Nationalrat: Elektrizitätswirtschaftsgesetz erhält mit Zustimmung der Grünen notwendige Verfassungsmehrheit

Nach langen Verhandlungen konnte das Günstiger-Strom-Gesetz mit seinem neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetz heute am Ende des Plenartags vom Nationalrat mehrheitlich beschlossen werden. Mittels eines Abänderungsantrags konnte die Zustimmung der Grünen gewonnen und damit die verfassungsmäßig notwendige Zweidrittelmehrheit sichergestellt werden. Die Freiheitlichen kritisierten das Paket als „Mogelpackung“, stimmten aber den Teilen des Pakets für einen Sozialtarif zu. Mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz wird ein rechtlicher Rahmen für den sich in den letzten Jahren stark verändernden Strommarkt gesetzt. Damit sollen die Strompreise sinken, wie mehrere Abgeordnete der Regierungsfraktionen betonten.

Am Ende der Plenarsitzung wurden Petra Bayr (SPÖ) zum Mitglied und

Dominik Oberhofer (NEOS) zum Ersatzmitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates einstimmig gewählt.

Elektrizitätswirtschaftsgesetz bringt neuen Rechtsrahmen für Strommarkt und stärkere Rechte für Endkundinnen und Endkunden

Mit einer umfassenden Regierungsvorlage für ein Günstiger-Strom-Gesetz möchte die Bundesregierung einen neuen Rechtsrahmen für den Strommarkt und die Rechte sowie Pflichten von dessen Akteuren festlegen. Damit soll auf den starken Wandel des Elektrizitätsmarkts in den vergangenen Jahren reagiert werden, der aufgrund des starken Ausbaus erneuerbarer Energien eine zunehmende Dezentralisierung der Energieerzeugung und neue Marktakteure gebracht hat. Der bisherige, 14 Jahre alte Rechtsrahmen sei dafür nicht mehr ausreichend, wird in den Erläuterungen argumentiert. Daher soll ein modernes Elektrizitätsrecht als Basis für System- und Kosteneffizienz aber auch zur Gewährleistung einer sicheren Stromversorgung geschaffen werden. Dies soll den Wettbewerb stärken und für leistbare Energie sorgen. Das Gesetz strebt auch eine Stärkung der Rechte und des Schutzes von Endkundinnen und Endkunden an und möchte deren aktive Teilhabe am Energiemarkt fördern. So soll unter anderem die bereits im Zuge des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzespaketes geschaffene Möglichkeit, Energie in Energiegemeinschaften dezentral zu erzeugen, diese zu verbrauchen oder zu verkaufen, durch die Einführung des „aktiven Kunden“ erweitert werden. Das Gesetz sieht auch Maßnahmen für einkommensschwache Haushalte vor, wie einen Sozialtarif, Vorauszahlungszähler sowie das Recht auf Ratenzahlung.

Die Regierungsvorlage wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, NEOS und Grünen angenommen. In einer getrennten Abstimmung stimmten die Freiheitlichen jenen Gesetzesteilen für einen Sozialtarif zu. In dritter Lesung wurden schließlich in einer namentlichen Abstimmung 163 Stimmen abgegeben – 116 für und 47 gegen das Gesetz.

Mit dem Abänderungsantrag wurden insbesondere solche Änderungen verankert, die in den Verhandlungen mit den Grünen erreicht worden waren, um deren Zustimmung und die verfassungsmäßig notwendige Zweidrittelmehrheit zu erzielen. So wird im Elektrizitätswirtschaftsgesetz nun unter anderem die Klimaneutralität 2040 verankert. Vom Sozialtarif sollen zusätzliche Zielgruppen profitieren. Einspeiser sollen ab 1. Jänner 2027 jährlich einen Versorgungsinfrastrukturbeitrag entrichten, der 0,05 Cent pro kWh der eingespeisten Jahresstrommenge nicht übersteigt. Einspeiser mit einer netzwirksamen Leistung bis 20 kW werden davon befreit. Eingehoben werden soll der Betrag von den Netzbetreibern. Adaptierungen sind auch bei der Spitzenkappung vorgesehen. Diese soll nicht mehr als 1 % der erzeugten Jahresenergiemenge betragen dürfen – ursprünglich waren 2 % vorgesehen.

Hattmannsdorfer: Paradigmenwechsel für sicheren, sauberen und leistbaren Strom für Haushalte und Wirtschaft

Mit dieser Reform erfolge ein Paradigmenwechsel für eine „neue österreichische Energiepolitik mit sicherem, sauberem und leistbarem Strom für Haushalte und Wirtschaft“, erklärte Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und bedankte sich für die Unterstützung der Grünen. Das Gesetz beinhalte drei große Kapitel. So bringe das „Kosten-runter-Paket“ sinkende Strompreise. Mit dem Paket für den Wirtschaftsstandort würden mehrere Maßnahmen für den Standort gesetzt. Zudem erhalte das Stromnetz ein „neues Betriebssystem“, das fairer, gerechter und digitaler gestaltet werden soll. In einem nächsten Schritt wolle die Bundesregierung dank der Staatsbeteiligungen bereits nächste Woche in einer Sondersitzung den Österreicherinnen und Österreichern 500 Mio. Ꞓ zur Verfügung stellen, um die Strompreise zu senken.

Staatssekretärin Elisabeth Zehetner sprach von der „größten Strommarktreform“ der letzten 20 Jahre und einen Auftakt für weitere Energiereformen. Es würden dabei alle Hebel aktiviert, um die Stromkosten zu senken. Zudem sei es wichtig, einen Rechtsrahmen für das Zusammenspiel der erneuerbaren Energien zu schaffen.

Freiheitliche kritisieren „Mogelpackung“ und fordern günstigere Strompreise

Die Freiheitlichen würden dem Gesetz zustimmen, wenn es eine Entlastung für Wirtschaft und Bevölkerung bringen würde, sagte Paul Hammerl (FPÖ) und bezeichnete das Gesetz als eine „Mogelpackung“. Wo Billigstrom drauf steht, müsse ein solcher auch drinnen sein, forderte er. Als einen „Verrat“ an Bevölkerung, Wirtschaft und Industrie bezeichnete Hammerl den Umstand, dass sich die Netzkosten durch den hohen Ausbaubedarf des Netzes in den nächsten Jahren verdreifachen würden.

Niedrigere Strompreise für Wirtschaft und Menschen wären notwendig, dies werde aber das Gesetz nicht erfüllen, kritisierte auch Arnold Schiefer (FPÖ). Als „nicht gerecht“ bezeichnete der Abgeordnete, dass Menschen, die mit der Stromproduktion Geld verdienen, keine Netzgebühren bezahlen sollen.

Axel Kassegger (FPÖ) zeigte sich überzeugt, dass Strom nicht billiger sondern teurer werden würde. So würden die Energieversorger die Kosten des Sozialtarifs an die Endkundinnen und Endkunden weiterverrechnen. Ebenso würden die Netzkosten „durch die Decke“ gehen, meinte er. Er forderte eine „vernünftige Energiepolitik“. Zudem kritisierte Kassegger den „überschießenden“ Ausbau von Windkraft- und Photovoltaikanlagen und ortete Postenschacherei angesichts der bevorstehenden Neubesetzung des Vorstands der E-Control. Die Deindustrialisierung hätte gestoppt werden können, aber nicht mit diesem Gesetz, schloss der Abgeordnete.

Christian Hafenecker (FPÖ) kritisierte, dass Klientelpolitik betrieben werde, statt die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen. Nichts werde mit dem Gesetz billiger, sondern es werde vielmehr noch teurer. An dem Sozialtarif bemängelte er, dass davon nur zur Hälfte Österreicherinnen und Österreicher profitieren würden.

ÖVP: Gesetz wird für billigeren Strom sorgen

Das Gesetz werde dafür sorgen, dass Strom billiger werde, erklärte Tanja Graf (ÖVP). In den letzten Jahren seien viele Mittel in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert worden und nun würden die Netze dafür mitziehen und fit gemacht. Hinsichtlich des Netzkostenbeitrags sei ein verursacherorientierter Beitrag wichtig. Gleichzeitig sollen „Häuselbauer“ und Besitzer von Klein-PV-Anlagen nicht belastet werden. Zudem hob Graf die Bedeutung des Sozialtarifs hervor. 290.000 Haushalte würden von diesem profitieren und die Kosten würden die Energieversorger tragen.

Christoph Stark (ÖVP) hob die verbesserten Rechte für Endkundinnen und Endkunden hervor, die Preis-runter-Garantie, die Netzkostendämpfung, die gemeinsame Energienutzung sowie den Sozialtarif. Joachim Schnabel (ÖVP) betonte die Bedeutung der Energiepolitik für den Wirtschaftsstandort und die Wettbewerbsfähigkeit. Nico Marchetti (ÖVP) kritisierte die Freiheitlichen, diese würden nicht wissen, was sie wollten.

SPÖ: Neuer, fairerer, sozialerer und modernerer Abschnitt am Strommarkt startet

Mit dem Gesetzesbeschluss gelinge ein Paradigmenwechsel in der Architektur des österreichischen Strommarktes, zeigte sich Alois Schroll (SPÖ) über den anstehenden Beschluss und die Unterstützung der Grünen erfreut. Damit starte ein neuer, fairerer, sozialerer und modernerer Abschnitt am Strommarkt. In den Verhandlungen seien konkrete Entlastungen gelungen. So würden künftig 290.000 Haushalte vom Sozialtarif profitieren. Dieser bringe etwa einer Mindestpensionistin rund 300 Ꞓ an jährlicher Entlastung. Zudem müssten öffentliche Energieversorger künftig in ihrer Satzung die Leistbarkeit und das Gemeinwohl festhalten.

Reinhold Binder (SPÖ) freute sich über das „Update“ des zentralen Regelwerks für den Strommarkt, der auch eine Entlastung für die Menschen bringen werde. Der Sozialtarif werde niedrige Preise für jene Menschen garantieren, die am dringendsten Unterstützung benötigten. Zudem kritisierte Binder die Forderungen der Freiheitlichen, da diese 2,5 Mrd. Ꞓ kosten würden.

Franz Jantscher (SPÖ) thematisierte den wachsenden Wettbewerbsdruck und die drohende Abwanderung von Betrieben. Er sah die Strommarktreform als wichtigen Schritt, um dem entgegenzutreten.

NEOS freuen sich über Reform für Energiewende

Mit dem Gesetz werde ein System geändert und eine Reform initiiert, erklärte Karin Doppelbauer (NEOS). Damit werde die Energiewende, die erneuerbar, dezentral, mit Speichern versehen und digital sei, im Gesetz abgebildet und „gute Maßnahmen“ dafür verankert. Dieses werde unter anderem mehr Wettbewerb, mehr Planungs- und Kosteneffizienz beim Netzausbau sowie mehr Speicher bringen.

Markus Hofer (NEOS) sprach von einer „längst überfälligen“ Novellierung und Reform, die umfassende Verbesserungen bringen werde.

Grüne: Gesetz wurden Giftzähne gezogen

Das bestehende Elektrizitätswirtschaftsgesetz sei angesichts der stark veränderten Stromproduktion „heillos überaltert“ gewesen, sagte Leonore Gewessler (Grüne). Es brauche daher neue, dynamische, flexible und digitale Regeln. Die ursprünglich in der Regierungsvorlage vorgesehen Einspeisetarife wären ungerecht gewesen und hätten jene bestraft, die die Energiewende vorantrieben. Dieser „Fehler“ werde mit der Abänderung behoben. Große Anbieter würden damit auch einen planbaren Beitrag in einer vernünftigen Höhe leisten. Ebenso zeigte sich die Abgeordnete erfreut, dass der Sozialtarif für eine wichtige Gruppe nachgebessert werden konnte. Das Gesetz sei wichtig, werde aber die Stromrechnung nicht senken und dafür seien weitere Maßnahmen notwendig, erklärte sie.

Bis zuletzt habe es an dem Gesetzespaket Punkte gegeben, die nicht tragbar gewesen wären. Es seien dem Gesetz die „Giftzähne“ gezogen und gute Lösungen gefunden worden, erklärte Lukas Hammer (Grüne). Das Gesetz bringe ein neues Betriebssystem für den Strommarkt, werde Strom aber nicht billiger „zaubern“. Positiv befand der Abgeordnete auch die Ausweitung des Sozialtarifs auf Arbeitslose und Notstandshilfebeziehende.

Mittels eines Ausschussantrags wurden im Wirtschaftsausschuss redaktionelle Änderungen des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes und des Ökostromgesetzes initiiert. Einstimmig wurde dieser Antrag heute an den Ausschuss rückverwiesen. (Schluss Nationalrat) pst

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar


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