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100 Jahre Bundesrat: Eine starke Säule der Republik

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Wien (PK) – So wie die österreichische Bundesverfassung (B-VG) feiert auch der Bundesrat heuer seinen 100. Geburtstag. Das am 1. Oktober 1920 von der Konstituierenden Nationalversammlung beschlossene B-VG sah neben dem Nationalrat im Parlament nun auch eine zweite Kammer -den Bundesrat – vor, der die Interessen der Bundesländer im Gesetzgebungsprozess vertreten sollte. Die Länderkammer trat am 1. Dezember 1920 zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler lud aus diesem Anlass zu einer Festveranstaltung in das Palais Epstein unter dem Titel „100 Jahre Bundesrat. Eine starke Säule der Republik“.

Für Bundesratspräsidentin Eder-Gitschthaler ist der Bundesrat eine Konstante im parlamentarischen Ablauf und hat sich als Themensetzer und Zukunftskammer behauptet, wie sie in ihren Eröffnungsworten betonte. Das Miteinander und die Kollegialität seien hart erarbeitet worden, so Eder-Gitschthaler, aber das Miteinander zu bewahren sei nicht immer leicht gewesen und es sei gerade jetzt, in Zeiten der Pandemie und starker divergierender Ansichten zur deren Bekämpfung, nicht einfacher geworden. „Da haben wir noch Luft nach oben“, mahnte die Bundesratspräsidentin. Eder-Gitschthaler schloss mit einem Spruch der ersten Vorsitzenden der Länderkammer Olga Rudel-Zeynek (1927):
„Abgeordnete haben die Pflicht, sich zu plagen, wer Ruhe und Bequemlichkeit liebt, suche einen anderen Beruf.“

Die Festrede hielt Brigitte Bierlein, die erste Bundeskanzlerin Österreichs. Sie stand davor auch als erste Frau an der Spitze des Verfassungsgerichtshofs. Bierlein betonte, dass die Funktionen des Bundesrats und des Verfassungsgerichtshofs durch die Verfassung in mehrfacher Weise aufeinander bezogen seien, denn der Bundesrat wirkt an der Berufung der Mitglieder des VfGH mit, dieser wiederum wacht darüber, dass der Bundesrat dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt ist. Sie erläuterte in ihrer Festrede ausführlich die rechtlichen Grundlagen des Bundesrats.

Nicht übersehen werden solle, so Bierlein, dass die Rolle des Bundesrats auch im oft kritisierten verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmen für unseren demokratischen Rechtsstaat von großer Bedeutung sei. Bierlein wies darauf hin, dass der Bundesrat in den letzten Jahren vor allem in Angelegenheiten der EU im EU-Ausschuss nachhaltige Aktivitäten entfaltet habe. Die Relevanz des Bundesrats im Subsidiaritätsprüfungsverfahren könne als beispielgebend bezeichnet werden: In der öffentlichen Wahrnehmung wohl zu wenig beachtet, habe der Bundesrat durch Abgabe zahlreicher Stellungnahmen zu Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission an Ansehen und in der Europapolitik an Gewicht gewonnen. Der Bundesrat habe unter seinen Abgeordneten Persönlichkeiten hervorgebracht, die als Bundespräsidenten, Nationalratspräsidenten oder an der Spitze von Bundes- und Landesregierungen Geschichte geschrieben haben.

Ein Blick in die Zukunft der Länderkammer

In der sich daran anschließenden Diskussion warf Bundesratspräsidentin Andrea Eder-Gitschthaler mit der Präsidentin des Salzburger Landtages Brigitta Pallauf, dem ehemaligen Bundesratspräsidenten Gottfried Kneifel und dem Präsidenten des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen Werner Zögernitz einen Blick in die Zukunft der Länderkammer.

Gottfried Kneifel legte Wert darauf, dass Abgeordnete immer wieder die Demokratie zu erklären hätten und appellierte, hier aktiver zu werden. „Die Demokratie ist ein Floß, das sehr sicher ist, aber das Problem ist, dass man immer die Füße im Wasser hat“, so der Vergleich Kneifels. Die Übertragungen in ORF III würden einen wesentlichen Beitrag für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundesrats leisten. Ebenso sei die Palamentsbeflaggung des jeweiligen Bundeslandes, das gerade den Vorsitz innehat, ein wichtiges sichtbares Zeichen.

Auch für Brigitta Pallauf ist die sichtbare Verbindung zwischen Landes- und Bundesrat wichtig. „Was haben wir für eine Bringschuld als Abgeordnete?“, fragte Pallauf. Für sie ist der Bundesrat jener föderale Beitrag, der in der Republik so wichtig sei. „Hier schlägt das föderale Herz“, so Pallauf.

Werner Zögernitz betonte, dass die Länderkammer das Markenzeichen jedes föderalen Staates sei. Für Österreich bedeute dies, dass der Bundesrat ein Zustimmungsrecht bei der Gesetzgebung habe. Der Bundesrat habe auch durch das Wahlrecht der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs ein wichtiges Mitbestimmungsrecht. Die Länderkammer habe zudem mehrfach eine Vorreiterrolle, betonte Zögernitz und riet, diesen Weg beizubehalten.

„Wenn ein Bundesratsmitglied seine Aufgabe ernst nimmt, ist er der am besten informierteste Mandatar der Republik“, fasste Kneifel zusammen. Während jeder Funktionsperiode sollte es ein Gesetz geben, das vom Bundesrat initiiert werde, schlug Kneifel vor, denn das würde wesentlich zum Image des Bundesrates beitragen. Der digitale Wandel ist für Kneifel gleichzeitig Chance und Bedrohung und bietet ein großes Betätigungsfeld zur Beobachtung. Man solle die Möglichkeiten, die die Verfassung biete, nützen, so sein Credo.

Pallauf meinte, die Interessen der Länder könnten niemals stark genug vertreten werden. Landeshauptmann und Bundesrat würden die Länderinteressen aus unterschiedlicher Perspektive vertreten und das sei wichtig und gut so. „Wir alle sind aufgerufen, immer wieder aufzuzeigen“, so Pallauf.

Durch den Vertrag von Lissabon wirken die Bundesländer an der Rechtsprechung mit. Der Bundesrat ist die Europakammer auf nationaler Ebene. Er hat die Möglichkeit und die Pflicht, mit den Ländern Kontakt aufzunehmen.

Kneifel sieht das demokratische Prinzip und den Fortbestand der Demokratie als gefährdet an. „Nur wählen zu gehen ist zu wenig, Demokratie muss immer wieder erklärt werden“, forderte Kneifel. Es sei systemimmanent, dass es immer unzufriedene BürgerInnen gebe, aber es sei erklärungsbedürftig, dass man Mehrheiten zu akzeptieren habe. Sein Wunsch ist es, dass es dem Bundesrat gelingen möge, den BürgerInnen den Zusammenhang zu erklären, damit das System auch weiterhin Bestand habe.

Zögernitz erklärte, dass das Image der PolitikerInnen eine große Rolle spiele. Wenn dieses sinke, würde auch die Achtung vor den Institutionen sinken. Der Bundesrat möge sich dem Thema Demokratie annehmen und hier etwas weiterbringen, so Zögernitz.

Pallauf wünschte sich wiederum, dass der vorgegebene Weg weiter beschritten wird und die Kooperation mit den Länderparlamenten weiter wächst.

Der Bundesrat, eine aktive Kammer…

Der Bundesrat heute versteht sich als eine aktive Kammer, die Themen setzt und vor allem seine Aufgabe im EU-Gesetzgebungsprozess sehr ernst nimmt.

So setzt er sich etwa intensiv mit der Digitalisierung, der Pflege, der Trinkwasserversorgung und der Förderung des ländlichen Raums in vielen verschiedenen Aspekten auseinander. Ein besonderes Anliegen sind ihm die Kinderrechte, und so gibt es seit einiger Zeit in der Länderkammer auch einen Kinderrechte-Ausschuss.

Ein besonders wichtiges Anliegen sind dem Bundesrat die EU-Agenden und die Subsidiaritätskontrolle. Von Anfang an hat sich dessen EU-Ausschuss als Mittler zwischen EU einerseits und den Bundesländern bzw. Regionen andererseits gesehen. Deren Interessen werden daher auch immer wieder in den Stellungnahmen an die Mitglieder der Bundesregierung sowie in Mitteilungen an die EU-Institutionen und in sogenannten begründeten Stellungnahmen (Subsidiaritätsrügen) berücksichtigt. 59 Mitteilungen und 29 begründete Stellungnahmen gingen seither nach Brüssel. Der Bundesrat ist somit eine der aktivsten parlamentarischen Kammern in EU-Angelegenheiten innerhalb Europas, und spricht von sich selbst immer wieder davon, „die Europakammer“ zu sein.

Der Anteil der Frauen liegt im Bundesrat derzeit bei rund 36%. Mit der Journalistin und Schriftstellerin Olga Rudel-Zeynek schaffte der Bundesrat aber einen Meilenstein in Bezug auf die Anerkennung von Frauen als Politikerinnen. Die christlich-soziale Rudel-Zeynek führte zwei Mal – vom 1. Dezember 1927 bis zum 30. Mai 1928 und vom 1. Juni bis zum 30. November 1932 – als Vorsitzende die Länderkammer. Sie war damit weltweit die allererste Frau an der Spitze einer parlamentarischen Körperschaft: Sie war die erste Präsidentin des österreichischen Bundesrats – und die einzige Frau, die dort im Lauf der ersten Republik den Vorsitz innehatte.

… mit vielen Mitwirkungsrechten in der Gesetzgebung und …

Gemeinsam mit dem Nationalrat übt der Bundesrat die Gesetzgebung des Bundes aus. Er kann zwar keine Änderungen an den Gesetzesbeschlüssen des Nationalrats vornehmen, hat aber ein Einspruchsrecht dagegen. Allerdings handelt es sich um ein aufschiebendes Veto, da der Nationalrat einen Einspruch des Bundesrats gegen einen seiner Beschlüsse durch Wiederholung dieses Beschlusses überwinden kann (Beharrungsbeschluss). Kein Mitwirkungsrecht hat die Länderkammer beim Budget.

In einigen Fällen hat der Bundesrat jedoch ein „absolutes“ Vetorecht, das bedeutet, dass ohne die ausdrückliche Zustimmung des Bundesrats kein Gesetz bzw. kein Staatsvertrag zustande kommen kann. Das betrifft etwa Verfassungsgesetze oder Bestimmungen, durch die Kompetenzen der Länder eingeschränkt werden oder gesetzliche Bestimmungen, die die Rechte des Bundesrats selbst betreffen.

Der Bundesrat selbst bzw. ein Drittel seiner Mitglieder kann auch Gesetzesanträge an den Nationalrat stellen, die in der Folge den gesamten Prozess der Bundesgesetzgebung durchlaufen. Darüber hinaus verfügt er ebenfalls über Kontrollrechte, etwa über das Recht, schriftliche und mündliche Anfragen zu stellen, Anfragebeantwortungen zu besprechen oder Aktuelle Stunden zu verlangen; ferner über das Informationsrecht und das Recht, Entschließungen zu fassen. Wichtiges Instrument rechtlicher Kontrolle ist die Möglichkeit zur Anfechtung von Gesetzen vor dem Verfassungsgerichtshof durch ein Drittel der Mitglieder des Bundesrats

… mit einer hundertjährigen Geschichte

Auch wenn man nach dem Ersten Weltkrieg für die noch junge Republik einen bundesstaatlichen Aufbau vorsah und die Länder daher an der Bundesgesetzgebung beteiligt werden sollten, bestanden jedoch große Auffassungsunterschiede darüber, in welcher Form und in welchem Ausmaß diese Beteiligung ausgestaltet werden sollte. Der Wunsch nach einer Länderkammer war nicht unumstritten. Das zeigt sich auch daran, dass Hans Kelsen, der Schöpfer des B-VG, nicht weniger als sechs Entwürfe zum Bundesrat vorlegte, dazu kamen zahlreiche andere Vorschläge.

Am 1. Dezember 1920 war es aber dann so weit, der Bundesrat etablierte sich neben dem Nationalrat als zweite Kammer des österreichischen Parlaments.

Die leidvolle Geschichte der Ersten Republik ging auch am Bundesrat nicht spurlos vorbei. Zwar wurde der Bundesrat 1933 – anders als der Nationalrat – nicht für aufgelöst erklärt und kam bis April 1934 zu Sitzungen zusammen. Die letzte Sitzung war jedoch nur mehr ein Rumpf-Bundesrat, in der Verfassung 1934 war kein Bundesrat mehr vorgesehen. An seine Stelle sollte als vorberatendes Organ für die Bundesregierung ein Länderrat treten, bestehend jeweils aus dem Landeshauptmann und dem Landesfinanzreferenten.

In der Zweiten Republik wurde der Bundesrat im Zuge der Verfassungsüberleitung aber wieder eingesetzt. Nachdem am 25. November 1945 nicht nur Nationalrats-, sondern auch Landtagswahlen stattgefunden haben, konnten auch die Mitglieder des Bundesrats am 19. Dezember 1945 wieder zusammenkommen.

Im Gegensatz zum Nationalrat wird der Bundesrat nicht direkt gewählt. Seine Mitglieder werden von den Landtagen für die Dauer der jeweiligen Landtagsgesetzgebungsperiode entsandt, und zwar nach dem Stärkeverhältnis der Parteien im jeweiligen Landtag. Damit ändert sich die politische Zusammensetzung der Länderkammer nach jeder Landtagswahl, sofern diese zu einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse im jeweiligen Landesparlament geführt hat. Wie viele MandatarInnen ein Bundesland entsendet, hängt von der Zahl seiner BürgerInnen ab. Das größte Land stellt zwölf, das kleinste wenigstens drei VertreterInnen. Eine neue Berechnung der Mandate erfolgt alle zehn Jahre auf Grund des Ergebnisses der Volkszählung. Danach setzt der/die BundespräsidentIn in einer Entschließung fest, wie viele VertreterInnen jedes Land in den Bundesrat entsenden kann. Somit gibt es keine fix vorgeschriebene Gesamtzahl der Mitglieder des Bundesrats.

Derzeit gehören dem Bundesrat 61 Mitglieder an. Die Spitze des Bundesrats wechselt halbjährlich unter den Bundesländern. Der Bundesrat hat aufgrund dieser Konstruktion auch keine Gesetzgebungsperiode, sondern tagt seit 1945 permanent. Die Sitzungen werden, beginnend mit der 1. Sitzung am 19. Dezember 1945, gezählt. (Schluss) jan/ibe

HINWEIS: Die Festveranstaltung ist als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments unter www.parlament.gv.at/MEDIA verfügbar. Fotos von der Festveranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments.

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