiterhin auf Österreichs Neutralität setzen und sich nicht in einen Wirtschaftskrieg ziehen lassen. Der FPÖ-Klubobmann hinterfragte auch die Ursachen der eingeschränkten Raffinerie-Produktion der OMV.

Karner sieht Probleme bei illegaler Migration

Österreich sei nach wie vor eines der wohlhabendsten und sichersten Länder der Welt, betonte Gerhard Karner. Enorme Teuerungen und zweistellige Inflation konfrontieren dennoch derzeit die Bevölkerung. Rechtzeitig vor dem Winter seien die Gasspeicher gefüllt und die Versorgung in diesem Bereich sei geleistet, unterstrich er. Karner nahm die Politik in die Pflicht, um die Probleme bei der illegalen Migration zu bekämpfen. Mit über 56.000 Asylanträgen liege Österreich im EU-Vergleich auf Platz zwei bei der Pro-Kopf-Belastung. Derzeit gebe es eine illegale Migrationswelle, vorrangig durch Menschen aus Ländern ohne Chance auf Asyl, so der Innenminister. Die meisten dieser Anträge würden von indischen und tunesischen Staatsangehörigen gestellt. Verantwortlich macht Karner dafür Schlepper, die vermehrt Werbung für Europa und Österreich machen würden. Mit einem Maßnahmenbündel auf drei Ebenen, nämlich national, bilateral und auf europäischer Ebene, will Karner der Schlepperei einen Riegel vorsetzen.

Mit Anti-Marketing Schlepperei bekämpfen

Österreich habe die Grenzkontrollen bereits massiv ausgeweitet, so der Innenminister weiter. Daher gebe es mehr Aufgriffe und eine entsprechende Abschreckungswirkung. Durch konsequente Erfassung von Daten und Fingerabdrücken seien Fahndungserfolge erzielt worden. Über 400 Schlepper wurden in Österreich in den letzten Monaten gefasst, hielt Karner fest. Beschleunigt wurde laut dem Minister insbesondere das Verfahren in erster Instanz, wobei 31.500 Verfahren bereits negativ entschieden worden seien. Karner setzt demnach auf Anti-Marketing als wesentlichen Punkt gegen die Schlepperei. Im Zuge dessen werde in Ländern wie Indien Aufklärungsarbeit gegen die Versprechungen der Schlepper:innen geleistet.

Auf bilateraler Ebene stehe die Zusammenarbeit mit Ungarn im Vordergrund. Österreich leiste Unterstützung an der EU-Außengrenze. Dabei werde die ungarische Polizei mit 70 Polizist:innen an der serbischen Grenze unterstützt. Zudem seien gemischte Streifen unterwegs, Drohnen kämen zum Einsatz, die "Aktion scharf" gegen Asyl-Missbrauch sei durchgeführt worden und eine Taskforce gegen Schlepperei eingesetzt. Enge Abstimmung gebe es auch mit der Slowakei und Tschechien.

Auf europäischer Ebene will Karner den Asyl- und Migrationspakt weiter vorantreiben. Die hohe Zahl an Asylanträgen hänge auch mit den spezifischen Einreise-Regelungen Serbiens zusammen, stellte der Minister dar. Aus Indien und Tunesien ist seit 2017 eine visumfreie Einreise nach Serbien möglich, das soll sich laut Karner nun ändern. Serbien habe eine Visa-Reform angekündigt. Die Regelungen sollen an jene der Europäischen Union angepasst werden. Ein Vorbild will sich Karner an Dänemark nehmen. Dort sei die Unterbringung in sicheren Drittstaaten in Planung.

FPÖ: Masseneinwanderung als Bedrohung für Österreich

Für Hannes Amesbauer (FPÖ) ist klar: "Der Massenansturm illegaler Asylwerber" mit über 40.000 Anträgen bereits 2021 und mittlerweile "weit über 70.000" Anträgen erfordere die Ausrufung eines "Asylnotstandes", der nachhaltige Grenzschutzmaßnahmen ermögliche. Immerhin erwarte man bis Jahresende 100.000 illegale Grenzübertritte, warnte Amesbauer, wodurch der soziale Frieden in Österreich und der Staatshaushalt gefährdet würden. Herbe Kritik übte er an der Eröffnung von einem "Massenquartier" für Asylsuchende in Kindberg, Steiermark durch die Bundesregierung, obwohl sich alle Parteien auf Gemeindeebene vehement dagegen gewehrt hätten. Genauso sei der Ausschluss von Zurückweisungen an den Grenzen, sogenannten Pushbacks, nicht nachzuvollziehen, wenn dies zum Schutz der heimischen Bevölkerung geschehe, meinte der Freiheitliche, immerhin habe "das Recht der Politik zu folgen".

Susanne Fürst (FPÖ) sprach sich gegen Sanktionen aus, die nur Österreich schaden würden. Sie brachte einen Entschließungsantrag ihrer Fraktion ein, der auf einen sofortigen Asylstopp in Österreich und Maßnahmen gegen Asyl-Missbrauch abzielt. Die FPÖ fordert unter anderem verschärfte gesetzliche Bestimmungen gegen Schlepperei, rechtswidrige Einreise und rechtswidrigen Aufenthalt sowie die Einführung eines Delikts des "Asylbetrugs". In einer Staatszielbestimmung solle festgehalten werden, dass Österreich kein Einwanderungsland sei. Der Antrag fand keine Mehrheit.

Christian Hafenecker (FPÖ) forderte in einem Entschließungsantrag, der ebenfalls in der Minderheit blieb, von der Bundesregierung, sie möge "das vage Versprechen des serbischen Präsidenten, die Visapolitik seines Landes an jene des Schengenraums anzugleichen", vehement einfordern.

Peter Wurm (FPÖ) betonte, die FPÖ sei unterdessen die einzige Partei in Österreich, die sich für eine klare Friedenspolitik und für Deeskalation im Ukrainekonflikt einsetze. Dafür werde sie angegriffen und als Partei der "Putinversteher" diffamiert, obwohl sie nur eine Politik einfordere, die der österreichischen Neutralität angemessen sei.

SPÖ: Regierung bei Markteingriff und Asylpolitik säumig

Reinhold Einwallner (SPÖ) warf der FPÖ vor, mit der laufenden Sondersitzung eigentlich nur für ihren Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl kommenden Sonntag werben zu wollen. Ungeachtet dessen räumte er ein, Teuerung und Flüchtlingsproblematik seien wichtige Themen, wenn auch deren Verbindung unredlich sei. Der Krieg in der Ukraine verschärfe die Inflationssteigerung, da der Markt allein nicht alles regeln könne. "Es braucht eine Politik, die in den Markt eingreift", folgerte er, etwa durch einen Gaspreisdeckel. Bei der Asylpolitik ortet Einwallner ein Versagen der Regierung, konkret der ÖVP. Erstaufnahmezentren seien überbelegt, das Ressort ergehe sich nur in Ankündigungen. "Wir müssen uns mit den konstruktiven Kräften in Europa verbünden", empfahl der SPÖ-Mandatar, um einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen mit menschenrechtskonformen Verfahrenszentren zu verwirklichen. Außerdem solle eine engere Kooperation mit den Herkunftsländer der Migrant:innen erreicht werden, um das Schlepperwesen zu unterbinden.

Die EU brauche eine koordinierte Migrationspolitik, betonte auch Robert Laimer (SPÖ). Er sah eine Reihe von Versäumnissen der Bundesregierung in der Migrations- und Asylpolitik, für die er vor allem die ÖVP-Innenminister der letzten Jahre und nicht zuletzt Bundeskanzler Karl Nehammer verantwortlich machte.

Ruth Becher (SPÖ) sagte, die größte Sicherheitsfrage für Österreich sei derzeit die Frage der Erhaltung der sozialen Sicherheit. Ein großes Problem seien die aufgrund der Inflation unverhältnismäßig steigenden Mieten. Die SPÖ fordere ein sofortiges Einfrieren der Mietpreise und rasche Maßnahmen für leistbares Wohnen. Der Forderung nach der Absicherung des sozialen Friedens schlossen sich auch die SPÖ-Abgeordneten Verena Nussbaum und Andreas Kollross an. Die Bundesregierung müsse endlich die erforderlichen Schritte setzen, um die Teuerung und die Inflation in den Griff zu bekommen, meinte Kollross. Daran führe kein Weg vorbei.

NEOS: Österreich braucht Arbeitskräfte

"Wohlstand ist wichtig, aber Wohlstand muss man sich erarbeiten", erklärte Gerald Loacker (NEOS) in Hinblick auf den Titel der Debatte. Daher brauche Österreich eine funktionierende Wirtschaft. Derzeit stelle jedoch der Arbeitskräftemangel eine "echte Wohlstandsbremse" für das Land dar, verwies der NEOS-Arbeitssprecher auf die nahenden Pensionierungen geburtenstarker Jahrgänge am Arbeitsmarkt. Österreich benötige daher qualifizierte Zuwanderung und eine "Bürokratiebremse", mahnte Loacker und er kritisierte die Auflagen, mit denen arbeitswillige Einwanderer und Einwanderinnen konfrontiert seien, auch im Zusammenhang mit der Rot-Weiß-Rot-Karte. Überdies forderte er vehement Steuererleichterungen für Betriebe ein und eine Senkung der Lohnnebenkosten.

Diesen Forderungen schloss sich auch Michael Bernhard (NEOS) an. Das Problem sei nicht, dass zu viele Menschen in Österreich bleiben wollten, sondern dass zu wenige Menschen für den Arbeitsmarkt verfügbar seien. Die Freiheitlichen hätten keine Lösungen anzubieten und würden nur die Angst vor den Fremden schüren, meinte er.

Stephanie Krisper (NEOS) betonte, dass der Großteil der Asylanträge noch immer von Menschen gestellt werde, die aus Kriegsgebieten komme. Entgegen dem, wie es die FPÖ, aber auch der Innenminister darstelle, gebe es keinen "Ansturm" von Asylant:innen. Die Zahl der Menschen in der Grundversorgung sei nicht gestiegen. Traiskirchen sei nur deshalb überfüllt, weil die Bundesländer ihren Verpflichtungen zur Aufnahme von Asylwerber:innen nicht nachkommen würden, meinte die Abgeordnete. Auch auf EU-Ebene würden ÖVP-Innenminister seit Jahren nichts dazu beitragen, um das europäische Asylsystem wieder funktionsfähig zu machen, sondern im Gegenteil gemeinsam mit den unsolidarischen EU-Staaten Lösungen verhindern.

ÖVP: Bundesregierung arbeitet für Bevölkerung

Christian Stocker (ÖVP) hielt fest, tatsächlich gebe es eine Flüchtlingskrise, doch unter dem ehemals FPÖ-geführten Innenministerium sei keine einzige Änderung in den Asylgesetzen umgesetzt worden. Der amtierende Innenminister Karner unternehme hingegen "effektiv" etwas gegen den Zustrom illegaler Zuwanderer, verwies er unter anderem auf entsprechende Gespräche mit Serbien. In Hinblick auf die Russland-Sanktionen hielt er der FPÖ vor, "Sie haben nichts zu einer Lösung beizutragen, was Sie können, ist spalten, polarisieren". Genau das bräuchten die Menschen in Österreich aber nicht, so Stocker, die Bevölkerung benötige vielmehr konkrete Hilfestellungen in der Krise und Orientierung: "Das leistet diese Bundesregierung".

Johanna Jachs (ÖVP) warf der FPÖ vor, nur auf Verunsicherung der Bevölkerung und auf Spaltung der Gesellschaft aus zu sein und nur vereinfachende Parolen zu bieten. Reinhold Lopatka (ÖVP) schlug in dieselbe Kerbe und warf FPÖ-Parteiobmann Kickl vor, seine Partei durch aggressive Rhetorik und enge Themensetzung immer mehr in die politische Isolation zu führen. Die FPÖ müsse endlich klar Stellung gegen die russische Aggression gegenüber der Ukraine beziehen, forderte er. Die Gespräche des Bundeskanzlers mit Ungarn und Serbien seien der richtige Ansatz, da man beim Außengrenzschutz mit den Nachbarstaaten bestmöglich zusammenarbeiten müsse, argumentierte Lopatka.

Grüne: FPÖ fährt auf Putins Kurs

"Lassen wir uns nicht täuschen", appellierte Sigrid Maurer (Grüne), dem Klagen von FPÖ-Obmann Kickl über das Leid der Ukrainer:innen keinen Glauben zu schenken. Im Grunde sei der FPÖ das Schicksal der Ukrainer:innen "egal", handle sie doch in Wirklichkeit im Interesse von Russlands Präsident Wladimir Putin. Maurer bezeichnete deswegen die FPÖ als "fünfte Kolonne" Putins und erinnerte an den "Freundschaftsvertrag" sowie andere Verbindungen ehemaliger FPÖ-Politiker:innen mit dem russischen Machthaber und seinen "reaktionären Werten". Die FPÖ richte sich als "willfähriger Verbündeter" dieser Politik gegen die liberale Demokratie und unterstütze den "Ausverkauf Österreichs" an das russische Regime, konstatierte die Grünen-Klubobfrau.

Auch ihre Fraktionskollegen Georg Bürstmayr und Michel Reimon warfen der FPÖ vor, mit der Sondersitzung nur die Interessen Russlands und Putins zu bedienen. Reimon brachte einen Entschließungsantrag der Abgeordneten der ÖVP, der Grünen und der NEOS ein. Die Bundesregierung wird darin ersucht, sich für ein geschlossenes Auftreten der EU und für starke gemeinsame Maßnahmen in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einzusetzen. Die Ukraine müsse die volle Unterstützung bei der Wahrung ihrer Souveränität und territorialen Integrität erhalten, fordern die Abgeordneten. Der Entschließungsantrag wurde mit Mehrheit angenommen. (Schluss) gla/rei/sox

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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