Nationalrat beschließt im zweiten Anlauf Bundesfinanzrahmen 2021-2024
Wien (PK) – In einer eigens dafür einberufenen außerplanmäßigen Sitzung reparierte heute der Nationalrat den Formalfehler bei der Beschlussfassung des Bundesfinanzrahmengesetzes 2021-2024 vom 19. November 2020. Nachdem der damals dazu eingebrachte und angenommene Abänderungsantrag – wie die Parlamentsdirektion bei der Finalisierung des Amtlichen Protokolls festgestellt hat – nicht die erforderlichen fünf Unterschriften aufwies, sondern nur vier enthielt, war es notwendig geworden, den gesamten parlamentarischen Entscheidungsprozess zu wiederholen (siehe auch Parlamentskorrespondenz Nr. 1240/2020 und 381 d.B.). Mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien ÖVP und Grüne passierte nunmehr die von der Regierung neuerlich eingebrachte diesbezügliche Regierungsvorlage einschließlich der Abänderungen das Plenum. Die Abänderungen betreffen vor allem die Übernahme von VerwaltungspraktikantInnen in ein reguläres Dienstverhältnis zur Unterstützung der Corona-Krisenstäbe.
Die Opposition blieb bei ihrer inhaltlichen Kritik und warf der Regierung vor, ein Budget mit falschen Zahlen vorzulegen und somit gegen den Grundsatz der Budgetwahrheit zu verstoßen. Demgegenüber gab man seitens der Regierungsfraktionen zu bedenken, dass sich das Budget auf den aktuellen Wissensstand beziehe und die weitere Entwicklung der Pandemie und der damit verbundenen allfälligen Maßnahmen und Ausgaben zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar sei. Außerdem enthalte die neuerlich eingebrachte Regierungsvorlage bereits die aktualisierte Wifo-Prognose.
Das Bundesfinanzrahmengesetz passierte das Plenum schließlich mit der Mehrheit von ÖVP und Grünen. Der Bundesrat hat hier keine Mitwirkungskompetenzen.
Für die Krisenbewältigung im engeren Sinn (einschließlich Corona-Kurzarbeit) sieht der Bundesfinanzrahmen auszahlungsseitig noch 16,2 Mrd. € vor, davon im Jahr 2021 4 Mrd. € in Form einer Ermächtigung zur Abdeckung des Fixkostenzuschusses sowie 1,5 Mrd. € als „COVID-19-Reserve“ für weitere im Zuge der Krise erforderliche, derzeit aber ihrer Natur und Höhe nach noch nicht absehbare Maßnahmen. Das COVID-19-Konjunkturpaket hat über die gesamte Periode des Bundesfinanzrahmens auszahlungsseitig ein Volumen von 4,8 Mrd. €, einzahlungsseitig sind es 15,2 Mrd. €. Zudem werden 2021 bis 2024 4,2 Mrd. € für neue Schwerpunkte in den Zukunftsbereichen Klimaschutz, Digitalisierung, Sicherheit, Bildung und Forschung, sowie in den Strukturwandel am Arbeitsmarkt investiert.
Laut Bundesfinanzrahmen dürfen im kommenden Jahr die Auszahlungen inklusive der Ermächtigungen die Höhe von 102,8 Mrd. € nicht überschreiten. Dieser Betrag soll bis 2024 wieder auf 92,2 Mrd. € sinken. Das Maastricht-Defizit würde damit 2021 -9,8% des BIP ausmachen und soll 2024 wieder auf -1,5% gedrückt werden.
In dem vom Nationalrat am 19. November genehmigten Bundesfinanzgesetz für 2021 liegt das prognostizierte Budgetdefizit bei 22,6 Mrd. €. Konkret sind Ausgaben in der Höhe von 97,8 Mrd. € und Einnahmen in der Höhe von 75,17 Mrd. € veranschlagt. Die Staatsschuldenquote könnte demnach auf 87,9% steigen. Die Maastricht-Regeln sehen ein maximales gesamtstaatliches Defizit von 60% des BIP vor.
Debatte über die Fehlerkultur
Was den zu reparierenden Formalfehler betrifft, so waren sich grundsätzlich alle einig, dass Fehler passieren können, zumal wenn unter großem Druck gearbeitet wird. Dennoch stellten die Oppositionsparteien die Frage in den Raum, ob die Regierungsfraktionen nicht zu locker mit den Regeln umgehen. Das thematisierte nicht nur der stellvertretende Klubobmann der SPÖ Jörg Leichtfried in einer Meldung zur Geschäftsordnung, indem er in Zweifel zog, ob die formalen verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den heutigen Beschluss tatsächlich gegeben sind. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zeigte sich von der Rechtsgültigkeit überzeugt.
Auch Nikolaus Scherak von den NEOS warf ÖVP und Grünen unter Hinweis auf die Aufhebung von gesetzlichen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof einen „schludrigen Umgang“ mit Gesetzen und der Verfassung vor. Es gehe darum, wie man mit Fehlern umgeht, sagte er und kritisierte aus seiner Sicht, dass derzeit bei Fehlern mit zweierlei Maß gemessen werde. Denn viele Menschen seien aufgrund verfassungswidriger Verordnungen im Zuge der Pandemie bestraft worden und diese Strafen seien nicht erlassen worden. Scherak trat daher einmal mehr für eine Generalamnestie für Personen ein, die im Frühjahr auf Basis der rechtswidrigen COVID-Verordnungen bestraft wurden.
Hubert Fuchs von den Freiheitlichen stellte in diesem Zusammenhang fest, dass auch das Budget 2020 falsch gewesen sei. Er erinnerte auch an die damals vergessenen Nullen im Budget, was man ebenfalls habe korrigieren müssen, und nun müsse man einen Formalfehler ausbessern.
„Wir treffen uns heute, weil wir auf der Grundlage der Verfassung arbeiten“, konterte Elisabeth Götze von den Grünen. Ins gleiche Horn stieß ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Er räumte ein, dass der Fehler den beiden Koalitionsparteien passiert sei, deshalb habe man nach ausführlichen Beratungen und nach einer Expertise des Rechts- und Legislativdienstes der Parlamentsdirektion dafür gesorgt, dass das Bundesfinanzrahmengesetz neu eingebracht wurde und der heutige Beschluss korrekt erfolgt. Er appellierte an die Opposition, die Dinge nicht unbegründet in Frage zu stellen.
SPÖ fehlen Budgetmittel für Soziales, Gesundheit und Gemeinden
Die SPÖ werde den Bundesfinanzrahmen auch weiterhin ablehnen, bekräftigte Kai Jan Krainer, weil die Regierung unter anderem mitten in der größten Pandemie den Beitrag des Bundes zur Finanzierung der Spitäler um mehr als 100 Mio. € kürze. Zu diesem Zweck legte sein Klubkollege Philip Kucher einen Entschließungsantrag zu einem Hilfspaket für das öffentliche Gesundheitswesen vor. Darin verlangen die SozialdemokratInnen, die pandemiebedingten Verluste in der Spitals- und Krankenversicherung auszugleichen. Zudem sollte die von der Regierung versprochene Gesundheitsmilliarde ausgeschüttet werden. Der Antrag fand keine ausreichende Unterstützung.
Außerdem hält es die SPÖ für notwendig, das Arbeitslosengeld auf 70% Ersatzrate zu erhöhen, was die Regierung verabsäume. Das Budget sei nicht in die Zukunft gerichtet, so Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), denn die Arbeitsmarktpolitik müsse jetzt anders aussehen. Sie vermisste auch konkrete Schritte zur Pflegereform. Heinisch-Hosek fand ferner kritische Worte zur Bildungspolitik in Zeiten der Pandemie und zur Schließung der Schulen und warnte vor einer verlorenen „Generation-Corona“. Einmal mehr trat sie für Vermögenssteuern ein.
Druck machten die SozialdemokratInnen auch in Bezug auf die Gemeindefinanzierung. Den Gemeinden fehlen rund 2,5 Mrd. € an Einnahmen rechnete Krainer vor, die Regierung ersetze lediglich eine Milliarde. In diesem Sinne brachte Andreas Kollross (SPÖ) einen Entschließungsantrag ein, in dem die SPÖ ein Gemeindefinanzierungspaket im Ausmaß von 2 Mrd. € für 2021 einfordert. Außerdem sollten die Gelder aus dem Kommunalinvestitionsgesetz noch im Dezember 2020 ohne Auflagen von Investitionstätigung ausbezahlt werden. Aber auch dieser Vorstoß blieb ohne Erfolg.
Dieser von der SPÖ vorgebrachten Kritik widersprach Andreas Hanger seitens der ÖVP. Er versicherte, dass die Finanzierung der Krankenanstalten gesichert sei. Hier seien aber auch Länder und Gemeinden zuständig, fügte er hinzu. Ralph Schallmeiner (Grüne) verwies auf eine Bund-Länder-Vereinbarung, die einen Automatismus bei der Spitalsfinanzierung vorsehen würde. Der Gesundheitsminister habe bereits angekündigt, dies bei den nächsten Verhandlungen zum Finanzausgleich reparieren zu wollen, betonte er.
FPÖ kritisiert „falsches Budget“
Von einem „falschen Budget“ sprach der ehemalige FPÖ-Staatssekretär Hubert Fuchs. Es berücksichtige nur den Lockdown-light, aber nicht den jetzigen harten Lockdown. Somit verstoße das Budget dem Grundsatz der Budgetwahrheit. Auch seine Klubkollegen Michael Schnedlitz und Axel Kassegger beanstandeten einmal mehr den „Pfusch rund um das Budget“ und dass die „Koste es was es wolle-Strategie“ des Bundeskanzlers nicht zielführend sei. Das Budget zeichne sich dadurch aus, in allen Bereichen mehr auszugeben, man habe aber nicht so gut gewirtschaftet, um sich diese Erhöhungen leisten zu können. Laut Kassegger drohen durch den hohen Schuldenberg von 350 Mrd. € Steuererhöhungen sowie Pensions- und Sozialkürzungen. Unter diesem Aspekt kritisierte Dagmar Belakowitsch (FPÖ) auch die geplanten Massentests. Diese habe man nicht nur überteuert eingekauft, sagte sie, sie stellte auch die Vermutung in den Raum, dass die Regierung damit einen Probelauf für Zwangsimpfungen startet.
Harsche Kritik übte Fuchs daran, dass das Gesetz, mit dem die Förderungen für Unternehmen an das steuerliche Wohlverhalten geknüpft werden, erst ab 2021 und nicht rückwirkend gilt. Dem widersprach Karlheinz Kopf seitens der ÖVP heftig. Schon jetzt seien in den einzelnen Gesetzen über die jeweiligen Fördermaßnahmen Bestimmungen enthalten, die Steuersünder von den Förderungen ausschließen. Nun gebe es mit dem genannten Gesetz über das steuerliche Wohlverhalten eine generelle Regelung, welche Richtlinien in einzelnen Gesetzen nicht mehr erforderlich mache. Außerdem widerspreche es rechtsstaatlichen Grundsätzen, rückwirkend Förderbedingungen zu ändern.
NEOS: Geld wird nicht richtig eingesetzt
Es sei zwar richtig, in Zeiten wie diesen mehr Geld in die Hand zu nehmen, die Regierung setze das Geld aber falsch ein, so der Befund der NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer. Es fehle der Regierung an Umsetzungskompetenz. Dem Erfordernis, die Mittel treffsicher, fair und gerecht zu vergeben, werde nicht Rechnung getragen. Auch die Nachvollziehbarkeit sei nicht gegeben. Doppelbauer machte dies am Beispiel des Umsatzersatzes fest. Dieser sei im Grunde genommen richtig, es komme aber teilweise zu einer Überförderung, manche Unternehmen würden das Geld zur Abdeckung der Schulden aus 2018 verwenden, merkte sie kritisch an.
ÖVP: Budget ist auf Grundlage neuester Wirtschaftsprognosen erstellt worden
Der oppositionellen Kritik konnte man in den Reihen der ÖVP nichts abgewinnen. Das Budget und der Finanzrahmen seien auf der Grundlage neuer Wirtschaftsprognosen erstellt worden, unterstrich Andreas Hanger. Man könne auch nicht voraussehen, wie sich die Pandemie im nächsten Jahr entwickelt, auch wenn die Aussicht auf einen Impfstoff groß sei. Noch nie habe es so viel Geld für Arbeitsmarkt und Wirtschaft, Klimaschutz und Sicherheit gegeben, führte er aus. Ihm pflichtete sein Klubkollege Gabriel Obernosterer vollinhaltlich bei. Das durch den Finanzminister erstellte Budget sei auch im internationalen Vergleich das beste Paket zur Bekämpfung der COVID-19-Folgen, konstatierte Obernosterer. Dabei würden auch ausreichend Mittel für „Investitionen in die Zukunft“ bereitgestellt werden, entgegnete er der Oppositionskritik, dass dieses Budget sich nicht mit den Zukunftsfragen beschäftigen würde.
Hanger fand auch lobende Worte für das Finanzministerium, das in unglaublicher Geschwindigkeit Finanzpakete auf den Weg bringe. Insbesondere hob er den Umsatzersatz und das kommunale Investitionsgesetz hervor, beides zeigten Wirkung. Außerdem sprach Hanger unter Hinweis auf Sicherheitskonzepte die Hoffnung aus, dass die Schigebiete öffnen. Dies sei für die Volkswirtschaft enorm wichtig, sagte er.
Grüne: Budget sichert zukunftsweisende Investitionen
Im Budget widerspiegeln sich zukunftsträchtige Investitionen, entgegnete auch Jakob Schwarz (Grüne) der oppositionellen Kritik. Die zusätzlichen Mittel für den Klimaschutz, die Umweltförderungen und erneuerbare Energien würden helfen, Österreich zu einem Vorreiter in diesen Bereichen zu machen, zeigte er sich überzeugt.
Mit dem Budget und dem Bundesfinanzrahmen stelle man Weichen für die Zukunft betonte auch seine Klubkollegin Elisabeth Götze. Die Regierung stelle rund 16 Mrd. € zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Krise zur Verfügung, hob sie hervor, gleichzeitig werde die Konjunktur belebt. Götze hob vor allem auch die Investitionsprämie hervor, mit der ökologische, digitale Investitionen und Investitionen in den Gesundheitsbereich gefördert werden. Dazu komme das kommunale Investitionspaket, der Verlustrücktrag und die degressive Abschreibung. Sie zeigte sich auch zufrieden damit, dass trotz der aktuellen schwierigen Situation Schritte zur Bewältigung der Klimakrise gesetzt werden, etwa durch Maßnahmen in Richtung ökosoziale Steuerreform, durch den Ausbau erneuerbarer Energien, der öffentlichen Verkehrsmittel und der E-Mobilität. Zusätzlich gebe es Investitionen in neue Technologien und in die Bildung. Auch das Frauenbudget werde erhöht.
Debatte über Budgetmittel für PR-Aktivitäten der Bundesregierung
Große Aufregung gab es über die Absicht der Bundesregierung, über 180 Mio. € für Inserate ausgeben zu wollen und dafür eine internationale Ausschreibung in die Wege geleitet zu haben. Darüber hinaus seien 30 Mio. € für PR-Aktionen vorgesehen. Die Diskussion brachte zunächst Kai Jan Krainer von der SPÖ ins Rollen. Er stellte dieser Summe die 7 Mio. € für Gewaltschutz sowie die Abschaffung der Hacklerregelung mit einem Volumen von 30 bis 40 Mio. € und die notwendigen Ausgaben für die noch fehlenden Laptops für die SchülerInnen entgegen. Der Regierung ist offensichtlich die Eigenwerbung wichtiger, so sein Resümee. Zahlreiche Abgeordnete der Opposition griffen dieses Thema auf und übten diesbezüglich harsche Kritik.
Axel Kassegger brachte seitens der FPÖ dazu einen Entschließungsantrag ein, in dem die Freiheitlichen völliges Unverständnis für die Ausgabe von 210 Mio.€ für PR-Zwecke äußern und die Bundesregierung auffordern, die PR-Aufträge zu widerrufen. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.
Elisabeth Götze und Jakob Schwarz (beide Grüne) verteidigten die diesbezüglichen Ausgaben. Dabei handle es sich um Rahmenvereinbarungen, betonte Schwarz und meinte, man werde die Summe nicht ausschöpfen. „Die 180 Millionen sind natürlich zu hoch“ sagte er. Man könne aber nicht voraussehen, ob es nicht auch in den nächsten Jahren zu durchgängigen Epidemien komme, was er nicht hoffen wolle. Es gehe auch um eine transparente Darstellung der Maßnahmen, ergänzte Götze. Man müsse die Bevölkerung über Maßnahmen informieren, denn die BürgerInnen müssten wissen, welche Umstellungen kommen und wie diese umgesetzt werden. (Schluss Nationalrat) jan/med
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