Volksanwälte: Mehr Beschwerden zur öffentlichen Verwaltung im Corona-Jahr
Wien (PK) – Mit 18.000 Beschwerden verzeichnete die Volksanwaltschaft 2020 ein Plus von rund 1.000 Fällen in der öffentlichen Verwaltung im Vergleich zum Vorjahr. Das berichteten die drei Volksanwälte Bernhard Achitz, Werner Amon und Walter Rosenkranz heute im Volksanwaltschaftsausschuss des Nationalrats. Dort wurde der Bericht über die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung 2020 behandelt. Abgeordnete aller Fraktionen würdigten die Arbeit und den ausführlichen Bericht des Kontrollorgans des Nationalrats und thematisierten in der Sitzung einzelne Fälle aus dem Bericht.
Volksanwalt Bernhard Achitz leitete die Debatte mit den Berichtszahlen ein. So erreichten die Volksanwaltschaft rund 18.000 Beschwerden (2019: 16.600). Davon fielen rund 5.000 Anliegen nicht in die Zuständigkeit des Kontrollorgans, wobei hier Informationen zur Rechtslage zur Verfügung gestellt und Auskunft über weitergehende Beratungsangebote gegeben wurde. In 4.000 Fällen gab es keine ausreichenden Hinweise für Missstände und in 8.777 Fällen oder 49% leitete die Volksanwaltschaft ein formelles Prüfverfahren ein. Davon betrafen 5.937 die Bundesverwaltung und 2.840 die Landes- und Gemeindeverwaltung, wird im Bericht erläutert.
Achitz erklärte den Abgeordneten, dass in 1.346 Fällen ein Missstand in der Verwaltung festgestellt wurde, was einerseits auf Verbesserungspotential in der Verwaltung hinweise, gleichzeitig aber auch zeige, dass ein großer Teil der Verwaltung bürgerfreundlich agiere. Die in der Vergangenheit getroffenen Annahmen auf rückläufige Anträge zur Heimopferrente haben sich bis dato nicht bewahrheitet. So wurden rund 400 Anträge gestellt und bearbeitet, berichtete Achitz. Pandemiebedingt konnten letztes Jahr die notwendigen Clearinggespräche nicht so wie geplant durchgeführt werden. Außerdem werden vermehrt Beschwerden bezüglich kirchlicher Institutionen verzeichnet, wobei keine staatliche Entschädigung vorgesehen sei, wenn es sich nicht um eine Jugendwohlfahrtseinrichtung handle, so Achatz.
Meiste Prüfverfahren betreffen den Bereich Soziales und Gesundheit
Knapp über ein Viertel, nämlich 26% aller Prüfverfahren der Volksanwaltschaft auf Bundesebene, betrafen 2020 den Bereich Soziales und Gesundheit, gefolgt von Beschwerden in den Bereichen der Raumordnung und des Baurechts und weiters zu Staatsbürgerschaftsrecht, Straßenpolizei und Gemeindeangelegenheiten. Dabei verzeichnete man laut Bericht in Angelegenheiten der Krankenversicherung als auch in Gesundheitsangelegenheiten einen Beschwerderekord. Der übermäßige Anstieg an Beschwerden in Gesundheitsangelegenheiten (2019: 116, 2020: 545) sei auf die COVID-19-Maßnahmen zurückzuführen. Die Auswirkungen durch Corona werden deshalb in einem dritten Band gesondert debattiert.
Zu den Beschwerden über unterschiedliche Leistungen in den Krankenversicherungen – auch nach deren Zusammenlegung in der ÖGK -erfuhr Mandatar Rudolf Silvan (SPÖ), dass diese mit unterschiedlichen Verträgen der Versicherungen mit den Ärztekammern in den Ländern zusammenhingen und die Harmonisierung nach Auskunft der ÖGK noch dauere. Der Gesetzgeber könne allerdings insofern einwirken, in dem er vorschreibe, wie vorzugehen sei, wenn sich diese beiden Verhandlungspartner nicht einigen würden, so Achitz. Im Bereich der Pflegegeldverfahren hätten sich durch COVID-19 die Begutachtungen verzögert. In der Prüfung habe sich gezeigt, dass diese manches Mal auf Personalmangel zurückzuführen sei. Außerdem hat sich herausgestellt, dass die notwendigen Begutachtungen für die Betroffenen oftmals nicht nachvollziehbar seien, was infolge zu Beschwerden geführt habe. Achitz empfahl deshalb diese Verfahren transparenter zu gestalten.
Achitz ging auch auf Fragen der Mandatarinnen Sabine Schatz (SPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) zu Problemen beim einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld ein. In diesem Bereich handle es sich oftmals nur um Verzögerungen in der Auszahlung, manches Mal aber auch um dauerhafte Schäden. Hier gebe es gerade bei grenzüberschreitenden Fällen Probleme. Die Behörden müssten früher in Vorleistung treten, oft komme es aber zu laufend neuen Auflagen und keinen Entscheidungen, kritisierte der Volksanwalt.
Im Bereich des Gewaltschutzes für Frauen berichtete Achitz von Kooperationen mit den entsprechenden Einrichtungen. Viele Konzepte und Maßnahmen würden allerdings viel mehr Geld kosten als den Einrichtungen derzeit zu Verfügung stehe.
Mehrere Fragen zu Fällen aus den Bereichen Inneres und Justiz
Ein Fall, der die Abgeordneten Christian Ragger, Rosa Ecker (beide FPÖ) und Stephanie Krisper (NEOS) interessierte, betraf eine Frau, die sich nach einer versuchten Vergewaltigung an den Polizeinotruf wandte und dort abgewiesen wurde bzw. ihr empfohlen wurde, sich am nächsten Tag an die Polizeidienststelle zu wenden. Der damit befasste Volksanwalt Walter Rosenkranz berichtete dazu, dass es nicht sein dürfe, dass Beweise nicht zeitnah gesichert und darüber hinaus Notrufe nicht ernst genommen würden.
Zum Maßnahmenvollzug berichtete Rosenkranz auf Fragen von Petra Bayr (SPÖ) und Johannes Margreiter (NEOS), dass die Vorschläge der 2012 eingerichteten Arbeitsgruppe des Justizministeriums zum Teil in der geplanten Reform enthalten seien, wenn auch eine Beurteilung aufgrund der Aktualität nicht möglich sei. Er betonte im Ausschuss allerdings, dass hierfür neue therapeutische Einrichtungen notwendig seien.
Zum Bereich von Misshandlungen durch die Polizei erklärte Volksanwalt Werner Amon, dass aktuell keine Vorwürfe vorliegen, aber auch wenn, so seien der Volksanwaltschaft in der Missstandsfeststellung oftmals die Hände gebunden. Denn dazu notwendige Zeugenladungen seien nicht vorgesehen. Es könnten lediglich Stellungnahmen eingeholt werden. Mandatar Reinhold Einwallner (SPÖ) erfuhr, dass die Zahl der Beschwerden im Bereich des Fremdenwesens und Asyl von 2.175 im Jahr 2017 auf nunmehr 17 gesunken sei. Eine andere Entwicklung zeichne sich hingegen im Bereich des Niederlassungswesens ab. Die in Wien zuständige MA 35 sei mit dem Beschwerdeaufkommen überfordert und eine Personalaufstockung wurde bereits angekündigt. Amon berichtete von verzögerten oder im Schwebezustand befindlichen Verfahren, die dann auch nicht bekämpft werden könnten.
Morgen behandelt der Volksanwaltschaftsausschuss den Bericht zur präventiven Menschenrechtskontrolle und den zusätzlichen dritten Band im Zusammenhang mit COVID-19. (Schluss) gun
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