„Gegenmodell zu Putins Handlangern“: NEOS regen in Europastunde Weiterentwicklung der EU an
Für die „Weiterentwicklung eines geeinten, freien und starken Europas als Gegenmodell zu Putins Handlangern“ plädierten die NEOS in der heutigen aktuellen Europastunde und setzten damit geopolitische Grundsatzfragen auf die Tagesordnung der heutigen Nationalratssitzung.
Außenministerin Beate Meinl-Reisinger sprach angesichts globaler Machtverschiebungen von einem historischen „Wendepunkt“ und warb für eine Stärkung der europäischen Wettbewerbs – und Verteidigungsfähigkeit. Während die NEOS vor inneren und äußeren Bedrohungen europäischer Souveränität warnten und eine klare Stärkung der EU einforderten, kritisierte die FPÖ die „Scheinmoral“ der EU und der „Systemparteien“, die Europa in einen „fremden Krieg“ und in den „wirtschaftlichen Abgrund“ führen wollten. Die ÖVP verwies auf bereits erzielte Fortschritte etwa bei Energieimporten und der Sicherheitskooperation, ortete aber Reformbedarf insbesondere im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit. Die SPÖ betonte die Notwendigkeit europäischer Einigkeit in Sicherheitsfragen und warnte vor „geopolitischen Ermüdungserscheinungen“, während die Grünen angesichts russischer Aggression eine selbstbewusste europäische Sicherheits-, Wirtschafts- und Digitalpolitik einforderten.
NEOS und Meinl-Reisinger plädieren für Stärkung Europas gegen äußere und innere Feinde
Angesichts geopolitisch „sehr herausfordernder Zeiten“ habe sich in Europa ein „Gefühl der Verunsicherung“ ausgebreitet, attestierte Außenministerin Beate Meinl-Reisinger. Dieses rühre daher, dass Autokratien „am Vormarsch“ seien und die „Stärke des Rechts“ global immer mehr zugunsten des „Rechts des Stärkeren“ zurückgedrängt werde – durch wirtschaftliche Erpressung, Protektionismus und militärischen Druck. Dass auf europäischen Boden kein Krieg mehr stattfinden könne, sei spätestens seit 2022 „als Illusion enttarnt“ worden, ebenso wie die Vorstellung, man könne die eigene Energieversorgung nach Russland, die Produktion nach China und die Sicherheit in die USA „auslagern“. Meinl-Reisinger sieht Europa daher an einem „Wendepunkte der Geschichte“, an dem es sich entscheiden müsse, ob es künftig ein „Spielball globaler Akteure“ oder selbst zum eigenständigen Akteur werden wolle, der an seinen Werten wie einer offenen und demokratischen Gesellschaft festhalten könne. Um letzteres zu erreichen, gelte es, einige „Hausaufgaben“ zu erledigen, wie die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, etwa durch Entbürokratisierung, sowie der Verteidigungsfähigkeit. Diese Entscheidung sei jetzt zu treffen, da die Geschichte „nicht innehalten und auf uns warten“ werde, so Meinl-Reisinger.
„Europas Feinde“ säßen allerdings nicht nur in Moskau oder Washington, sondern auch in den meisten europäischen Parlamenten, führte Yannick Shetty (NEOS) aus. So sei es etwa der „klammheimliche Plan“ der FPÖ, die europäische Souveränität „systematisch zu untergraben“. FPÖ-Chef Herbert Kickl würde so wie der ehemalige russische Präsident und Ministerpräsident Dmitri Medwedew „applaudieren“, wenn US-Milliardär Elon Musk mit seinem sozialen Netzwerk „X“ bewusst gegen europäische Regelungen verstoße. In der neuen Sicherheitsstrategie der USA sei sogar vorgesehen, populistische Parteien zu unterstützen, während die EU darin als „Gegner“ betrachtet werde, erklärte Shetty. Dies wäre als „direkter Eingriff“ einer fremden Macht zu betrachten. Gegen derartige Tendenzen gelte es laut Shetty, die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu setzen. Europa müsse sich die „Schlüssel“ zu seiner Sicherheit, Energieversorgung und Wirtschaft wieder aus Washington, Peking und Moskau zurückholen, plädierte auch EU-Abgeordnete Anna Stürgkh (NEOS).
Europa habe die Menschenrechte, die soziale Marktwirtschaft und „die größte Friedensordnung in der Menschheitsgeschichte“ geschaffen, plädierte Dominik Oberhofer (NEOS) für mehr europäisches Selbstbewusstsein. Russland fürchte diese Wertegemeinschaft. Zudem stelle die EU mit 450 Millionen Einwohnern den größten Binnenmarkt der Welt dar. Da es aktuell eine „massive Gegenbewegung zum Siegeszug der liberalen Demokratie“ gebe, müsse sich Europa „klar an die Seite der freien Welt“ stellen, betonte Nikolaus Scherak (NEOS). Es gelte, „Schulter an Schulter mit Gleichgesinnten“ zu stehen und auch die „transatlantischen Brücken“ nicht abzubrechen, um etwa den Freihandel zu verteidigen, der Europas Wohlstand zugrunde liege.
FPÖ prangert „Scheinmoral“ von „Systemparteien“ und EU an
Die NEOS und die anderen „Systemparteien“ seien „benebelt von ihrer moralisierenden Selbstgefälligkeit“, konstatierte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Wenn die FPÖ sich angesichts eines Krieges für die Neutralität stark mache, dann sei sie kein „Handlager Putins“, sondern vertrete einen Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung. Wenn sie sich für den Bezug günstigen Gases unter anderem aus Russland ausspreche, dann nehme sie die „Sorgen und Nöte“ der Bevölkerung ernst und wenn sie ein „Durchbrechen der Eskalationsspirale“ in der Ukraine fordere, handle sie im Interesse von Eltern, die nicht wollen, dass ihre Kinder in einen Krieg hineingezogen würden. Unter anderem die Europäische Kommission und die ehemalige US-Regierung unter Joe Biden trügen die Verantwortung für hunderttausende Tote und des wirtschaftlichen Niedergang Europas, so Kickl. Wenn jemand im Interesse Russlands handle, dann seien es die europäischen „Kriegstreiber“, die die ukrainische Bevölkerung für ihre eigene „Scheinmoral“ opferten.
In der Sicherheitsstrategie der USA gelte die EU zurecht nicht mehr als verlässlicher Partner, da sie in ihren Handlungen als „selbstzerstörerisch, überheblich und unzurechnungsfähig“ zu betrachten sei, führte Susanne Fürst (FPÖ) aus. Sie beschädige mittels Klimapolitik ihre eigene Wirtschaft, versenke Milliarden im „Korruptionssumpf“ Ukraine und lasse sich dank offener Grenzen „überlaufen“. Bei den Verhandlungen zur Beendigung des Ukraine-Krieges spiele die EU nun „überhaupt keine Rolle mehr“. Europa könne nur stark sein, wenn auch seine Bürger und Mitgliedstaaten „frei und stark“ seien, erklärte Fürst. Doch seine Bürgerinnen und Bürger hätten weder dem „bürokratischen Apparat der EU“ zugestimmt, noch wollten sie in einen „fremden Krieg“ hineingezogen werden.
„Hypermoralisierende EU-Politiker“ missbrauchten das Leid der Ukrainerinnen und Ukrainer, um immer mehr Kompetenzen nach Brüssel zu schieben, sagte EU-Abgeordnete Petra Steger (FPÖ). Sie kritisierte insbesondere NEOS-Abgeordnete, die speziell US-amerikanische Politiker auf sozialen Medien „beschimpft“ und somit „diplomatischen Selbstmord mit Ansage“ begangen hätten.
ÖVP ortet Fortschritte aber auch Reformbedarf der EU
Das „Hickhack“ zwischen FPÖ und NEOS sei angesichts der Bedrohungslage und einer „extrem polarisierten Welt erbärmlich“, konstatierte Gudrun Kugler (ÖVP). Hinsichtlich der ökonomischen und der Sicherheitslage Europas müssten nun Lösungen gefunden werden. Die US-Sicherheitsstrategie beinhalte durchaus ein „Körnchen Wahrheit“, was etwa Wirtschaft, Geburtenraten und Migration betreffe. So spreche diese von einer „zivilisatorischen Auslöschung“ Europas, gleichzeitig mache die EU jedoch Fortschritte bei der Bekämpfung illegaler Migration. Auch sei der Anteil Europas am Weltmarkt tatsächlich deutlich zurückgegangen, doch liege er immer noch höher, als sein Anteil an der Weltbevölkerung. Zudem bestätige auch die Sicherheitsstrategie, dass Europa auf einigen Sektoren sehr „robust“ dastehe, so Kugler. Es gebe also „etwas, das wieder aufgebaut werden“ könne.
Verbessert habe sich Europa vor allem hinsichtlich der Energieimporte, erklärte Christoph Zarits (ÖVP). Seien vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine noch rund 40 % des Erdgases aus Russland bezogen worden, befinde man sich nun bei etwa 10 %. Außerdem würde nun circa 300 Mrd. Ꞓ jährlich in die Verteidigung investiert, wobei hier eine bessere Koordinierung nötig sei.
Auch die European Sky Shield Initiative stelle einen wesentliche Fortschritt in der Stärkung Europas dar, wie EU-Abgeordnete Angelika Winzig (ÖVP) ausführte. Verbesserungsbedarf sieht sie im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit, da unter anderem die europäischen Bemühungen in Richtung Dekarbonisierung zu „minimalistischen Wachstumsraten“ geführt hätte. Der Entbürokratisierung, der Produktivitätssteigerung und der Vollendung des Binnenmarkts seien nun höchste Priorität einzuräumen, unterstrich Winzig.
SPÖ: Europa braucht nun Einigkeit
Europas Stärke zeige sich „nicht nur in seinen Waffenlagern“, sondern vor allem in seiner Fähigkeit, nachhaltigen Frieden zu verhandeln, erklärte Robert Laimer (SPÖ). Derzeit entstehe eine „gefährliche Dynamik“, in der Europa gegenüber anderen Weltmächten „zwischen Solidaritätsbekenntnissen und geopolitischen Ermüdungserscheinungen zusehends abdriftet“. Es habe an „strategischer Selbstsicherheit“ verloren, so Laimer und müsse sein Handeln reflektieren. Die „Vereinigten Staaten von Europa“ würden „noch lange eine Vision“ bleiben, doch in Fragen von Krieg und Frieden brauche es jetzt schon „Einstimmigkeit“ innerhalb der EU. Sicherheit entstehe nur durch „Solidarität, gemeinsame Verantwortung und Einigkeit“, pflichtete EU-Abgeordnete Evelyn Regner (SPÖ) bei.
Europa bestehe nicht nur aus Verträgen, Institutionen und Haushaltszahlen, sondern bedeute auch das politische Versprechen, dass nie wieder das „Recht des Stärkeren über die Stärke des Rechts gestellt werde“, führte Pia Maria Wieninger (SPÖ) aus. Dieses Versprechen gerate zunehmend durch autoritäre Regime aber auch politische Kräfte innerhalb Europas unter Druck, verwies sie auf die FPÖ. Europa müsse „mit einer Stimme sprechen“, wozu es einer Reform der Entscheidungsstrukturen brauche. Jüngste Entwicklungen rund um das Lieferkettengesetz machten die EU laut Wieninger „unglaubwürdig“, was insbesondere vor dem Hintergrund etwaiger Erweiterungsbestrebungen kontraproduktiv sei.
Grüne: EU muss sich selbst auf die Beine stellen
Putin teste Europas Solidarität, zeigte sich Meri Disoski von den Grünen überzeugt. Die russischen Drohnenflüge über europäischen Städten seien „klare Warnsignale“, die er „aus Angst vor einem freien Europa“ setze. Die EU müsse sich nun vor allem in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft aber auch in der digitalen Welt „selbst auf die Beine stellen“, forderte Disoski. Dazu gehöre der Schutz gegen jene, „die unsere Gesellschaft vergiften“, was nicht als Zensur zu werten sei.
EU-Abgeordnete Lena Schilling (Grüne) sprach von einer „unheiligen Dreieinigkeit“ von der extremen Rechten Europas, jenen, die die Demokratie in den USA zerstörten und der russischen „Diktatur“. Diese wollten ein starkes, freies und geeintes Europa verhindern. Die EU habe mit dem Ausstieg aus russischem Gas, die „toxische Beziehung“ zu Russland beendet, so Schilling. Hier dürfe es „kein Wanken“ geben, auch wenn die FPÖ in „den Schoß Putins“ zurückkehren wolle.
Die FPÖ „spielt Putins Spiel“ und verrate damit Österreich, konstatierte David Stögmüller (Grüne). Gegenüber Russland benötige es Klarheit, was etwa das Bekenntnis zur European Sky Shield Initiative (ESSI) betreffe. Ein eindeutiges Zeichen der Bundesregierung fehle hier aber noch. Außerdem fragte Stögmüller, wann die aktualisierte österreichische Sicherheitsstrategie vorgelegt werde. Der Ausstieg aus russischem Gas bis 2027 dürfe daraus nicht gestrichen werden, plädierte er. (Fortsetzung Nationalrat) wit
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