SPÖ bringt Bundestrojaner vor Verfassungsgericht und kündigt Sicherheitsenquete an

Wien (OTS/SK) – Die Einführung der Online-Überwachung durch den Bundestrojaner hört sich technisch an, ist aber für den demokratischen Rechtsstaat und die Freiheit der BürgerInnen eine massive Gefährdung. Dagegen wird sich die SPÖ mit einem Drittelantrag im Bundesrat wehren und am Montag eine Anfechtung vor dem Verfassungsgericht einbringen, wie SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim und die stv. Fraktionsvorsitzende der SPÖ-Bundesräte Elisabeth Grimling heute, Freitag, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Rechtsanwälten Ewald Scheucher und Alexander Czadilek ankündigten. Jarolim bezeichnete die Einführung des Bundestrojaner als „tiefen Eingriff in die persönlichen Rechte der Österreicherinnen und Österreicher, da nicht nur die Handys, Laptops und PCs der Betroffenen überwacht werden können, sondern auch deren Bekannte und Familien. Die SPÖ muss hier die Notbremse ziehen, denn die Welt danach wird eine andere sein.“ Außerdem kündigt Jarolim für das erste Halbjahr 2019 eine Sicherheitsenquete an, um bereits bestehende Überwachungsmaßnahmen zu evaluieren und Verbesserungen anzuregen. ****

„Bespitzelung, Ausspähung und Gedankenpolizei gehören zu den brennendsten Themenstellungen der Zukunft“, so Jarolim, der durch das Überwachungspaket der schwarz-blauen Regierung Grenzen überschritten sieht, die nicht überschritten werden dürfen. „Wir werden hier einer Gefährdung ausgesetzt, die nicht notwendig ist“, sagt der SPÖ-Justizsprecher, der betonte, dass sich die SPÖ stets „vehement gegen den Bundestrojaner ausgesprochen hat.“ Jarolim verwies dabei auch auf eine Aussendung des damaligen FPÖ-Oppositionspolitikers Kickl, der 2017 in einer Aussendung das von der ÖVP geplante Überwachungspaket scharf kritisiert hatte und mit dem „flächendeckenden Kontroll- und Überwachungssystem der DDR“ verglich. Heute stehe Kickl „auf dem Kopf“, da er mehr als alle anderen an der Umsetzung des Überwachungsstaats interessiert ist, so Jarolim.

Zusätzlich zur Verfassungsklage kündigte Jarolim eine Sicherheitsenquete der SPÖ an, „um zu überprüfen, welche Möglichkeiten der Staat bereits heute zur Überwachung von Kriminellen hat und wie diese besser genutzt werden können.“ Vielfach sei es der Fall, dass „die normalen, handwerklichen Maßnahmen der Kriminalpolizei nicht angewendet werden können, weil die Polizei schlichtweg schlecht ausgestattet oder unterbesetzt ist.“ Das Überwachungspaket gaukle demgemäß Sicherheit vor, die über andere Wege zu garantieren wäre. Jarolim schlägt daher vor, bei der Enquete eine „Überwachungsgesamtrechnung“ anzustellen, um bereits vorhandene Überwachungsmaßnamen zu evaluieren und tatsächliche Verbesserungen für die Polizei zu ermöglichen. Zur Mitwirkung lädt er dazu alle PolitikerInnen der Regierungs- und Oppositionsfraktionen sowie Expertinnen und Experten ein.

„Der Schritt vor den Verfassungsgerichtshof durch die Bundesratsfraktion der SPÖ dokumentiert, welch wichtige demokratische Rolle der Bundesrat hat“, sagte SPÖ-Bundesrätin Grimling. „Wir sind der Meinung, dass einzelne Bestimmungen des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes 2018 verfassungswidrig sind“, so Grimling, die die Gefährdung jedes einzelnen Österreichers hervorhob:
„Der Bundestrojaner ebnet den Weg in eine unerträgliche Überwachungsgesellschaft, in der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger schwer missachtet werden.“ Um Datenschutz, das Familienleben und die Unschuldsvermutung auch im digitalen Bereich zu schützen, fordert die SPÖ daher auch, ein „IT-Grundrecht“ zu schaffen und damit den Herausforderungen des digitalen Zeitalters zu begegnen.

Ewald Scheucher erläuterte, dass die vorliegende Verfassungsklage gegen das Sicherheitspaket nur den Bundestrojaner betreffe, „andere Bereiche wie Video- und Kennzeichenüberwachung kommen noch.“ Die Klage sei deshalb notwendig, da es sich um den „Embryo einer Gedankenkontrolle handelt“, so Scheucher, der davor warnte, dass die Online-Überwachung von privaten Lebensäußerungen erlaube, Schlüsse über Menschen zu ziehen. „Jemand, der technisch die Möglichkeiten hat, diese Daten auszuwerten, kennt Sie besser als Sie sich selbst“, so der Anwalt. „Hier stellt sich natürlich die Frage: Wo ist Schluss?“, so Scheucher, der eindringlich vor der „Überwachung 4.0“ warnte.

Der Staat – und ganz besonders das BVT – komme durch das neue Gesetz in die prekäre Situation, auf der einen Seite für die Sicherheit der Infrastruktur und der Menschen zuständig zu sein, auf der anderen Seite aber die entsprechenden Sicherheitslücken durch Schadsoftware, an denen der Bundestrojaner zur Online-Überwachung anknüpft, offen halten zu müssen, erläuterte Alexander Czadilek. Dies könnten auch Kriminelle nutzen, die technisch in der Lage sind, „bewusst falsche Fährten zu legen“, um der polizeilichen Überwachung zu entgehen. Nicht zuletzt deshalb ist die Sinnhaftigkeit der Online-Überwachung grundsätzlich zu hinterfragen. (Schluss) ls/mr

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