TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Neue Perspektiven für Spitalsreformen“, von Peter Nindler

Innsbruck (OTS) – Die Corona-Pandemie hat die Pläne für Veränderungen im Spitalswesen auf den Kopf gestellt. Sie müssen neu gedacht werden, um das Gesundheitssystem krisenfest zu machen und den Versorgungsauftrag weitgehend zu gewährleisten.

Das Gesundheitssystem ist am Anschlag, die Spitäler sind am Limit. Noch vor zweieinhalb Jahren wurde in Tirol eine Spitalsreform verabschiedet, bis 2025 sollte die Anzahl der Spitalsbetten auf unter 4000 gedrückt werden. 222 Betten weniger waren geplant. Das und die bessere Abstimmung der medizinischen Leistungen unter den neun öffentlichen Krankenanstalten besonders in der Inntalfurche schilderte den politischen Pfad der Kostendämpfung aus. Die Corona-Pandemie stellte die stationäre Wende jedoch auf den Kopf. Die Ausgaben für das Gesundheitswesen in Tirol werden Ende 2023 die Milliarden-Grenze überschreiten. Ist die Reform deshalb gescheitert? Jein, sie muss allerdings neu gedacht werden.
Corona hat die Perspektive verschoben und die Gesundheitsökonomen ebenfalls korrigiert. Mit den bestehenden Strukturen konnten die medizinischen Herausforderungen zwar noch bewältigt werden, weil es genügend (Intensiv-)Betten gibt, Ärzte und Pflegepersonal Übermenschliches leisten und die Vernetzung unter den Spitälern vorbildlich abläuft. Nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie. Denn Winter für Winter ist der Spitalsalltag in den vergangenen Jahren zur Belastungsprobe und der Verletzungsgrad der verunfallten Wintersportler zunehmend schwerer geworden.
Dass während einer Pandemie Einschränkungen von nicht zeitlich gebundenen Routineoperationen in den Spitälern notwendig sind, das haben Krisen so an sich. Die Reduktion des Leistungsangebots auf unter 50 Prozent des Normalbetriebs an der Innsbrucker Klinik trifft hingegen den Versorgungsauftrag der Tiroler Bevölkerung mit voller Härte. Die Kapazitäten wären weiterhin vorhanden, doch vielerorts fehlt Personal. Dazu kommen noch die nach wie vor überlasteten Ambulanzen. Und schlussendlich fehlt das Geld an allen Ecken und Enden.
Die Gesundheitspolitik soll derzeit hauptsächlich funktionieren und läuft vorzugsweise im Krisenmodus. Trotzdem sollten Reformen unter dem nachhaltigen Eindruck der Pandemie bereits mitgedacht werden. Es benötigt mehr Flexibilität bei den Intensivbetten, die interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Kliniken muss weiter intensiviert werden. Klinisches Kirchturmdenken hat ausgedient, außerdem wird das Personal neben der „Hardware“ zum wichtigsten Kapital.
Ärztezentren oder Primärversorgungseinheiten sind ein Gebot der Stunde, um die Spitalsambulanzen generell sowie an den Tagesrandzeiten und Wochenenden zu entlasten. Für Post-Corona müssen deshalb schon jetzt die richtigen Lehren gezogen werden.

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