Tschernobyl-Jahrestag: Kurze Atempausen vom Krieg
Samstag, Sechsundzwanzigster April Neunzehnhundertsechsundachtzig, 1:23 Uhr Ortszeit, im Atomkraftwerk Tschernobyl, nahe der ukrainischen Stadt Prypiat, explodiert Reaktor-Block Nummer 4. Es ist bis dato der katastrophalste Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung von Kernenergie.
Fast forward, knapp vier Jahrzehnte danach. Der 37. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe steht an, die Nachwirkungen sind nach wie vor präsent. GLOBAL 2000 betreut im Rahmen des Projekts „Tschernobyl-Kinder“ seit nahezu 30 Jahren Kinder und Jugendliche, welche mit den Folgeerkrankungen des radioaktiven Fallouts zu kämpfen haben.
„Auch heute noch sind Kinder und Jugendliche im Osten der Ukraine in hohem Maße von den gesundheitlichen Spätfolgen der Reaktorkatastrophe betroffen. In Kharkiv gibt es etwa nur mehr ein funktionierendes Kinderkrankenhaus. Die Ärztinnen und Ärzte riskieren dort tagtäglich alles, um den Kindern Behandlung und einen würdigen Alltag zu ermöglichen. Dem nicht genug, sehen sie sich aktuell auch seit knapp einem Jahr mit dem Angriff Russlands konfrontiert. Wir versuchen in zwei von uns betreuten Einrichtungen speziell Mütter und ihren Kindern eine sichere Anlaufstelle zu bieten“, beschreibt Lidiia Akryshora, Projektleiterin Tschernobyl-Kinder bei GLOBAL 2000, die aktuelle Situation.
Ein Mutter-Kind-Zentrum in Liubotyn hat sich zu einer wichtigen Anlaufstelle für Binnengeflüchtete in der Region Kharkiv entwickelt. Frauen und Kinder können hier wohnen und endlich aufatmen. Ständig kommen neue Geflüchtete an: Mütter mit Neugeborenen und Kleinkindern, Frauen jeden Alters mit Jugendlichen. Ihre Fluchtwege waren lebensgefährlich, Normalität kennen sie schon lange nicht mehr. Mittlerweile sind im Osten der Ukraine zwei Zentren dieser Art in Betrieb.
Ein paar Wochen Normalität
Einmal im Jahr wird Kindern und deren Familien ein Erholungsaufenthalt in Österreich vermittelt. Covid-bedingt musste zwei Jahre pausiert werden. Die Organisation im vergangenen Jahr gestaltete sich kriegsbedingt ebenso schwierig. Für 2023 sind die Termine nun wieder fixiert.
„Dass die Stadt Graz sich bereit erklärt hat, alle Kinder aus den beiden von uns betreuten ‚Mutter-Kind-Zentren‘ in der Region Kharkiv aufzunehmen, freut uns besonders. Noch dazu dürfen die knapp 20 Kids gleich drei Wochen bleiben. Eine großartige Sache“, konstatiert Akryshora.
„Wir unterstützen, wo wir können. Sei es bei der Finanzierung von Equipment, Verbrauchsmaterialien, Medikamenten oder der Organisation von psychologischer Betreuung. Aber selbst dem größten Engagement sind Grenzen gesetzt. Kinder brauchen Perspektiven, brauchen neue Reize. Die sind in der aktuellen Situation in der Osten der Ukraine nur sehr sehr schwer, vielerorts gar nicht zu bekommen. Genau diesen Kindern verhelfen wir zu ein paar Tagen Normalität im Alltag“ , so Akryshora.
Destination Ybbs
Von Mitte bis Ende Juli werden zehn Kinder und zwei Erwachsene aus dem Kinderkrankenhaus in Kharkiv in Ybbs untergebracht. Dort helfend zur Seite stehen wird auch Familie Nerush. Für sie ist die Hilfe eine Selbstverständlichkeit, waren sie doch selbst vor Jahren als Gäste mit dabei und wurden im Rahmen des GLOBAL 2000 Familienprogramms nach Österreich evakuiert.
„Wir können den Start gar nicht erwarten und freuen uns schon, den Kindern zu begegnen. Denys (Anm.: Sohn der Familie) wird wahrscheinlich seine behandelnde Ärztin aus Kharkiv treffen können (sie kommt als Begleitperson) – sicher ein emotionaler Moment für uns alle. Im Vordergrund steht aber dennoch, dass wir für unsere Landsleute so da sein wollen, wie es damals die Leute in Ybbs waren“, schildert Frau Nerush ihre Motivation.
Ybbs’-Vizebürgermeister Dominic Schlatter: "Ybbs/Donau ist seit 1996 Partner dieser wunderbaren Initiative und wir freuen uns besonders, dieses Jahr endlich wieder Kinder hier begrüßen zu dürfen. Es ist wunderbar, wie gut sie sich in der kurzen Zeit erholen und neue Kraft schöpfen können. Die Begegnungen und Erlebnisse sind jedes Mal sehr berührend und bleiben lange in Erinnerung. Jeder Schritt, der getan werden kann, um das Leben aller Kinder zu verbessern, ist ein guter – gehen wir diese auch zukünftig weiter!“
Unterstützung
Um die beiden Projekte zu realisieren, bedarf es vieler, kleiner Zahnrädchen die ineinander greifen. „Ohne unser Team in der Ukraine, wäre in der aktuellen Situation die Abwicklung vor Ort und in Österreich undenkbar. Neben der Leiterin unserer ukrainischen Stiftung, Yuliia Konotoptseva, müssen wir uns bei den vielen Freiwilligen bedanken, welche die Kinder und uns seit Kriegsbeginn unterstützen. Gleichzeitig braucht es neben der organisatorischen Abwicklung vor allem eines: finanzielle Ressourcen“, so Akryshora zu den Herausforderungen bis zum Sommer.
„Wir haben uns das alles nicht gewünscht“, beschreibt eine Bewohnerin des Mutter-Kind-Zentrums in Liubotyn die aktuelle Situation. Helfen wir ihnen gemeinsam, diese schwere Zeit zu überstehen.
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