Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 18. Dezember 2023. Von PETER NINDLER. "Ohne Verschnaufpause ins neue Jahr". | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 18. Dezember 2023. Von PETER NINDLER. „Ohne Verschnaufpause ins neue Jahr“.

0 260

Die schwarz-rote Landesregierung befindet sich in einer unangenehmen politischen Sandwich-Position: Die Opposition erhöht den Druck, zugleich bringt die Arbeiterkammer als außerparlamentarischer Unruheherd die Koalition unter Zugzwang.

In der Politik gibt es keine Verschnaufpausen mehr. So endet in Tirol das heurige Jahr mit Auseinandersetzungen über den Landesenergieversorger Tiwag bzw. dessen Führungsspitze und beginnt im neuen Jahr im Jänner eben mit einem Sonderlandtag zur Tiwag. Nicht zu vergessen die längst fällige Entscheidung über die Umrüstung der Zillertalbahn auf einen ökologischen Antrieb. Am politischen Hams­terrad sind die Verantwortlichen zum Teil selbst schuld, weil sie anstehende Probleme nicht abarbeiten, sondern die Lösungen vielmehr aufschieben. Und dadurch zu Getriebenen der Opposition werden wie die schwarz-rote Landesregierung.
Wobei in Tirol noch ein Druckpunkt hinzukommt: Die vorherrschende außerparlamentarische Opposition durch die Arbeiterkammer. In der seit 1945 dominierenden Tiroler Volkspartei ist sie auch eine innerparteiliche, der aktuelle Präsident Erwin Zangerl und sein Vorgänger Fritz Dinkhauser haben das als ÖVP-Arbeitnehmervertreter kultiviert. Wobei es bei Dinkhauser 2008 zum Bruch mit der ÖVP kam und er die Liste Fritz gründete.
Ein Jahr nach der Landtagswahl agiert die schwarz-rote Landeskoalition allerdings in einem Umfeld mit wenig politischem und finanziellem Spielraum: Sie muss jedoch lösen, die Opposition nur fordern. Arbeiterkammerpräsident Erwin Zangerl wiederum gefällt sich darin, wenige Wochen vor der Kammerwahl den Druck zu erhöhen. Zugleich spielen ihm die Oppositionsparteien mit dem Sonderlandtag zu den umstrittenen Vertragskündigungen, dem Strompreis und den Schwächen des Tiwag-Managements in die Karten.
Andererseits haben Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) und sein Koalitionspartner Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer (SPÖ) nur ein kleines Zeitfenster, um die unbefriedigende Situation mit der Tiwag, die Zillertalbahn oder den finanziell aus dem Ruder gelaufenen Neubau der Unternehmerischen Hochschule MCI auf Schiene zu bringen. Denn im Februar wird bereits der Wahlkampf in der Landeshauptstadt Innsbruck für die Gemeinderatswahl im April voll durchstarten, gegenteilige Behauptungen sind an politischer Naivität nicht zu überbieten. Die Nationalratswahlen im Herbst 2024 werfen ohnehin bereits ihren Schatten voraus, sie werden die Politik in Tirol ebenfalls beeinflussen und naturgemäß zuspitzen.
Mattle und Dornauer gehen deshalb mit einem Rucksack von unerledigten Aufgaben ins neue Jahr. Im Wissen, dass es noch schwierigere Rahmenbedingungen geben wird als heuer. Nicht, dass man Mitleid mit ihnen haben müsste, aber zumindest drängen sich Zweifel auf, ob sie 2024 tatsächlich politisch entscheidungsfreudig und -fähig sind.

OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Tiroler Tageszeitung

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.