Rechnungshof im Nationalrat: Von nachhaltigen Entwicklungszielen, Parteiakademien, Drohnen, Schubhaft und Pflege
Wien (PK) – Mehrere Berichte des Rechnungshofs mit einer großen thematischen Bandbreite standen heute im Nationalrat zur Debatte. Da diese allesamt einstimmig zur Kenntnis genommen wurden, blieben die Diskussionen im Rahmen, obwohl Auffassungsunterschiede der Parteien vor allem zu den Bereichen Asyl und Gesundheit zutage traten.
Eingebracht wurden zu den Themen Parteienfinanzierung, Asyl und Diabetesversorgung drei Entschließungsanträge der NEOS. Diese blieben bei den Abstimmungen ohne Mehrheit.
Umsetzung von Entwicklungszielen der Vereinten Nationen sind weiter am Prüfstand
Bei der Umsetzung der in der Agenda 2030 zusammengefassten nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) sieht der Rechnungshof noch erheblichen Verbesserungsbedarf. Ein entsprechender Prüfbericht aus dem Jahr 2017 beklagt in diesem Zusammenhang das Fehlen einer klaren politischen Prioritätensetzung sowie einer zentralen Steuerung und vermisst eine gesamtstaatliche Umsetzungsstrategie.
Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker freute sich eingangs über die Diskussion der Rechnungshofberichte im Parlament, wenngleich diese wieder „in die Abendstunden gerutscht“ sei. Bei den Nachhaltigkeitszielen gehe es um die Bewusstmachung der Ziele, zu denen man sich national verpflichtet habe. Der Rechnungshof sei über INTOSAI international verpflichtet, deren Umsetzung zu prüfen. Die Themen der Entwicklungsziele und der Nachhaltigkeit hätten Kraker zufolge in Österreich noch zu wenig Beachtung gefunden, weitere Prüfungen seien im Laufen.
Ruf nach Reformen bei Förderung von Parteiakademien
Einmal mehr bekräftigte der Rechnungshof in seinem Bericht die unklare und mangelhafte Regelung im Umgang mit den Fördergeldern für die Bildungseinrichtungen der im Nationalrat vertretenen politischen Parteien. Ungeregelt geblieben ist für den Rechnungshof auch die Frage, wie Parteiakademien, deren Förderwürdigkeit aufgrund des Ausscheidens ihrer Fraktion aus dem Nationalrat endet, mit nicht verbrauchten Fördermitteln umzugehen hätten. Empfohlen wird, Klarstellungen zum Verbrauch der Mittel nach letztmaliger Auszahlung vorzunehmen und eventuelle Rückforderungen anzudenken.
Abgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) forderte in einem Entschließungsantrag rechtliche Rahmenbedingungen zur Verbesserung der Regelungen für die Bildungseinrichtungen und deren Mittelverwendung ein. Neben solchen kurzfristigen Verbesserungen sei das Parlament aber in der Pflicht für eine umfassende Novelle.
In einer anderen Gebarungsprüfung widmete sich der Rechnungshof den Beauftragungen von Beratungsleistungen und Studien im Sozial- und Außenministerium. Eine zentrale Empfehlung zielt darauf ab, auf die Verfügbarkeit internen Know-hows zu achten und vor Auftragserteilung den tatsächlichen Bedarf genau zu prüfen. Außerdem wird empfohlen, grundsätzlich mehrere Angebote einzuholen und Verträge schriftlich abzuschließen. RH-Präsidentin Margit Kraker wies auf einige Unklarheiten und Mängel im Fördervollzug der Parteiakademien durch das Bundeskanzleramt hin und rief eine geplante Änderung des Publizistikfördergesetzes aus dem Jahr 2015 in Erinnerung. Was Studien und Beratungsleistungen in Sozial- und Außenministerium betreffe, erneuerte sie die Notwendigkeit eines bundeseinheitlichen Beschaffungscontrollings. Studien sollten zudem grundsätzlich von den Ministerien veröffentlicht werden, so Kraker.
NEOS nutzen Berichte zu Asylthemen für Forderung nach Evakuierung aus griechischen Insellagern
In seinem Prüfbericht über das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bemängelte der Rechnungshof, dass Teamleitungen und verfahrensführende ReferentInnen über keinen (rechtswissenschaftlichen) Studienabschluss verfügen. Somit sei eine einheitliche Qualität der Entscheidungen nicht gewährleistet. Zur Entwicklung der Verfahrenszahlen hielt der Bericht fest, dem BFA sei es gelungen, die Anzahl der in erster Instanz offenen Asylverfahren von über 73.000 Ende 2015 auf rund 16.000 Ende Juni 2018 zu senken. Im gleichen Zeitraum habe sich der Stand an offenen Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) von rund 6.300 auf über 30.000 erhöht. Der Rechnungshof gab in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass die Entscheidungen des BVwG (z. B. Zurückverweisungen, Außerlandesbringungen) unmittelbaren Einfluss auf das Arbeitsaufkommen des BFA hätten. Schließlich ortete der Rechnungshof in dem Bericht auch Informationslücken bei straffälligen Fremden. Konkret bemängelte der Rechnungshof, dass die Justizanstalt Josefstadt die zuständige Regionaldirektion nicht durchgängig vor Spontanentlassungen von Fremden benachrichtigt habe. Handlungsbedarf ortete der Rechnungshof auch bei der Durchsetzung von aufenthaltsbeendenden Entscheidungen.
Im Rahmen seiner Follow-up-Überprüfung des Vollzugs der Schubhaft -anhand des Anhaltezentrums Vordernberg – empfahl der Rechnungshof eine Evaluierung und Neukonzeption des Polizeianhaltewesens. Konkrete Überlegungen sollten nach Ansicht des Rechnungshofs auch bezüglich der noch offenen Vorgehensweise bei den zur Ausreise verpflichteten Personen unbekannten Aufenthalts angestellt werden.
Mit einem Entschließungsantrag zur Asyl-Thematik traten NEOS dafür ein, Ländern, Gemeinden oder kirchlichen Organisationen die Evakuierung von besonders notleidenden Kindern und Familien aus den griechischen Insellagern zu ermöglichen. Im Zuge der Debatte kam es zu emotionalen Äußerungen zwischen Abgeordneten der Grünen und der NEOS.
Gefahr durch zivile Drohnen und Verkehrsstrafen im Visier des Rechnungshofs
Derzeit gebe es keine wirksame Abwehrmöglichkeit von Drohnen auf Flughäfen, konstatiert der Rechnungshof. Weder die Austro Control noch die Flughäfen in Österreich würden über stationäre Drohnenabwehrsysteme verfügen. Auf Flughäfen gebe es eine erhöhte Gefahr durch Drohnen, weil sich hier Flugzeuge bei Start und Landung im Luftraum unter 150 Metern bewegen, so das Ergebnis des Prüfberichts. Im Notfall konnte im überprüften Zeitraum 2013 bis 2017 nur auf Drohnenabwehrgeräte des Innenministeriums zurückgegriffen werden. Diese müssten allerdings erst zum Flughafen transportiert werden und wären somit nur zeitverzögert einsetzbar gewesen. Weil ein erhebliches Risiko für Personen- und Sachschäden bestehe, empfahl der Rechnungshof dem Innenministerium, für die größten Flughäfen zumindest je ein Drohnenabwehrsystem vor Ort bereitzustellen. Zudem sollen Strategien zur Drohnenabwehr für Flughäfen entwickelt werden.
In einem weiteren Verfahren analysierte der Rechnungshof Verkehrsstrafen. Die PrüferInnen stellten fest, dass es kein zentrales, bundesweit abrufbares Verwaltungsstrafen-Register gibt. Den Strafbehörden war es daher kaum möglich, eventuell offene Geldforderungen oder Freiheitsstrafen außerhalb der eigenen Zuständigkeitsbereiche – in der Regel die Grenzen der Bezirkshauptmannschaften – zu erkennen. Nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand sei es möglich gewesen, WiederholungstäterInnen zu identifizieren und dies beim Strafausmaß entsprechend zu berücksichtigen. Das Innenministerium habe einen Bundes-Tatbestandskatalog erstellt, der aber für die Länder nicht verbindlich gewesen sei. In Folge habe es bei identischen Delikten je nach Bundesland unterschiedliche Strafgelder gegeben.
Angebote für psychisch Erkrankte, Diabetesversorgung und Pflege wurden geprüft
Grundlage des Rechnungshofberichts über das Angebot der Sozialversicherung für psychisch Erkrankte war die Durchleuchtung der psychosozialen Angebote in den Ländern Salzburg und Steiermark. Der Rechnungshof weist darauf hin, dass laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund die Hälfte der Bevölkerung zumindest einmal im Leben von psychischer Erkrankung betroffen ist. Die Mehraufwendungen für Krankheitsfolgen aufgrund psychischer Erkrankungen in Österreich allein für das Jahr 2016 bezifferte der Rechnungshof mit etwa 300 Mio. €. Laut dem Rechnungshof liegen keine vollständigen Daten zu Verbreitung, Ursachen und Folgen psychischer Erkrankungen, aber auch zur Inanspruchnahme von Psychopharmaka oder psychosozialen Diensten und zur Wirkung der Behandlungen vor.
In seinem Bericht „Diabetes-Prävention und -Versorgung“ weist der Rechnungshof auf einige qualitative Probleme bei der Versorgung von an Diabetes Typ 2 erkrankten Personen, auf Defizite in der Prävention sowie auf eine insgesamt schlechte Datenlage hin. Wegen der Zunahme der Zahl an Erkrankten, der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der finanziellen Folgen sieht der Rechnungshof eine wesentliche Herausforderung für das österreichische Gesundheitswesen. Geprüft wurde für den Bericht im niedergelassenen Bereich in den Jahren 2013 bis 2017 mit Schwerpunkt auf die Niederösterreichische und Tiroler Gebietskrankenkasse. Der Rechnungshof empfiehlt auch hier, valide und vollständige Datengrundlagen zu schaffen. Zudem sollen regionale und geschlechtsspezifische Besonderheiten von Diabeteserkrankungen analysiert und bei Prävention und Versorgung berücksichtigt werden.
Die NEOS-Abgeordnete Fiona Fiedler brachte im Zuge der Debatte einen Entschließungsantrag ein, mit dem sie eine Regierungsvorlage forderte, um die Diabetesversorgung zu verbessern. Die Empfehlungen des Rechnungshofes sollten hierbei berücksichtigt werden.
In einer weiteren Analyse beurteilte der Rechnungshof die Zweckmäßigkeit der Pflegedienstleistungen in allen neun Bundesländern und berechnete die Pflegekosten für das Jahr 2016 in Höhe von insgesamt 7,9 Mrd. €. Bisher habe darüber eine österreichweite Statistik gefehlt. Für die zu dieser Zeit 452.688 Pflegebedürftigen kamen von der Gesamtsumme 2,9 Mrd. € vom Bund und rund 2,1 Mrd. € von den Ländern und Gemeinden, während weitere 2,9 Mrd. € privat abgedeckt wurden. Ein gutes Drittel der Pflegekosten werde demnach privat erbracht, wobei die Zahl der dafür zur Verfügung stehenden Angehörigen sich laut Rechnungshof in den nächsten Jahrzehnten drastisch verringern werde. Auch gesellschaftliche Entwicklungen, etwa eine höhere Frauenerwerbsquote, könnten Auswirkungen auf die private Pflege haben, weshalb die PrüferInnen auf einer Bedarfsprognose und die Erweiterung des Pflegeangebots anhand einer Gesamtstrategie bestehen.
Konsumentenverwirrung durch Gütesiegel soll unterbunden werden
Auf dem österreichischen Lebensmittelsektor kommen über 100 Qualitätszeichen zum Einsatz, wobei es sich – abgesehen vom AMA-Gütesiegel und AMA-Biosiegel – zumeist um privatrechtliche, freiwillige Auszeichnungen handelt, die nicht auf Gesetzen beruhen. Der Rechnungshof geht daher davon aus, dass für die KonsumentInnen kaum nachvollziehbar ist, unter welchen Voraussetzungen diese Zeichen vergeben und überprüft werden, und empfiehlt in seinem Bericht, Mindestanforderungen zu definieren, um eine Irreführung von KundInnen zu vermeiden. Eine gesamthafte Strategie wird ebenso für jene heimischen Produkte angeraten, die auf EU-Ebene unter Schutz gestellt werden sollen. (Fortsetzung Nationalrat) cke/kar/fan
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
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