Familienausschuss beschließt Besserstellung für Krisenpflegeeltern
Wien (PK) – Um die wertvolle Arbeit von Krisenpflegepersonen zu unterstützen sollen sie in Hinkunft auch Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe haben. Dies sieht ein gestern im Rahmen der Nationalratssitzung eingebrachter Initiativantrag der Regierungsparteien vor, der Änderungen im Familienausgleichsgesetz, im Kinderbetreuungsgeldgesetz sowie im Familienzeitbonusgesetz vornimmt. Ziel sei, Ungleichbehandlungen abzustellen, wies Familienministerin Juliane Bogner-Strauß auf ein kürzlich erfolgtes Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs (OGH) hin, wonach Krisenpflegeeltern gänzlich den Anspruch verlören. „Den Eltern wird nichts weggenommen“, betonte die Ministerin heute im Familienausschuss des Nationalrats, vielmehr werde der Status quo wie vor dem OGH-Urteil wiederhergestellt.
Sie reagierte damit auf Vorhaltungen der Oppositionsparteien, die eine grundsätzliche Reform beim Kinderbetreuungsgeld vermissen. So stießen sich SPÖ, NEOS und JETZT an den gesetzlich vorgesehenen drei Betreuungsmonaten, die für den Bezug der Leistung mindestens erforderlich sind und urgierten zumindest für Krisenpflegeeltern eine diesbezügliche Ausnahmeregelung. Damit wäre erneut eine gesetzliche Ungleichbehandlung einzelner Gruppen gegeben, die vom Höchstgericht gekippt würde, hielten die Regierungsfraktionen entgegen. Nach einer emotional geführten Debatte stimmten neben den Koalitionsparteien auch die NEOS für den Gesetzesantrag. Michael Bernhard (NEOS) gestand dem Novellenentwurf zu, um immerhin „für einen Teil der Krisenpflegeeltern“ Verbesserungen zu bringen. In einer – ebenfalls mehrheitlich angenommenen – Ausschussfeststellung erklärten die Regierungsparteien, die Regelung in weiterer Folge noch zu evaluieren.
Die Anträge von SPÖ und NEOS auf Besserstellung von Krisenpflegeeltern vertagte die ÖVP-FPÖ-Mehrheit im Ausschuss.
Novelle soll Kinderbetreuungsgeld-Anspruch in Krisenpflege sicherstellen
Anlass für den Antrag ( 584/A) der Regierungsparteien ist die Rechtsprechung des OGH, wonach Krisenpflegepersonen keine Eltern im Sinne des § 184 ABGB sind. Folglich verlören sie den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld (KBG). Zudem wurde in einer kürzlich ergangenen, Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien bestätigt, dass Krisenpflege immer nur vorübergehend ist, also – unabhängig davon, wie lange das Kind betreut wird – nie eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Kind vorliegt, weshalb auch aus diesem Grund kein Anspruch auf KBG besteht. Die vorgeschlagene Novelle repariere das Gesetz nun, erklärten Edith Mühlberghuber (FPÖ), Krisenpflegeeltern seien nämlich ungemein wichtige Bezugspersonen für Kinder in Notsituationen.
Nunmehr wird festgelegt, dass eine Krisenpflegeperson Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld hat, wenn das Kind mindestens 91 Tage durchgehend in einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft betreut wird. Durch eine entsprechende Anpassung im Familienlastenausgleichsgesetz wird auch der Anspruch auf Familienbeihilfe sichergestellt.
Die dritte gesetzliche Änderung betrifft den Familienzeitbonus, der ausnahmsweise auch dann gewährt werden soll, wenn aufgrund des medizinisch erforderlichen Krankenhausaufenthaltes des Kindes – etwa bei „Frühchen“ – kein gemeinsamer Haushalt mit den Eltern vorliegt. Voraussetzung dafür ist, dass der Vater sowie die Mutter jeweils im Durchschnitt mindestens 4 Stunden täglich das Kind persönlich pflegen und betreuen. Der Vater hat das Ausmaß der Pflege und Betreuung des Kindes durch ihn und den anderen Elternteil durch Bestätigungen des Krankenhauses beim Krankenversicherungsträger nachzuweisen.
Opposition will sofortigen Kinderbetreuungsgeld-Bezug
Die Kritik der Opposition am Gesetzesentwurf betraf vor allem die zeitlichen Regelungen – 91 Tage beziehungsweise 4 Stunden – als Anspruchsvoraussetzung zum Leistungsbezug. Daniela Holzinger-Vogtenhuber (JETZT) etwa monierte, der Staat zahle für Kinder in Krisensituationen drei Monate lang kein Geld, „obwohl sie in dieser Zeit die intensivste Betreuung brauchen“. Die Bundesländer, in deren Kompetenz die KBG-Auszahlung liegt, sollten vom Bund mit entsprechenden Mitteln unterstützt werden. Für Birgit Sandler (SPÖ) ist diese Zeitdauer ebenfalls „schwer nachvollziehbar“ und wie ihr Parteikollege Christian Kovacevic pochte sie darauf, Kinderbetreuungsgeld müsse Krisenpflegeeltern vom ersten Betreuungstag an zustehen. Kovacevic nannte den Gesetzesantrag außerdem „nicht praxistauglich“, da beispielsweise Eltern eines Frühchens in stationärer Behandlung nicht immer im vorgeschriebenen Ausmaß die persönliche Betreuung des Kindes übernehmen könnten. Die SozialdemokratInnen forderten eine eingehende Erörterung der rechtlichen Lage von Krisenpflegeeltern, gemeinsam mit den Betroffenen und der Opposition.
Die meisten der rund 200 Krisenpflegeeltern in Österreich würden von der Novelle nicht umfasst, ist NEOS-Mandatar Bernhard sicher. Doch immerhin sei der Vorschlag besser als die derzeitige Regelung, für die auch die Öffentlichkeit kein Verständnis habe. Seine Fraktion stimme daher zu, man behalte sich aber vor, „Alarm zu schlagen“, sollte die Gesetzesevaluierung zu lange dauern.
ÖVP wirft Opposition Verunsicherung vor
Als Obmann des Ausschusses warf ÖVP-Familiensprecher Norbert Sieber vor allem der SPÖ eine „Verunsicherungspolitik“ vor und bezog sich dabei auf Presseaussendungen der Oppositionspartei, in denen die neue Kinderbetreuungsgeld-Regelung als ungerecht kritisiert wird. Das Gegenteil sei der Fall, so Sieber, „es ist fair, alle Eltern gleich zu behandeln“. Man stelle nun Rechtssicherheit für Krisenpflegeeltern her.
„Krisenpflegeeltern sind unglaublich wichtig“, bestätigte Familienministerin Bogner-Strauß. Um deren wertvolle Arbeit zu unterstützen, sichere man ihnen den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld rückwirkend ab 1. Juli 2018 zu. „Krisenpflegeeltern werden als Eltern definiert in das Gesetz aufgenommen“ und dadurch mit Adoptiv-, Pflege- und leiblichen Eltern gleichgestellt. Für eine weitergehende Reform, mit der die 91-Tage-Frist oder die vierstündige Betreuungsverpflichtung im Zusammenhang mit dem Familienzeitbonus fallen, zeigte sich die Ministerin durchaus offen. Deswegen nehme ihr Haus ja die Evaluierung vor. Konkret soll dabei die „Dauerhaftigkeit der Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft von mindestens 91 Tagen als Voraussetzung für eine Anspruchsberechtigung“ auf ihre Treffsicherheit überprüft werden. Entscheidend sei, dass sämtlichen Eltern die gleichen Ansprüche zukämen, so Bogner-Strauß.
Zu bedenken gab sie allerdings, die Auszahlung der fraglichen Unterstützungsleistungen an Eltern obliege den Ländern, die für das Krisenpflege-Wesen zuständig sind. Der Bund könne deswegen hier nur eigeschränkt tätig werden. Diese Anmerkung ließ wiederum Melanie Erasim (SPÖ) nicht gelten – der Bundesgesetzgeber hat ihr zufolge durchaus die Möglichkeit, eine Regelung für eine sofortige KBG-Auszahlung zu schaffen, die auch vor dem OGH hält. Bernhard (NEOS) argumentierte ähnlich, indem er vom Bund eine speziell auf Krisenpflegeeltern zugeschnittene Lösung einforderte. Der Ausschussfeststellung zur Gesetzesevaluierung stimmten schließlich alle Fraktionen außer JETZT zu, der Initiativantrag samt redaktioneller Abänderung verließ den Ausschuss mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ und NEOS.
Mitverhandelt und letztendlich vertagt wurden Anträge der Opposition, die auf eine Besserstellung von Krisenpflegeeltern abzielen. Die SPÖ weist in ihrem Gesetzesvorstoß ( 397/A ) auf eine OGH-Entscheidung aus dem Jahr 2013 hin, in der ein Anspruch der Krisenpflegeeltern auf Kinderbetreuungsgeld grundsätzlich bejaht worden sei. Die NEOS rufen dazu auf, attraktivere Rahmenbedingungen für Krisenpflegeeltern zu schaffen: Durch eine Änderung im Kinderbetreuungsgeldgesetz sei sicherzustellen, dass auch „irreguläre“ Familienformen, wie etwa Krisenpflegefamilien, Ansprüche auf Leistungen nach dem KBG-Gesetz haben, sofern sie alle anderen Voraussetzungen erfüllen ( 361/A(E ). (Fortsetzung Familienausschuss) sue/rei
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