Klimaschutz muss sozial gerecht gestaltet werden: Technologieoffenheit und Öffi-Angebote sichern leistbare Mobilität | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Klimaschutz muss sozial gerecht gestaltet werden: Technologieoffenheit und Öffi-Angebote sichern leistbare Mobilität

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„Grüne Energie“ ist die Basis zukünftiger Mobilität. Weltweit gibt es genug davon, sie muss nur nach Europa gebracht werden. Dafür braucht es Stromleitungen, Pipelines und flüssige synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) als Langzeitspeicher und internationale Kooperationen.

Die Europäische Union will bis 2050 klimaneutral sein, Österreich bereits 2040. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, müssen fossile Energieträger in allen Bereichen so rasch wie möglich durch klimaneutrale Alternativen ersetzt werden. Wie die klimaneutrale Zukunft im Bereich der Mobilität aussehen könnte und welche Lösungen es braucht, damit Mobilität nicht zum teuren Luxusgut wird, darüber sprachen renommierte Expert:innen mit Moderatorin und Volkswirtin Ortrun Gauper im Bund sozialdemokratischer Akademiker:innen (BSA).  

Bernhard Geringer, er leitete über viele Jahre das Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien, stellte in seiner Keynote fest, dass nachhaltige Mobilität unabhängig von der Antriebstechnologie nur über „Grüne Energie“ in Form von Wasser, Wind, Sonne und Bioenergie möglich ist. Dafür sei ein massiver Ausbau erforderlich, da derzeit – je nach Land – lediglich 15 bis 30 Prozent der Primärenergie grünen Ursprungs ist. Geringer merkt außerdem an: „Die im Inland gewonnene Energie muss für die effizienteste direkte Nutzung verwendet werden – etwa für E-Autos oder Fernwärme. Für die Gesamtversorgung reicht das aber bei weitem nicht. Der größte Anteil des Energiebedarfs wird importiert werden müssen. Dafür braucht es E-Fuels sowie Fernleitungen für Strom.“ 

Die Expert:innen sind sich darin einig, dass die zukünftige Mobilität nur durch einen Mix an Verkehrsmitteln – öffentlich, Fahrrad, Schiene, Straße als auch Flugzeug und Schiff – bewältigt werden kann. Geringer: „Jedes Transportmittel hat Stärken und Schwächen, analog ist dies beim Antriebsmittel. Ob Verbrenner, Hybrid, E-Motor oder Turbine – die Strecke und damit Reichweite bestimmt den Antrieb, nicht der Energiewandler.“ Die Kosten für Grüne Energie würden zwar höher sein als für fossile, allerdings halten sich die Unterschiede unter Berücksichtigung der Folgekosten durch den Treibhausgasanstieg aufgrund der fossilen Energien in akzeptablen Grenzen und sind leistbar.  

Klimaschutz ist sozial gerecht zu gestalten

Alois Schroll, Energiesprecher der SPÖ, lenkt den Fokus auf den sozialen Aspekt: „Die weltweite Klimaerhitzung und die damit verbundenen Veränderungen sind nicht mehr nur wissenschaftliche Theorie, sondern längst erlebbare Realität. Auch in Österreich haben wir aktuell einen Sommer voller Wetterkapriolen und einen Herbst mit Rekordtemperaturen hinter uns. Die SPÖ sieht in Energiewende und Klimaschutz eines DER zentralen Themen der Zukunft. Oberste Prämisse muss auch hier die soziale Verantwortung sein. Klimaschutz ist sozial gerecht zu gestalten. Niemand darf zurückgelassen werden, deshalb stellen wir die Fragen der Klimapolitik immer in einen Zusammenhang mit einer solidarischen gerechten Gesellschaft. Das gilt auch und erst recht für alle Fragen, die die Mobilität der Menschen betreffen. Klimafreundliches Verhalten, klimafreundliche Mobilität darf nicht auf den einzelnen abgewälzt werden, sondern es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zumal ein niedriges Einkommen im alltäglichen Leben den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen oft erschwert. Wir bekennen uns klar und deutlich zum Ausbau des öffentlichen Verkehrs, doch wie in so vielen Politikfeldern hat auch hier die Bundesregierung vieles verabsäumt. Gerade im ländlichen Bereich stockt der Bahnausbau, obwohl es gerade dort besonders wichtig wäre, der Bevölkerung leistbare, klimaneutrale Fortbewegungsmöglichkeiten anzubieten. Das österreichweite Klimaticket ist zwar ein guter Anfang, doch es wird noch Adaptierungen brauchen, zumal der Preis für viele Menschen nach wie vor zu teuer ist. Wenn wir wollen, dass möglichst viele auf den klimafreundlichen öffentlichen Verkehr umsteigen, dann sind noch weitere Schritte nötig.“ 

Sylvia Leodolter, Abteilungsleiterin a. D. der AK Wien, Verkehr- und Umwelt, argumentiert in dieselbe Richtung: „Die Mobilitätswende ist keine technologische Frage, sie ist vor allem eine soziale. Es geht darum, leistbare, klimaneutrale Mobilität für alle sicherzustellen. Dazu muss man immer das Gesamtsystem im Auge haben und für die jeweilige Mobilitätsart die gesamtwirtschaftlich effizienteste Lösung – von der Energie- und Fahrzeugerzeugung über den Betrieb inklusive der sozialen Kosten bis zur Entsorgung – zu finden. Wir können uns keine Energieverschwendung leisten, weder beim Strom für E-Fahrzeuge noch bei E-Fuels oder Wasserstoffantrieben. Wenn es um den Personenverkehr geht, dann ist die Zukunft sicher öffentlich und elektrisch. Wenn es um den Güterverkehr geht, liegt der Schlüssel bei fairen Arbeitsbedingungen und Kostenwahrheit für den Straßengüterverkehr und einer gezielten Verlagerungspolitik zur Schiene. Aber wir brauchen hier natürlich auch alternative Antriebe und Treibstoffe. Das gilt ebenso für den Langstrecken-Flugverkehr. Auf den Kurzstrecken ist die Bahn die beste Alternative." 

Stephan Schwarzer, Geschäftsführer der eFuel Alliance Österreich, sieht die soziale Leistbarkeit ebenfalls als oberstes Ziel der Mobilitätswende, warnt aber vor einer technologischen Einbahnstraße: „Der Zwang zum E-Auto ist unsozial und macht Mobilität zu einem teuren Luxusgut. Jeder Mensch sollte aus unterschiedlichen Mobilitätsangeboten wählen können, denn Technologieoffenheit wirkt als Preisdämpfer.“ Für Schwarzer erfolgt die aktuelle politische Diskussion in der Europäischen Union und im BMK zu eindimensional: „Es gibt einen starken Drall Richtung Elektroautos. Diese Agenda geht an den Bedürfnissen vieler Menschen vorbei, die noch längere Zeit auf ihr Auto mit Verbrennungsmotor angewiesen sind. Ein weiteres Problem ist die zunehmende Abhängigkeit von China, da sowohl die Produktion von E-Autos als auch die dafür notwendigen Rohstoffe in chinesischer Hand sind. Geopolitisch ist die Abhängigkeit von China nicht erstrebenswert. In Europa erzählt man gern „wir forcieren den Ökostromausbau, wir werden unabhängig“, aber dahinter verbirgt sich ein milliardenschwerer AKW-Ausbau. E-Autos sind eine gute Lösung für Betriebe, deren Firmenautos konstante Radien haben und an der betriebseigenen e-Ladestation aufgeladen werden können. Sie sind auch gut für Hausbesitzer, die ihr Zweitauto mit Sonnenstrom vom eigenen Dach laden. Aber warum sollen Millionen Haushalte, die diese Möglichkeit nicht haben, dafür die finanzielle Last tragen?“ 

„Wir brauchen Technologieoffenheit“

Johann Moser, Vorsitzender des VGW im BSA, sagte in der Diskussion: „In der Frage der Mobilität, insbesondere der Individualmobilität, ist auch eine ausreichende und wettbewerbsfähige klimaneutrale Energieversorgung wesentlich – auch als Standortfaktor nicht zuletzt für die Produktion einer Volkswirtschaft. Sie sichert letztlich unsere Lebensqualität.“ Hinzu komme laut Moser: „Die Politik muss sich hüten, starre und dogmatische Vorgaben zu machen. Vielmehr muss sie konkrete Zielvorgaben machen.  Wissenschaft und Wirtschaft müssen uns dann die Lösungen dazu liefern.“  Es brauche einen Gesamtplan und vor allem auch Technologieoffenheit für die Mobilität und die Energieversorgung gleichermaßen, führte Moser aus, „der auch die Leistbarkeit im Fokus hat“. Abschließend sagte er: „Es wird auf der ganzen Welt nach neuen Lösungen geforscht: Beispiele sind neue Rohstoffe für Batterien, Biomethan oder auch Wasserstoff. Letztere können als Energiequelle für Kraftwerke, aber auch für Fahrzeuge dienen. Beide sind erneuerbar und bieten uns unglaubliche Chancen für nachhaltigen Verkehr und, was in meinen Augen sehr wichtig ist, auch nachhaltigen Schwerverkehr – zum Beispiel für die ersten und letzten Kilometer.

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