Start der Budgetberatungen im Parlament: ExpertInnenhearing zum Budget 2022 | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Start der Budgetberatungen im Parlament: ExpertInnenhearing zum Budget 2022

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Wien (PK) – Zum Auftakt der parlamentarischen Budgetberatungen über den von der Bundesregierung vorgelegten Bundesvoranschlag 2022 fand heute das traditionelle ExpertInnenhearing im Budgetausschuss statt. Insgesamt sieht der Budgetentwurf für 2022 Ausgaben in der Höhe von 99,1 Mrd. € und Einnahmen in der Höhe von 86,4 Mrd. € vor. Das entspricht einem Defizit von 12,6 Mrd. € bzw. 2,3% des BIP (Maastricht-Saldo). Das strukturelle Defizit wird mit 2,5% prognostiziert, die Staatsschuldenquote soll bei 79,1% liegen. Für 2021 hatte Finanzminister Gernot Blümel ursprünglich ein Defizit von 30,7 Mrd. € eingeplant. Tatsächlich dürfte aber die Bilanz mit 22,5 Mrd. € besser als befürchtet ausfallen.

Waren die vergangenen beiden Budgets stark von der Corona-Krise geprägt, soll der Bundesvoranschlag für 2022 den budgetären Weg aus der Krise bereiten. Die Mittel für die unmittelbare Krisenbewältigung schrumpfen demnach von 13,7 Mrd. € auf 3,9 Mrd. €. Niederschlagen werde sich auch die angekündigte ökosoziale Steuerreform mit 2,6 Mrd. €. In Zukunftsprojekte und den Standort werden 0,6 Mrd. € investiert. Mehr Geld soll zudem für das Bundesheer, das Außenministerium sowie für den Schutz von Frauen vor Gewalt vorgesehen werden.

Als ExpertInnen geladen waren Christoph Badelt (Wirtschaftsuniversität Wien), Martin Gundinger (Austrian Economics Center), Monika Köppl-Turyna (Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria), Markus Marterbauer (Arbeiterkammer Wien) sowie Margit Schratzenstaller-Altzinger (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung). Großteils begrüßten die ExpertInnen im Hearing einen soliden Budgetpfad, sahen aber Bedarf an Strukturreformen, etwa im Bereich der Pflege, bei den Pensionen oder im föderalen System.

Badelt: Budgetentwurf ist Rückkehr zur finanzpolitischen Normalität

Christoph Badelt bewertet den Budgetentwurf in seinem Eingangsstatement grundsätzlich positiv. Die Eckdaten seien vorsichtig und verantwortungsvoll gewählt, um kein „Scheinbudget“ vorzulegen. Zudem komme es zur Reduktion der Ausgaben für die Bekämpfung der Pandemie, gleichzeitig erfolge ein rascher Wirtschaftsaufschwung, der die Rückkehr zur finanzpolitischen Normalität begünstige. Der Fiskalrat habe aufgrund neuer Daten sogar noch eine optimistischere Einschätzung, als im Budgetentwurf abgebildet. So rechne man für 2022 mit einem Defizit von 1,6% anstatt 2,3% des BIP. Somit werde man auf jeden Fall die Fiskalregeln der EU einhalten können. Auch die Staatsschuldenquote schätzt Badelt mit 77,7% niedriger ein als es der Budgetentwurf prognostiziert.

Die aktuell stark steigenden Corona-Infektionszahlen könnten aber neue wirtschaftliche Probleme und somit Auswirkungen auf das Budget haben. Experte Badelt warnte etwa vor einer drohenden deutschen Reisewarnung für Österreich, die sich negativ auf den Wintertourismus und somit auch auf das BIP auswirken würde.

Was die Budgetschwerpunkte betrifft, begrüßte Badelt die Abbildung der ökosozialen Steuerreform, die auch den Bundesfinanzrahmen prägen würden. Er rechne bis zum Vollausbau im Jahr 2025 mit 6,1 Mrd. €, was einen Saldoeffekt von zusätzlich minus 1% bedeuten würde. Dies sei die Folge der Entlastungsschritte der Steuerreform, ab 2025 würden diese Effekte dann ausgeglichen werden. Nicht im Budget abgebildet seien jedoch große, aufgrund des demografischen Wandels anstehende Reformen. Um die Staatsfinanzen in den nächsten Jahren zu stabilisieren, seien dringend Strukturreformen nötig, warnte der Experte.

Gundinger: Budget lässt keine Entlastungen erkennen

Für Martin Gundinger wird das Budget nicht den Herausforderungen der Zukunft gerecht. Es handle sich um „ein Budget der Mehrbelastungen sowie der politischen Willkür und Bevormundung, das auf einem sehr wackeligen Prognosefundament steht“. Das Budget setze auf einen „weitgehend wolkenlosen Konjunkturhimmel“, wobei man annehme, dass Inflation und Zinssätze niedrig bleiben und gleichzeitig ein kräftiges Wirtschaftswachstum erwarten lassen würden. Er könne keine Entlastung durch das Budget erkennen, da sich von 2019 bis 2025 die Steuereinnahmen um über 20% erhöhen würden. Die Staatsausgaben würden sich im gleichen Zeitraum jedoch um 22% erhöhen. Außerdem setze das Budget weiterhin „auf eine Abhängigkeit der BürgerInnen von Gefälligkeiten der Politik sowie auf die Ausdehnung des politischen Einflusses“. Politische Konsum – und Investitionsentscheidungen würden verstärkt an die Stelle privater Entscheidungen treten, kritisierte Gundinger.

Was das schrittweise Auslaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen betrifft, zeigte sich Gundinger skeptisch, dass es zu keinen größeren wirtschaftlichen Verwerfungen kommen werde. Die „Geldflut“ der letzten Jahre habe nicht zu einer Lösung von Problemen, sondern zu einem Rückstau geführt. Dieser drohe sich nach dem Ende der Unterstützungsmaßnahmen zu entladen.

Zum Thema CO2-Steuer bezweifelte Gundinger, dass die Festlegung auf einen CO2-Preis sinnvoll sei. Er vermutet, „dass man die CO2-Steuer schrittweise einem unbestimmten Wert nahezu unendlich annähern“ wolle. Zudem überkompensiere der Klimabonus in der derzeitigen Form die Verluste durch die CO2-Steuer bei jenen Gruppen, die die höchste CO2-Intensität im Konsum haben würden. Deshalb gelte es abzuwarten, ob die Einführung der CO2-Steuer und des Klimabonus zu einer Reduktion der Emissionen führen werde, so der Experte.

Köppl-Turyna: Strukturreformen umsetzen, um für die nächste Krise gewappnet zu sein

Die akute Krise sei zwar noch nicht ganz überwunden, Österreich befinde sich jedoch aufgrund des steigenden Konsums auf einem soliden Wachstumskurs in den nächsten Jahren, attestierte Monika Köppl-Turyna. Da schon ab 2022 mit einer ersten Abschwächung zu rechnen sei, bedürfe es langfristig jedoch an Strukturreformen. Man müsse die Haushaltspolitik so gestalten, um für die nächste Krise gewappnet zu sein. Köppl-Turyna nannte in diesem Zusammenhang etwa Reformen im Pensions-, Bildungs- sowie im föderalen System. So sei etwa die Anpassung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters sowie der Ausbau der Kinderbetreuung für unter 3-Jährige überfällig.

Die CO2-Bepreisung im Rahmen der ökosozialen Steuerreform sieht die Expertin positiv, obwohl der Einstiegspreis ihrer Ansicht nach zu gering ist. Bereits 2025 würde dieser aber bereits deutlich über dem europäischen Niveau liegen. Was die wirtschaftlichen Auswirkungen der Steuerreform betrifft, rechnet Köppl-Turyna mit positiven Effekten. Sie geht von der Schaffung von rund 30.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen aus. Mittelfristig komme es zu einer Erhöhung des BIP um 1%. Auch die Senkung der Abgabenquote um 1% bis 2025 sei grundsätzlich positiv zu bewerten. Nun müssten aber weitere Schritte folgen. Laut Köppl-Turyna ist dabei die Senkung des Faktors Arbeit ein zentrales Element. Trotz mehrerer Steuerreformen habe sich die Belastung seit dem Jahr 2000 nicht geändert. Weiters seien eine dauerhafte Etablierung des Verlustrücktrags sowie die steuerliche Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapital wichtige Reformschritte.

Marterbauer: Budget steht im Zeichen des Konjunkturaufschwungs

Der vorliegende Budgetentwurf stehe ganz im Zeichen des konjunkturellen Aufschwungs nach der COVID-19-Krise, betonte Markus Marterbauer. Die Industrie „boome“ und Investitionen würden „stark anziehen“, was das Vertrauen der Unternehmen in den österreichischen Standort belege. Zudem würden die Einkommen und die Beschäftigung stark wachsen, gleichzeitig gehe die Arbeitslosigkeit unterwartet schnell auf das Vorkrisenniveau zurück. Niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen würden den Defizitrückgang so positiv beeinflussen.

Diese Situation nutze die Bundesregierung für eine Steuerreform, die er differenziert beurteile, so Marterbauer. Trotz berechtigter Kritik habe die CO2-Bepreisung und der Klimabonus in Bezug auf die Verteilungseffekte Vorbildcharakter. Die Tarifreform gleiche zudem die kalte Progression aus. Allerdings sei die Kompensation für NiedrigverdienerInnen in Form der Senkung der Krankenbeiträge unnötig bürokratisch und benachteilige diese. Zudem würden Großunternehmen Steuergeschenke erhalten, die ohnehin bereits von den COVID-19-Hilfen profitiert hätten. Auch die Besteuerung von großen Vermögen und Erbschaften würde „einmal mehr“ fehlen. Die Steuerreform verteile zu den GewinnerInnen der Krise, zu den Großunternehmen und Vermögenden um, während sich das Budget nicht ausreichend um Arbeitslose, EPU, Armutsbekämpfung oder Kinder aus bildungsfernen Schichten kümmere, kritisierte Marterbauer. Der Sozialstaat habe sich in der Krise bewährt und gehöre gezielt ausgebaut und verbessert. Zu wenig sei davon im Budget zu sehen.

Zusätzlichen Investitionsbedarf sah der Experte zudem in den Bereichen der Pflege, der Schulen und Universitäten sowie in den Klimaschutz für Städte und Gemeinden.

Schratzenstaller- Altzinger: Budget ist richtiger Schritt zur Bewältigung der dringendsten Zukunftsherausforderungen

Für Margit Schratzenstaller-Altzinger ist das Budget „ein Schritt in die richtige Richtung“ zur Bewältigung der „dringendsten Zukunftsherausforderungen“. Sie nannte in diesem Zusammenhang die Klimakrise, den digitalen Wandel sowie die Gleichstellung von Frauen und Männern. Auch Schratzenstaller-Altzinger sieht eine fiskalische Nachhaltigkeit, was am geplanten Defizitrückgang und an der Senkung der Schuldenquote zu erkennen sei. Generell bewege man sich „von einem Krisenbudget hin zu einem investiven Budget“. Dies schaffe zusätzliche Budgetspielräume für Klimaschutz, Forschung oder den Ausbau der Kinderbetreuung. Gleichzeitig seien Struktur- und Föderalismusreformen sowie Effizienzsteigerungen in den Bereichen Bildung und Gesundheit von großer Bedeutung.

Was die ökosoziale Steuerreform betrifft, begrüßte die Expertin die Maßnahmen zur Verbesserung der Abgabenstruktur sowie zum Ausgleich der kalten Progression. Beim CO2-Preis könne sie zwar die Kritik am relativ geringen Einstiegspreis verstehen, positiv sei jedoch, dass dieser neben Maßnahmen wie dem Klimaticket oder der NoVA-Erhöhung erstmals eingeführt wurde. Allerdings sieht auch die WIFO-Expertin vor allem bei der Entlastung des Faktors Arbeit weiteren Reformbedarf. Die Gegenfinanzierung könne durch die weitere Besteuerung von umweltschädlichen Emissionen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene und durch höhere Steuern auf Grund- und Immobilienvermögen sowie auf hohe Erbschaften erfolgen, so Schratzenstaller-Altzinger.

Mit dem Bundesvoranschlag mitverhandelt wird auch der Bundesfinanzrahmen 2022 bis 2025. Demnach soll in den kommenden Jahren vom Krisenmanagement der Jahre 2020 und 2021 zum Klimaschutz und der umweltschonenderen Mobilität, der Digitalisierung sowie der Forschung und Entwicklung übergegangen werden. Das Budget und der Finanzrahmen haben die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere von Familien zum Ziel. Anreize für klimafreundliches Verhalten und Investitionen in den Klimaschutz sollen gesetzt und der Wirtschaftsstandort gefördert werden. Die gesamtstaatliche Schuldenquote soll schrittweise zurückgeführt werden. Mit Ende des Finanzrahmens 2025 hält das Finanzministerium ein strukturelles Nulldefizit für möglich. (Fortsetzung Expertenhearing Budgetausschuss) med

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.

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