Smartphones sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken und auch zu Weihnachten zählt das Handy zu den beliebtesten Geschenken. Als ständige Begleiter und Tool für Kommunikation, Unterhaltung und Planung erleichtern sie uns alltägliche Dinge. Gleichzeitig beeinflusst ihre Nutzung zunehmend unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, auch bei der Interaktion zwischen Eltern und ihren Kindern. Frühere Studien beschäftigten sich vor allem mit der kindlichen Reaktion auf die Smartphone-Nutzung. Das Zusammenspiel zwischen Mutter und Kind und deren körperlicher Reaktionen wurden bisher jedoch kaum untersucht. Die Studie „Smart.Baby“ des Early Life Care-Instituts der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) untersucht erstmals, wie sich die Smartphone-Nutzung der Mutter auf das Zusammenspiel von Verhalten und die Herzfrequenz von beiden auswirkt. Im Rahmen der Studie wurden 67 Mütter mit ihren Babys bei alltagsähnlichen Interaktionen im Videolabor des ELC-Instituts begleitet. Dort spielen Mütter mit ihren Babys, so wie sie es von zuhause kennen, wobei das Spiel von einem Smartphone unterbrochen wurde.
Smartphone-Nutzung ähnlich stressvoll wie Ignorieren
Dr.in Antonia Dinzinger, Versuchsleiterin und Forscherin am Early Life Care Institut, betont: „Die Smartphone-Nutzung stellt – ähnlich wie das aus der Forschung bekannte „Still Face“ (also das gezielte Ignorieren des Babys) – eine Interaktionsunterbrechung dar, allerdings alltagsnäher“.
Um Stress, Regulation und Interaktionsmuster in der Mutter-Kind-Beziehung zu verstehen, müssen Verhalten und physiologische Reaktionen zusammen betrachtet werden. Laut Studienergebnis liefert die Untersuchung nun neue Erkenntnisse darüber, wie sich bereits kurzfristige Unterbrechungen der Mutter-Kind-Interaktion durch Smartphones auf beide auswirken.
Dinzinger ergänzt: „Das Ergebnis zeigt, selbst im alltagsnahen Gebrauch wirkt die Unterbrechung auf die Babys ähnlich stressvoll wie ein vollständiges Ignorieren und das sehen wir nicht nur im Verhalten, sondern auch in der Physiologie der Kinder“.
Die Interaktion wurde auf unterschiedliche Art unterbrochen – in zufälliger Reihenfolge, um Reihenfolgeeffekte auszuschließen:
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Still-Face-Phase: Die Mutter muss ihr Kind anschauen, aber nicht reagieren – das Baby wird ignoriert.
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Smartphone-Phase: Die Mutter bearbeitet am Handy ein Kreuzworträtsel – ähnlich der typischen Nutzung im Alltag und teilt ihre Aufmerksamkeit zwischen Baby und Smartphone auf.
Währenddessen erfasste das Forschungsteam das Verhalten von Müttern und ihren Kindern. Während bei der Mutter Blickkontakt, Sprache und Berührung beobachtet wurden, codierten die Wissenschaftlerinnen bei den Kindern das Verhalten in Form von Protest, Weinen und Selbstregulation (z.B. durch Daumennuckeln).
Ergänzend dazu wurde die Herzfrequenz und die parasympathische Aktivität von Mutter und Kind mittels EKG gemessen, als Indiz für Anspannung und Entspannung.
In Bezug auf die Mütter interessierte die Forschenden vor allem auch das Verhalten der Mütter direkt nach der Smartphone-Nutzung. „Eltern können auch im Alltag ihren Kindern nicht immer die volle Aufmerksamkeit schenken, deshalb hat uns interessiert, inwiefern die Mütter nach den Unterbrechungen, die Interaktion wieder herstellen. Wir bezeichnen das als „Reparatureffekt“, erklärt Antonia Dinzinger. Die Ergebnisse machen deutlich, dass es hier durchaus Unterschiede gibt. Nach dem Still-Face zeigen Mütter mehr Bemühungen durch Berührungen und Sprache wieder in Kontakt zu kommen im Vergleich zur Wiedergutmachung nach dem Smartphone.
Weitere zentrale Ergebnisse:
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Mütter regulieren bei Smartphone-Nutzung ihr Nervensystem herunter – es folgt eine kurzfristige Phase der Entspannung – Babys hingegen zeigen ausgeprägte Stressreaktionen.
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Während der Smartphone-Nutzung sinken die mütterlichen Interaktionen, vor allem Blickkontakt und Berührung.
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Weniger Interaktionen der Mutter löst beim Kind Protestverhalten aus. Besonders intensiv, wenn Babys den Grund der Unterbrechung nicht kennen (wie beim Ignorieren des Babys (Still-Face)
Der Herzfrequenz-Verlauf zeigt, dass die Reaktionen von Mutter und Kind zeitlich leicht versetzt, aber miteinander verbunden sind – jedoch gegenläufig. Greift die Mutter zum Smartphone, verändern sich unmittelbar danach die Herzfrequenzen beider. Bei der Mutter tritt Entspannung, beim Kind Anspannung ein.
Weiters betont Dr.in Antonia Dinzinger: „Smartphones sind ein zentraler Bestandteil moderner Familienorganisation. Entscheidend ist eine reflektierte statt unreflektierter Nutzung, das heißt eine bewusste Verwendung statt „Doomscrolling“ (=endloses Scrollen auf Social-Media-Plattformen oder Nachrichtenseiten). Eine uneingeschränkte Aufmerksamkeit nach der Ablenkung hilft, die Situation auszugleichen. So tritt ein Reparatureffekt ein. Auch handyfreie Zeiten können die Qualität der Mutter-Kind-Bindung unterstützen“
Zur Studie: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/infa.70056
Suche nach Vätern zur Smart.Daddy Studie!
Die Studie untersucht, wie sich väterliche Smartphone-Nutzung im Vergleich zur bekannten mütterlichen Nutzung auf das Stresslevel von Vätern und ihren Babys auswirkt und ob es Schutzfaktoren für das Kind gibt. Zur Datenerhebung werden laufend Väter mit ihren Kindern (4-7 Monate) gesucht. Die Studie läuft voraussichtlich bis April 2026.
Mehr Informationen zur Smart.Daddy Studie: https://www.pmu.ac.at/early-life-care/smartdaddy
Forschungsinstitut für Early Life Care
Das Institut für Early Life Care der Paracelsus Medizinischen Universität (PMU) in Salzburg wurde 2016 gegründet. Es ist europaweit das erste universitäre Forschungsinstitut mit dem expliziten Auftrag, fundiertes Wissen über biologische, psychologische, soziale und spirituelle Aspekte von Schwangerschaft, Geburt und die ersten Lebensjahre zu generieren. In den Forschungsprojekten werden psychologische Entwicklungsthemen wie Bindung und Eltern-Kind-Interaktion sowie Early-Life-Stress untersucht. Diese werden mit biologischen Parametern verknüpft, um zu verstehen, wie psychologische und physiologische Faktoren in der frühen kindlichen Entwicklung zusammenwirken. Das Forschungsinstitut für Early Life Care arbeitet eng mit dem Masterstudiengang Early Life Care und dem Early Life Care Zentrum am Uniklinikum Salzburg zusammen. So wird Forschung, Lehre und Praxis auf einzigartige Weise verbunden und zur Optimierung der Gesundheitsversorgung für Familien während dieser Phasen beigetragen. Mehr Informationen: www.earlylifecare.at
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