Mikrodaten-Center wird Beforschung von Statistikdaten erleichtern
Wien (PK) – Mehrere heute vom Nationalrat gefasste Beschlüsse betreffen die Förderung der Grundlagenforschung und den Hochschulbereich. So gaben die Abgeordneten mit Mehrheit Zustimmung zu einer Novelle, mit der die Forschung einen leichteren Zugang zu Statistik- und Registerdaten erhält.
Einstimmige fiel der Beschluss zur Änderung der zwischen Bund und das Land Niederösterreich getroffenen 15a-Vereinbarung über die Kosten für das Institute of Science and Technology Austria (IST-Austria). Da die Aufbauphase des Instituts unterdessen abgeschlossen ist, wird die Kostenbeteiligung den neuen Gegebenheiten angepasst.
ÖVP und Grüne drängen in einer Entschließung, die mehrheitlich angenommen wurde, auf die rasche Vorlage eines neuen Entwicklungs-und -Finanzierungsplans für die österreichischen Fachhochschulen. Weitere Entschließungen, die von SPÖ und FPÖ beantragt wurden, blieben in der Minderheit. Die SPÖ sprach sich für Mittel aus, um COVID-19-Maßnahmen finanzieren zu können und die Präsenzlehre an den Universitäten und Hochschulen dadurch zu sichern. Die FPÖ forderte, von solchen Maßnahmen überhaupt abzusehen und zum Normalbetrieb der Bildungseinrichtungen zurückzukehren. Keine Mehrheit fand auch ein FPÖ-Vorstoß zu einer Zusammenlegung der beiden Wiener Kunstuniversitäten.
Eine Mehrheit des Nationalrats sprach sich dafür aus, die Bestimmungen über Geldwäsche und Cyberkriminalität an EU-Recht anzupassen. Vor allem wird damit neuen Entwicklungen bei digitalen Währungen Rechnung getragen. Der Widerruf einer unterdessen obsolet gewordenen Erklärung Österreichs zu einem Europaratsabkommen betreffend Geldwäsche passierte den Nationalrat mit Stimmeneinhelligkeit.
Forschung erhält Zugang zu Statistik- und Registerdaten
Eine Novelle des Bundesstatistikgesetzes und des Forschungsorganisationsgesetzes ermöglicht es künftig Forschungseinrichtungen, per Fernzugriff für die Durchführung statistischer Analysen mit wissenschaftlicher Fragestellung einen Zugang zu statistischen Einzeldaten der Bundesanstalt Statistik Österreich sowie zu Daten der Verwaltungsregister von Behörden zu erhalten. Die Statistik Austria wird zur anonymen und sicheren Datenübermittlung eine technische Plattform „Austrian Micro Data Center“ errichten.
Die SPÖ befürworte selbstverständlich die Beforschung von Mikrodaten, betonte Petra Oberrauner (SPÖ). Da es hier aber um sehr sensible Daten gehe, müsse der Datenschutz besonders ernst genommen werden. Das vorliegende Gesetz weise leider weiterhin Lücken bei der Datensicherheit auf. Christian Drobits (SPÖ) bekräftigte diese Kritik und wies auf zahlreiche kritische Stellungnahmen zum Gesetz hin. Nicht gesichert sei etwa die lückenlose Protokollierung der Datenzugriffe. Zudem fehle weiterhin eine objektive Kontrollinstanz für die Zugriffe. Die Kontrolle durch die Statistik Austria selbst sei hier jedenfalls zu wenig, meinte Drobits. Seine Fraktion könne daher weiterhin nicht zustimmen.
Von einen „historischen Tag“ für die österreichische Forschung sprach Maria Theresia Niss (ÖVP). Gerade die COVID-19-Pandemie habe deutlich aufgezeigt, wie wichtig die Beforschung von Mikrodaten für eine Evaluierung der Wirkung von Maßnahmen des Gesetzgebers sei. Niss brachte einen Abänderungsantrag der Koalitionsparteien ein. Dieser enthalte weitere Präzisierungen beim Datenschutz, erläuterte Niss. So werde festgehalten, dass Daten des Data Center keinesfalls extrahiert werden können. Außerdem werde mit der Abänderung der Complexity Science Hub Vienna (CSH) in die Liste der wissenschaftlichen Einrichtungen aufgenommen, die zum Online-Zugriff auf das Austrian Micro Data Center berechtigt sind.
Die Einrichtung des Micro Data Center stelle einen Meilenstein für die Forschung dar, zeigte sich auch Eva Blimlinger (Grüne) überzeugt. Österreich ziehe damit mit anderen Ländern gleich, die solche Datenzentren bereits seit längerem besitzen. Blimlinger betonte, die lückenlose Protokollierung, wie sie die SPÖ fordere, sei durch das Gesetz selbstverständlich sichergestellt. Die Vereinbarkeit von Forschung und Datenschutz habe grundsätzlich zentrale Bedeutung, da mangelnder Datenschutz auch Zweifel über die Aussagekraft von Forschungsergebnissen aufwerfen würde. Das Interesse der wissenschaftlichen Community an den Daten sei jedenfalls äußerst groß.
Seine Fraktion fordere die Beforschung von Registerdaten seit längerer Zeit, er freue sich daher über den heutigen Beschluss, sagte Helmut Brandstätter (NEOS). Die nun getroffenen Bestimmungen würden sicherstellen, dass dem Datenschutz ausreichend Rechnung getragen werde. Brandstätter unterstützte mit einem Entschließungsantrag die Forderung, dem Complexity Science Hub Vienna (CSH) im Bundesstatistikgesetz Zugriff zu Daten des Micro Data Center zu gewähren. Diese Entschließung wurde allerdings mehrheitlich abgelehnt.
Bund und Land Niederösterreich vereinbaren neue Kostenaufteilung für IST-Austria
Das Institute of Science and Technology Austria (IST-Austria) wird gemeinsam vom Bund und dem Land Niederösterreich finanziert und haben die Modalitäten dazu in einer 15a-Vereinbarung festgelegt. Mit einer neuen Vereinbarung wird diese gemeinsamen Finanzierung künftig auf ein „System der anteiligen Gesamtkosten“ umgestellt. Vorgesehen ist auch, dass ein Kontrollausschuss der beiden Erhalter eingerichtet wird.
Das IST-Austria sei seit seiner Gründung 2006 „ein Leuchtturm der österreichischen Forschungslandschaft“ und der internationalen Spitzenforschung geworden, zeigte sich Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) zufrieden. Die neue Vereinbarung bringe einen klaren Wachstumspfad und stelle Planungssicherheit bis 2036 her.
Auch Petra Oberrauner (SPÖ) begrüßte das Übereinkommen. Besonders erfreulich sei aus ihrer Sicht, dass sich das IST-Austria sehr erfolgreich der wirtschaftlichen Verwertung der Grundlagenforschung widme, ein Bereich, in dem Österreich noch Aufholbedarf habe. Aufgrund des hohen Anteils der öffentlichen Finanzierung sei es angemessen, wenn das Wissenschaftsministerium auch klare Vorgaben in den Vereinbarungen mit dem Institut machte, meinte Melanie Erasim (SPÖ). So müsse etwa auf die Erreichung einer entsprechenden Frauenquote geachtet werden.
Eva Blimlinger (Grüne) erläuterte, die neue Aufteilung der Kosten entspreche dem nunmehrigen Entwicklungsstand des Instituts. Die Universitäten seien dem Institut zwar anfänglich skeptisch gegenübergestanden, unterdessen habe es sich aber als guter Partner der Hochschulen erwiesen.
Auch Wissenschaftsminister Heinz Faßmann bezeichnete das IST-Austria als eine Erfolgsgeschichte. Die 15a-Vereinbarung zu verlängern sei deshalb wichtig, weil das Institut auf längere Sicht Planungssicherheit erhalte. Das sei von großer Bedeutung für die Berufung von ProfessorInnen. Die Mittelzuteilung sei aus seiner Sicht aber an die Erreichung bestimmter Standards geknüpft. Er sei deshalb für Evaluierungen eingetreten, diese hätten bestätigt, dass das Institut sich zu einer international anerkannten Einrichtung der Spitzenforschung entwickelt habe. Der Finanzierungsfahrplan bis 2036 könne sich sehen lassen. Der Verteilungsschlüssel sei nun fix auf 75% Bund und 25% Land Niederösterreich festgelegt.
Entwicklungs- und -Finanzierungsplan für Fachhochschulen soll rasch vorgelegt werden
Mehrheitlich beschlossen wurde ein Entschließungsantrag der Regierungsparteien ÖVP und Grüne, der darauf abzielt, rasch den Entwicklungs- und -Finanzierungsplan für Fachhochschulen (FH) ab dem Studienjahr 2023/24 zu finalisieren. Dadurch soll die bedarfsorientierte und qualitätsgesicherte Weiterentwicklung des FH-Sektors unterstützt werden, schon in Hinblick auf die Planungssicherheit, heißt es in der Entschließung.
Kritik am Vorgehen der Koalition übte Axel Kassegger (FPÖ). Mit dem Antrag würden die Regierungsparteien sich selbst auffordern, etwas umzusetzen, das gesetzlich bereits vorgesehen sei. Trotz der hohen Bedeutung, die die Fachhochschulen für die Heranbildung von Fachkräften haben, bleibe der Wissenschaftsminister hier weiterhin untätig.
Die Fachhochschulen seien ein wichtiger Teil des Hochschulsystems und für eine hochwertige Berufsausbildung, betonte Martina Kaufmann (ÖVP). Mit dem Antrag werde zum Ausdruck gebracht, dass der Nationalrat die Weiterentwicklung der Fachhochschulen voll und ganz unterstütze. Die Entwicklung der Fachhochschulen sei ein zentraler Punkt des Ausbaus des tertiären Bildungssystems, unterstrich auch Eva Blimlinger (Grüne). Voraussetzung für den Ausbau sei aber eine Erhebung, wo Bedarf bestehe. Auch müsse die Profilierung der Fachhochschulen in Abstimmung mit den Universitäten erfolgen. Die immer wieder erhobene Forderung nach einem Promotionsrecht für Fachhochschulen sehe sie im Sinne dieser Profilbildung kritisch.
Andrea Kuntzl (SPÖ) sagte, ihre Fraktion werde dem Antrag zustimmen, obwohl er nichtssagend sei und etwas ganz Selbstverständliches fordere. Wichtiger als solche Anträge wäre es, sich für wesentlich mehr Mittel für den Ausbau der Fachhochschulen einzusetzen, sagte Kuntzl in Richtung der Koalitionsparteien.
Ihre Fraktion sei selbstverständlich für den FH-Ausbau, sie würde sich aber wünschen, dass die Koalition in Zukunft gehaltvollere Anträge einbringe, merkte auch Martina Künsberg Sarre (NEOS) an.
Anträge von SPÖ und FPÖ zu COVID-19-Maßnahmen an Hochschulen abgelehnt
Abgelehnt wurden zwei Anträge von SPÖ und FPÖ zu den COVID-19-Maßnahmen an den österreichischen Hochschulen, die eine jeweils unterschiedliche Zielrichtung aufweisen. Während der SPÖ-Antrag finanzielle Mittel fordert, um in Zeiten eines erhöhten Infektionsgeschehens die COVID-19-Regelungen auch an den Universitäten umsetzen zu können und allen Studierenden den Präsenzunterricht zu ermöglichen, will die FPÖ zurück zum Normalbetrieb. Aus Sicht des Antrags der Freiheitlichen erübrigen sich Coronamaßnahmen an Universitäten und Hochschulen aufgrund der hohen Impfquote unter Studierenden.
Nationalratsmehrheit sieht keinen Grund für Zusammenlegung der Kunstuniversitäten
Keine Mehrheit fand ein FPÖ-Antrag, der für Strukturreformen und Standortoptimierungen bis hin zur Zusammenlegung der Akademie der bildenden Künste Wien und der Universität für angewandte Kunst Wien eintritt. Konkret fordern die Freiheitlichen, die Vor- und Nachteile einer etwaigen Zusammenlegung überprüfen zu lassen.
Nationalrat nimmt rechtliche Anpassungen im Kampf gegen Geldwäsche und Cyberkriminalität vor
Das Plenum genehmigte heute auch internationale Vereinbarungen zur Eindämmung der Geldwäsche sowie zur strafrechtlichen Ahndung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit digitalen Zahlungsmitteln. So kam einhellig grünes Licht für die Erklärung der Republik Österreich über die Rücknahme der österreichischen Erklärung zu Art. 21 Abs. 2 des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten. Die von Österreich vorgebrachten Einschränkungen betrafen die Zulässigkeit der vorgesehenen Modalitäten der Zustellungen, sie sind jedoch aufgrund der nunmehrigen Rechtslage hinfällig geworden. Wie Justizministerin Alma Zadić betonte, haben sich die ursprünglichen Bedenken Österreichs nicht bewahrheitet.
Des Weiteren sollen zur strafrechtlichen Ahndung von Betrug und Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln unter anderem einheitliche Definitionen geschaffen werden. Mit den entsprechenden Änderungen im Strafgesetzbuch (StGB) und im Zahlungsdienstegesetz 2018 geht es vor allem um Anpassungen an neue Entwicklungen. Unter anderem werden als unbare Zahlungsmittel auch digitale Tauschmittel aufgenommen. Der Strafrahmen umfasst nun auch digitale Brieftaschen und PayPals. Dieser Beschluss erfolgte mit Mehrheit gegen die Stimmen der Freiheitlichen.
Justizministerin Alma Zadić wies auf die steigende Zahl im Bereich der Cyberkriminalität hin, wobei ein beträchtlicher Teil auf Betrugsdelikte falle. Es gehe daher darum, durch die nun vorgenommenen Nachschärfungen die Menschen besser zu schützen, aber auch darum, die gesetzlichen Bestimmungen an den Stand der Technik anzupassen, erläuterte sie.
Dem schlossen sich auch Klaus Lindinger (ÖVP), Selma Yildirim (SPÖ) und Harald Troch (SPÖ) an. Die Phishing-Mails seien immer schwieriger von echten zu unterscheiden, gab Yildirim zu bedenken. Troch begrüßte es, dass die Strafbarkeit nicht mehr nur auf herausgelockte Kartendaten beschränkt bleibt, sondern die entsprechende Bestimmung in Bezug auf digitale Zahlungsmittel aktualisiert wird. Es sei notwendig, Kriminalität auf diesem Gebiet entsprechend verfolgen und bestrafen zu können, fasste Lindinger das Ziel der Novelle zusammen. Johannes Margreiter von den NEOS sah in beiden Vorlagen einen Ausdruck dafür, was das gemeinsame Europa bringt, zumal die EU-Richtlinie einen einheitlichen Strafrahmen ermöglicht. Der NEOS-Mandatar geht jedoch davon aus, dass weitere Anpassungen im StGB nötig sein werden, um Widersprüche zwischen nationalem und europäischem Recht zu vermeiden und ein konsistentes System an Strafdrohungen zu gewährleisten.
Petra Bayr (SPÖ) nützte die Debatte, um von der Jusizministerin Nachschärfungen zur Erfüllung der Istanbul-Konvention des Europarats zur „Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt“ einzufordern. Handlungsbedarf ortet sie beispielsweise im Rahmen der Amtshaftungsklage und im Verbrechensopfergesetz. Angesichts der hohen Straflosigkeit in diesem Bereich forderte sie zudem bessere Schulungen von RichterInnen und StaatsanwältInnen und sprach sich dafür aus, sexuelle Belästigung als Offizialdelikt zu verankern. (Fortsetzung Nationalrat) sox/jan
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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