100 Jahre B-VG und Hans Kelsen: Literaturfestival "Österreich liest" machte Station im Parlament | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

100 Jahre B-VG und Hans Kelsen: Literaturfestival „Österreich liest“ machte Station im Parlament

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Wien (PK) – Anlässlich des 100-jährigen Bestehens der Bundesverfassung machte das Literaturfestival „Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek“ auf Einladung von Parlamentsdirektor Harald Dossi Station in der Parlamentsbibliothek. Unter dem Titel „Hans Kelsen – ein Leben für das Recht und die Demokratie“ sprach der Leiter der Abteilung Parlamentswissenschaftliche Grundsatzarbeit in der Parlamentsdirektion Christoph Konrath mit Thomas Olechowski, Universitätsprofessor am Institut für Rechts- und Verfassungsgeschichte der Universität Wien, über Hans Kelsens Wirken und seinen Einsatz für die Bundesverfassung.

Im Mittelpunkt des Fachgesprächs standen die Lebens- und Wirkungsgeschichte des damaligen Juristen, von der Beleuchtung der Existenzkrise der Demokratie, die Kelsens frühes Wirken prägte, bis hin zu seinem Einsatz für Rechtstheorie und die Zusammenhänge von Bildung und Verfassung. Zur Begrüßung leitete Parlamentsdirektor Dossi das Gespräch über die Entstehung der österreichischen Bundesverfassung und zur Bedeutung von Hans Kelsen ein.

Hans Kelsen als „Architekt der Bundesverfassung“

Thomas Olechowski, auch Geschäftsführer des Hans-Kelsen-Instituts, hat mit einer Kelsen-Biografie aktuell die erste umfassende Darstellung des Lebens von Hans Kelsen publiziert. Christoph Konrath ging dazu auf die unterschiedlichen Etappen in Kelsens Leben ein, das durchaus „keines zwischen Büchern war“, wie er sagte. Hans Kelsen werde oft als „Vater der Bundesverfassung“ bezeichnet, stellte Konrath eingangs in den Raum.

Viele Politiker, etwa Karl Renner, Otto Bauer, Michael Mayr oder Ignaz Seipel, aber auch wissenschaftliche Mitarbeiter haben damals an der Entstehung der Verfassung mitgewirkt, so Olechowski. Der Jurist Kelsen habe die Bundesverfassung allerdings am meisten geprägt – von der Erstellung der ersten Entwürfe bis hin zur Beschlussfassung 1920 und darüber hinaus. Er würde ihn vielmehr als „Architekten der Bundesverfassung“ bezeichnen, so der Experte. Die Verfassung sei noch heute von Kelsens Geist geprägt.

Hans Kelsens Weg sei kein leichter gewesen, zeichnete Olechowski Kelsens jüdische Herkunft und seinen Bildungsweg über das Akademische Gymnasium in Wien bis hin zur Habilitation über die „Hauptprobleme der Staatsrechtslehre“ nach. Durch Zufall sei Kelsens Genie erkannt worden, sodass er zum Berater des damaligen Staatskanzler Karl Renner aufstieg.

Mit der „transzendentalen Methode“ habe Hans Kelsen tradierte Lehrmeinungen beiseitegeschoben und in Form der „Reinen Rechtslehre“ versucht, das Recht von aller Psychologie und Politik zu trennen -etwa, dass ein „Wollen“ im juristischen Sinn nicht auch eines im psychologischen Sinn sein müsse, so der Experte. Im Umfeld des österreichischen Vielvölkerstaates, im „Schmelztiegel“ Wien sei Kelsen wohl zu seiner berühmtesten These gekommen: Das Gemeinsame sei nur die Rechtsordnung, „der Staat ist nichts anderes als die Rechtsordnung selbst“, erörtere Olechowski. Kelsen habe damit aber auch tradierte Bilder „über den Haufen geworfen“ und entsprechend energische Gegner gehabt.

Nicht zuletzt basiere auch die österreichische Verfassungsgerichtsbarkeit auf Kelsen, die in ihrer Art später vielfach nachgeahmt worden sei. Als Richter am Verfassungsgerichtshof habe sich Kelsen im Zusammenhang mit Scheidungsrecht für die Möglichkeit einer zweiten Ehe exponiert – Kritik daran habe zusammen mit antisemitischen Anfeindungen letztlich dazu geführt, dass er Wien verließ und nach Köln ging. Im zweiten Weltkrieg habe sich dann der Jurist im Alter von 60 Jahren in Amerika eine völlig neue Existenz schaffen müssen und wurde „mit viel Glück“ 1945 Professor in Berkeley, berichtete Thomas Olechowski.

Als Verteidiger der Demokratie habe Kelsen immer auch die Entwicklungen in der Realität mitverfolgt und nicht im „Elfenbeinturm“ gearbeitet, so der Experte, der auch von Kursen über Staatslehre für einfache ArbeiterInnen erzählte, die Kelsen abgehalten habe. Nicht zuletzt aufgrund der Auffassung, dass nicht jeder Bürger über alle Gesetze Bescheid wissen könne, habe Kelsen den Parlamentarismus als die einzig mögliche Form, wie Demokratie verwirklicht werden kann, gegen alle Einwände verteidigt.

Informationen zur Biographie „Hans Kelsen – Biographie eines Rechtswissenschaftlers“ von Thomas Olechowski finden sich unter diesem Link. Das gesamte Programm des Literaturfestivals „Österreich liest. Treffpunkt Bibliothek“ ist via www.oesterreichliest.at abrufbar. (Schluss) mbu

HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie auf der Website des Parlaments. Die Veranstaltung wurde via Livestream auf der Website des Parlaments übertragen und steht dort als Video-on Demand zur Verfügung.

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