Spurensuche: Kunstprojekt erinnert an Deportation von Kärntner Sloweninnen und Slowenen im Zweiten Weltkrieg
Der 14. und der 15. April 1942 markieren den Höhepunkt der vom NS-Regime durchgeführten Deportation von Kärntner Sloweninnen und Slowenen. Etwa 1.000 Personen wurden unter dem Decknamen "K-Aktion" in unterschiedliche Lager verbracht und in Fabriken, Haushalten, Steinbrüchen und Rüstungsbetrieben ausgebeutet. Gestern Abend wurde im Parlament die Ausstellung des Kunst-, Musik- und Literaturprojekts SPUREN. SLEDI eröffnet, das die damaligen Vorgänge und die Geschichten der Betroffenen reflektiert. Sie wird vom 21. bis zum 29. Februar 2024 in der Säulenhalle gezeigt.
Nach einleitenden Worten von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka fand ein Gespräch mit dem Kurator der Ausstellung, Karl Vouk, statt. Darauf folgte ein Referat der Historikerin Brigitte Entner mit dem Titel "Volks- und staatsfeindlich"/"Narodu in državi sovražni". Gabriel Lipuš und Roman Pechmann brachten eine musikalische Vertonung des Gedichtzyklus "Leere Bahnsteige / Prazni peroni" von Fabjan Hafner (1966-2016) dar und die Schauspieler:innen Katarina Hartmann und Michael Kristof-Kranzelbinder lasen aus Briefen von Deportierten.
Sobotka: Müssen aus der Geschichte lernen und das Gemeinsame vor das Trennende stellen
Die Traumata, die die Deportation und Vertreibung bei den 227 betroffenen Familien ausgelöst haben, wirkten bis heute fort, erklärte Nationalratspräsident Sobotka in seinen einleitenden Worten. Während die Schuld daran individuell von jenen zu tragen sei, die diese Verbrechen vollzogen oder unterstützt haben, liege die Verantwortung für die Bewusstmachung dieser Verbrechen bei der gesamten Gesellschaft. Sobotka erinnerte an die Kärntner Volksabstimmung 1920, bei der auch ein erheblicher Teil der Kärntner Slowen:innen für den Verbleib bei Österreich gestimmt habe. Diese seien jedoch sehr bald "bitter enttäuscht" worden, da sie sich bereits in der Ersten Republik mit einer klaren Ausgrenzungspolitik konfrontiert gesehen hätten. Der Nationalsozialismus habe schließlich jene Gräueltaten gebracht, an die die Ausstellung erinnern soll. Die künstlerische Umsetzung des Erinnerns, so Sobotka, könne oft mehr ausdrücken, als bloße historische Berichte, da Kunst zum Mitdenken und Mitempfinden anrege.
Die Minderheiten in Österreich seien heute ein konstitutiver Teil des Landes, auch wenn es bei der Ausgestaltung ihrer Rechte noch "Luft nach oben" gebe. Das Österreichische Parlament sei in dieser Hinsicht ihr "Anwalt", erklärte Sobotka. Dazu gehöre es auch, die Aufarbeitung der an ihnen begangenen Verbrechen weiterzuführen, damit aus der Geschichte gelernt werden könne. Auch, damit in anderen Teilen Europas das Gemeinsame vor das Trennende gestellt werde, wie Sobotka insbesondere in Hinblick auf den Westbalkan ausführte.
Vouk und Entner über die Schwierigkeiten der Erinnerungskultur
Künstler und Kurator der Ausstellung, Karl Vouk, ging in seinen Ausführungen auf den Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Kunst sowie die Bedeutung von Sprache im öffentlichen Raum ein. Letztere habe sich insbesondere im Kärntner Ortstafelkonflikt manifestiert, der aus seiner Sicht für die slowenische Minderheit noch nicht zufriedenstellend gelöst sei. Die gegenwärtige Praxis der Erinnerungskultur sah Vouk als "fraglich" an, da sie jene nicht erreiche, die sie erreichen müsste. Man bade meist nur "im eigenen Saft".
Historikerin Birgit Entner erörterte das Schicksal der Deportieren und ihrer Hinterbliebenen, dessen Aufarbeitung lange Zeit blockiert gewesen sei. So hätten die Behörden den Organisator:innen von Interessensvertretungen oder Gedenkveranstaltungen "Steine in den Weg gelegt". Außerdem sei es den Betroffenen selbst oft schwer gefallen, das Erlebte zur Sprache zu bringen. Einerseits, da sie ihre Traumatisierungen nicht an die nächste Generation weitergeben wollten und andererseits, weil sie mit den Täter:innen und deren Nachkommen weiterhin in einer Region zusammenleben hätten müssen, so Entner.
Zur Ausstellung
Die Künstlerinnen und Künstler Verena Gotthardt, Katarina Hartmann, Michael Kristof-Kranzelbinder, Gabriel und Marko Lipuš, Tanja Prušnik und Karl Vouk sind Nachfahren der einst Vertriebenen und thematisieren in ihren Werken auch die eigenen Familiengeschichten. So schuf etwa Prušnik mit einer PE-Folie, der Zeichnungen und Zitate aus dem Buch "Gemsen auf der Lawine" ihres Großvaters Karel Prušnik Gašper eingeschrieben sind, eine 10 km lange Installation in einem Graben bei Bad Eisenkappel/Železna Kapla. In der Ausstellung im Parlament sind Bilder der Installation zu sehen. Auch die Werke von Gotthardt, Lipuš und Vouk spüren ihren Vorfahren nach und liefern Beiträge zur Erinnerungskultur in der Sprache der Kunst.
Die in der Säulenhalle gezeigten Fahnen erinnern bewusst an die Hakenkreuzfahnen, die den öffentlichen Raum in der nationalsozialistischen Inszenierung dominierten, und persiflieren deren immanenten Machtanspruch. Als paradoxe Intervention werden an die Stelle des Hakenkreuzes Bildzitate der ausstellenden Künstlerinnen und Künstler gesetzt und im Hintergrund ist jeweils ein Zitat über die "Gnadenleistung des Genickschusses" aus dem Roman "Gramoz/Schotter" von Florjan Lipuš, der in slowenischer Sprache schreibt, zu sehen. (Schluss) wit
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments.
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