Landwirtschaft: Totschnig stellt Bundesrat neue GAP vor
Die Landwirtschaft in der Europäischen Union steht vor großen Veränderungen: Mit dieser Gewissheit diskutierte der Bundesrat heute mit Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU, die ab 2023 die Eckpfeiler der Landwirtschaftsförderung definiert. Als "Zukunftsprogramm für unsere Bäuerinnen und Bauern" wertet Totschnig die neue GAP. Österreich habe von der EU-Kommission diesen September "grünes Licht" für seinen Strategieplan erhalten, berichtete er dem Plenum über die erforderliche Bestätigung für die nationale Umsetzung. Rund 1,8 Mrd. € pro Jahr erhalte die Republik künftig von der EU für die heimische Land- und Forstwirtschaft sowie für die ländliche Entwicklung. Österreich wolle damit biologische Landwirtschaft und die Stärkung der Regionen vorantreiben, bezog sich der Minister konkret auf das "Österreichische Programm zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft" (ÖPUL). Mit persönlichem Einsatz wolle er die hohe ÖPUL-Teilnahmerate bei landwirtschaftlichen Betrieben – derzeit 80% – weiter sicherstellen, 574 Mio. € stünden dafür zur Verfügung.
GAP soll Klimaschutz unterstützen
In ihrem Bestreben, Klimaschutz eng mit der Landwirtschaft zu verknüpfen, wurde die Gemeinsame Agrarpolitik weiterentwickelt. "In der Land- und Forstwirtschaft wird die Basis für die Erreichung der Klimaziele gelegt", fasste Totschnig zusammen, Österreich habe sich einen Ausbau der Bio-Landwirtschaft auf 30% der Betriebe vorgenommen. Anstatt vorrangig flächenbezogenen Förderzahlungen gibt es ab 2023 ein integriertes, leistungsbasiertes Modell der GAP. Damit einher gehen erhöhte Umwelt-, Tierwohl- und Klimaambitionen, deren Zielerreichung im Rahmen des nationalen Strategieplans durch geeignete Unterstützungsmaßnahmen entsprechend abgegolten werden soll. In diesen GAP-Strategieplänen erläutern die Mitgliedstaaten der EU-Kommission wie sie die ihnen zugeteilten Finanzierungsmittel einsetzen werden, mit welchen Instrumenten und Zielen, abgestimmt auf die nationalstaatlichen Bedürfnisse. Die EU-Kommission kontrolliert die Strategiepläne auf Übereinstimmung mit den EU-weiten Zielen und gibt sie dann frei. In weiterer Folge übermitteln die Länder der Kommission jährliche Leistungsberichte über die Fortschritte zur Zielerreichung.
Landwirtschaftsförderung deckt Produktionskosten
Der nationale GAP -Strategieplan von 2023 bis 2027 umfasse 8,8 Mrd.€, gratulierte Elisabeth Wolff (ÖVP/W) den österreichischen Verhandler:innen zu diesem Volumen an EU-Fördermittel, die für Direkt- und Ausgleichszahlungen an die Landwirtschaft herangezogen werden. Dennoch sei die Förderung angesichts der Produktionskosten im Agrarbereich ein "Null-Summen-Spiel". Neben der Nahrungsmittelproduktion spiele nunmehr der Umwelt-und Klimaschutz in der neuen Förderkonzeption eine große Rolle, umriss sie die Konzeption der neuen GAP. Mehr Biodiversität, mehr Tierschutz und Klimaschutz bedeuten laut Wolff höhere Förderungen. Besonders wichtig sei zudem die Unterstützung von Jungbäuerinnen und Jungbauern, von der gesamte Regionen profitierten.
Bio-Landwirtschaft soll in Krisen helfen
Zu den klimaschutzbedingten Anforderungen der EU an die Landwirtschaft gehören auch die Erhaltung kohlenstoffreicher Böden durch Schutz von Feuchtgebieten und Torflandschaften, wie Wolff skizzierte, ebenso wie die biologische Produktion. Am Beispiel Burgenland beschrieb Günter Kovacs (SPÖ/B) die "Bio-Wende", durch die die Landwirtschaft krisenresistenter werde. Die Erzeugungskosten seien in der Bio-Landwirtschaft niedriger als in der konventionellen Landwirtschaft, die abhängiger von Lieferungen – etwa beim Futter – sei. Bis 2027 wolle das Burgenland seine Landwirtschat zu 50% biologisch ausgestaltet wissen, von der artgerechten Tierhaltung bis zur naturnahen Produktion, so der burgenländische Sozialdemokrat. Konsumenten würden "Bio" trotz der Teuerung die Treue halten, verwies er auf den Mehrwert dieser Förderungen. Letztlich leiste der Kauf von regionalen Produkten einen wichtigen Beitrag zur lokalen Wertschöpfung und zum Klimaschutz.
Bedeutend für den weiteren Ausbau der Bio-Landwirtschaft sei allerdings eine angemessene Ausbildung der jungen Bäuerinnen und Bauern, merkte er in Übereinstimmung mit Ferdinand Tiefnig (ÖVP/OÖ) an, der außerdem die konventionelle landwirtschaftliche Produktion nicht schlechtreden wollte. Die gemeinschaftliche Agrarpolitik der EU dürfe nicht gegen den Klimaschutz gerichtet sein, appellierte Marco Schreuder (Grüne/W), nachhaltige Landwirtschaft zu forcieren, schon zum Erhalt der für die Bestäubung wichtigen Insektenpopulation.
Rückgang der Landwirtschaft auch in Österreich
Die "hochwertigen Qualitätsprodukte" der heimischen Landwirtschaft rückte Michael Bernard (FPÖ/N) in den Mittelpunkt seiner Ausführungen zur neuen GAP. Diese nannte er ein "sogenanntes Zukunftsprogramm", da die heimische Landwirtschaftspolitik ihm zufolge diese Bezeichnung nicht widerspiegelt. Die Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben gehe stetig zurück, das "Bauernsterben" werde durch die Industrialisierung der Landwirtschaft und durch zuviel Bürokratie gefördert. In Folge müsse sich Österreich auf Importe verlassen, die Eigenversorgung nehme ab. Förderauflagen wie jene zur Biodiversität belasteten die Betriebe zusätzlich, ebenso wie EU-Vorgaben wie eine weitere Reduktion der Spritzmittel. Letztlich sei die Versorgungssicherheit gefährdet.
Seit dem Beitritt zur EU 1995 sei die Ausgleichszahlung der GAP nicht an die Inflation angepasst worden, kritisierte Bernard überdies, "auch hier wurde ein Versprechen nicht eingehalten". Gleichzeitig habe sich der Dieselpreis massiv erhöht. Das Plus der Förderung schlage sich auf die einzelnen Betriebe angesichts der Teuerung nicht nieder. Markus Steinmaurer (FPÖ/OÖ) verurteilte daher die Preisgestaltung für Produkte wie Milch, die Landwirt:innen das Überleben fast verunmögliche. Auch Nicole Riepl (SPÖ/K) wies auf tatsächliche Einkommensverluste unter kleinen und mittleren Landwirtschaftsbetrieben hin, die großteils als Nebenerwerbsbetriebe geführt würden. Ein Angestelltenverhältnis sei zum Erhalt des Hofes notwendig, wodurch die Bäuerinnen und Bauern unter extremen Belastungen stünden.
Ökologische Wende der GAP
"Landwirtschaft geht uns alle an, denn sie ist unsere Lebensgrundlage", unterstrich Maria Huber (Grüne/St) die große Bedeutung der Agrarpolitik, gerade angesichts derzeitiger multipler Krisen. Die Klimakrise treffe mit Dürre und Hagelunwettern die Landwirtschaft massiv und der Ukraine-Krieg führe zu Lieferengpässen bei Dünger und Futtermittel, was vor allem die konventionelle Landwirtschaft belaste.
Mit der neuen GAP, die nun Bio-Förderung als eigenständigen Bereich beinhalte, würden nun Verbesserungen bei der Förderverteilung herbeigeführt, so Huber, wenn sie auch aus "Grüner Sicht" nicht von einem "kompletten Wandel der GAP" sprechen wollte. Positiv sei jedenfalls der Fokus auf die Green Deal-Ziele, wie die Halbierung von Pestizid- und Antibiotikaeinsatz und die Umverteilung von großen zu kleinen Betrieben durch die stärkere Förderung der ersten 20 Hektar. Die Ausgleichszulage im Berggebiet werde ebenfalls erhöht. Erstmals gebe es eine soziale Konditionalität, lobte Huber, indem die Einhaltung arbeitsrechtlicher Auflagen für Förderungen entscheidend sei. "Die Rechte von Landarbeiterinnen und Landarbeitern werden gestärkt."
Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) sprach sich für vermehrte Anreize aus, eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige Landwirtschaft zu fördern, wie es das Konzept der "Eco-Schemes", übersetzt Öko-Regelungen, vorsehe. Demnach wären 20 bis 30 % der GAP-Direktzahlungen für nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden reserviert.
Totschnig: Größtmögliche GAP-Förderung für Österreich erreicht
Die letzten Details zum erfolgreichen Start der neuen GAP in Österreich seien diese Woche ausverhandelt worden, berichtete Landwirtschaftsminister Totschnig über die 2018 auf EU-Ebene gestarteten Verhandlungen über die Agrarfördermittel für die Mitgliedstaaten. Zunächst sei nach Kommissionsvorschlag ein Minus von 770 Mio. € bei den Auszahlungen aus Brüssel für die heimische Landwirtschaft im Raum gestanden, dank intensiver Verhandlungen habe man stattdessen ein Plus von 35 Mio. € an EU-Geldern erreicht.
Mit 1,8 Mio. € jährlich habe man "finanziell alles, was möglich war, herausgeholt, um die Bäuerinnen und Bauern bestmöglich zu unterstützen", befand Totschnig und zollte diesen Respekt für die tägliche Arbeit zur Gewährleistung der Lebensmittelversorgung. Der Green Deal Europas, bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral zu sein, präge die neue GAP: das Level für mehr Klima- und Artenschutz sei angehoben worden. Der österreichische Weg einer "ökosozialen" Land- und Forstwirtschaft werde jedoch fortgesetzt, versicherte Totschnig. Investitionen in bäuerliche Betriebe dienten dem Erstarken der Regionen, beschrieb er im Detail den Mitteleinsatz der für die Stärkung von Landwirtschaft und regionale Entwicklung vorgesehenen EU-Gelder. So würden im Rahmen der ÖPUL 52% der Mittel für klimabezogene Maßnahmen ausgeschüttet, etwa für die Erhöhung des Anteils von Biodiversitätsflächen von 150.000 Hektar auf 230.000 Hektar. Für Tierwohlmaßnahmen über dem gesetzlichen Standard gebe es 20 Mio. € mehr und eine stärkere Unterstützung komme auch für die "ersten 20 Hektar", wovon die kleinstrukturierte heimische Landwirtschaft profitiere. Zur regionalen Belebung fördere man neben der Stärkung der Dorfkerne und dem Ausbau erneuerbarer Energieträger auch Einrichtungen zur Kinderbetreuung und zur Pflege. (Fortsetzung Bundesrat) rei
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