Rund 90 % der jungen Menschen in Österreich sehen die Demokratie als die beste Staatsform an. Doch nur noch 44 % finden, dass das heimische politische System auch gut funktioniert. 2018 waren es noch 69 %. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der Zusatzbefragung zum Demokratie Monitor 2024, die das Sozialforschungsinstitut Foresight im Auftrag des Parlaments mit Fokus auf die Jugend durchgeführt hat. Demnach fühlt sich nur mehr rund ein Drittel der 16- bis 26-Jährigen gut im Parlament vertreten und weniger als ein Viertel sieht derzeit seine Interessen bei politischen Entscheidungen berücksichtigt. 2018 waren beide Werte noch etwa doppelt so hoch.
Laut Studie zeigen diese Zahlen eine von den Jugendlichen wahrgenommene „Repräsentationslücke“, die sich in den vergangenen Jahren aufgetan hat. Damit im Zusammenhang stehe ein sukzessiver Vertrauensverlust in die politischen Institutionen. Die Ursache dafür stellen für die Jugendsprecher:innen der Parlamentsparteien die krisenhaften Entwicklungen der vergangenen Jahre und die damit verbundene Verunsicherung dar. Ebenso habe jedoch das konkrete Agieren von Politiker:innen und die Vernachlässigung der Bedürfnisse der Jugend zu diesem Misstrauen geführt.
Für die Zusatzstudie wurden zwischen 25. Oktober und 22. November 2024 303 Personen im Alter von 16 bis 26 Jahren mit Wohnsitz in Österreich befragt. Neben deren Einstellung zur Demokratie und ihren Institutionen befasste sich die Studie auch damit, wie junge Menschen mit Demokratie und dem Parlament in Berührung kommen und wie sie sich über politische Themen informieren.
Jugendsprecher:innen: Agieren von Politiker:innen ausschlaggebend für Vertrauensbildung
In Hinblick auf die politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre zeigte sich FPÖ-Abgeordneter Maximilian Weinzierl wenig verwundert über den Vertrauensverlust junger Menschen in die politischen Institutionen. Das Agieren der Bundesregierung in den Bereichen Migration, Pandemie-Bekämpfung oder Teuerung habe viele Jugendliche daran zweifeln lassen, dass sich die Politik „überhaupt für sie zuständig“ sehe. Nicht nur Jüngere fühlten sich „vor den Kopf gestoßen“ und hätten kein Vertrauen mehr in „das System“. Dieses könne nur durch eine „ehrliche Politik“ wiederhergestellt werden, die sich auch den Anliegen der Jugend annehme.
Heike Eder (ÖVP) erklärte das sinkende Vertrauen mit den vergangenen und gegenwärtigen Krisenerscheinungen sowie der damit einhergehenden Verunsicherung der Jugendlichen. Vor diesem Hintergrund sei es entscheidend, junge Menschen für Politik zu begeistern, damit sie ihre „Lebensrealitäten“ in Entscheidungsfindungsprozesse selbst einbringen könnten. Eder sprach von der Verantwortung politischer Funktionsträger:innen, ihrer Vorbildwirkung gerecht zu werden und verwies auf den „Bildungsauftrag“ der Schulen.
Neben den globalen Krisen identifizierte Paul Stich (SPÖ) eine mangelnde Glaubwürdigkeit von Politiker:innen als Ursache für die Skepsis der Jugendlichen. Gebrochene Versprechen aber auch fehlende Maßnahmen etwa zur Sicherung leistbaren Wohnens oder zur Förderung psychischer Gesundheit verstärkten den Eindruck, dass die Bedürfnisse junger Menschen nicht ernst genommen würden. Vertrauen sei „wie eine Kreditkarte“: Sei das Konto einmal überzogen, könne es nur mit harter Arbeit wieder aufgefüllt werden, so Stich.
Auch Yannick Shetty von den NEOS sah das konkrete Verhalten von Politiker:innen als entscheidenden Faktor. Die Studie zeige, dass keine Politikverdrossenheit unter den Jugendlichen vorherrschend sei, sondern eine „Politikerverdrossenheit“, zu der insbesondere Korruptionsfälle geführt hätten. Essenziell sei es, eine glaubwürdige Politik im Sinne der Jugend und der nächsten Generationen zu betreiben und nicht bloß „an die nächste Wahl zu denken“. Auch die Perspektive junger Menschen in die Politik einzubringen, könne deren Vertrauen in die Funktionalität der demokratischen Institutionen fördern.
Wenn Politiker:innen die Existenz der „Klimakrise“ in Abrede stellten und jungen Menschen damit „ein Stück Zukunft“ raubten, dürfe man sich über das Misstrauen von Jugendlichen nicht wundern, erklärte Barbara Neßler (Grüne). Um junge Menschen „abzuholen“ sei es notwendig, auf von diesen verwendeten Plattformen wie Instagram aktiv zu sein. Das sei jedoch ein „zweischneidiges Schwert“, da diese Plattformen nicht unabhängig seien. Gerade daher müsse in der Schule die Medienkompetenz stärker gefördert werden, wie Neßler ausführte. Da Demokratie von Engagement lebe, müsse man Jugendliche dazu ermächtigen, selbst politisch aktiv zu werden und damit aus der „Ohnmachtsfalle“ herauskommen.
Ergebnisse im Detail: Vertrauensverlust und Repräsentationslücke
Neben der grundsätzlich breiten Unterstützung der Jugendlichen für die Demokratie an sich, wird in der Studie ein Vertrauensverlust in die Institutionen des politischen Systems konstatiert. Während sich das Vertrauen etwa in die Polizei (66 %) oder die Justiz (61 %) in den vergangenen fünf Jahren auf einem stabilen Niveau hält, ist jenes in die Bundesregierung von 51 % im Jahr 2020 auf 39 % im Jahr 2024 sukzessive gefallen. Das Vertrauen in das Parlament ist wiederum von 2020 (56 %) auf 2021 deutlich gesunken und liegt seitdem relativ konstant bei rund 45 %.
Zurückgeführt wird diese Entwicklung in der Studie auf die krisenhaften Ereignisse der letzten Jahre, aber auch auf eine von den Jugendlichen wahrgenommene Repräsentationslücke. Diese sei im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie sichtbar geworden und habe sich dann verfestigt. Fühlten sich 2018 noch 64 % der 16- bis 26-Jährigen im Parlament gut vertreten, sind es 2020 42 % und seit 2021 konstant nur mehr 35 % gewesen. Lediglich 23 % denken derzeit, dass bei politischen Entscheidungen auch ihre Interessen berücksichtigt werden. 2018 waren es mit 51 % noch doppelt so viele. Nur rund die Hälfte der Befragten (47 %) glaubt, mit politischer Beteiligung etwas bewirken zu können.
Die wichtigsten politischen Anliegen der Befragten betreffen vor allem die ökonomische Lage des Landes (49 %), den Klimawandel (27 %) sowie den Bereich Migration und Integration (18 %).
Politische Information und Berührungspunkte mit der Demokratie
Im „Superwahljahr 2024“ informierten sich junge Menschen laut Befragung häufiger als in den Jahren zuvor über politische Themen und nahezu alle von ihnen (96 %) nutzten dazu mehr als einen Informationskanal. Auch heuer wurden die sozialen Medien wieder am häufigsten genutzt. 66 % informierten sich dort zumindest einmal pro Woche über politische Themen – mit 59 % ist Instagram dabei die führende Plattform. Dahinter folgen mit jeweils 57 % Tageszeitungen (Print oder online) sowie andere Internetseiten. Die Hälfte der Befragten nutzt zur politischen Information auch das Fernsehen mindestens einmal pro Woche.
Im Jahresvergleich informierten sich junge Menschen nicht nur häufiger über das politische Geschehen, es wurde auch vermehrt Thema in ihrem Alltag. Sprachen 2018 noch rund 20 % weder mit Freund:innen noch mit ihrer Familie oder mit Arbeitskolleg:innen über politische Themen, waren es 2024 nur mehr 5 %.
Mit dem Parlament als Herzstück der repräsentativen Demokratie hatten bislang rund vier Fünftel der Befragten (78 %) zumindest einmal Kontakt. Unter dessen Angeboten waren die Parlamentsführungen am bekanntesten – 60 % kannten diese. 45 % geben an, schon einmal eine Nationalratssitzung im Fernsehen oder online verfolgt und 19 %, eine solche Sitzung bereits vor Ort erlebt zu haben. 37 % haben die Social-Media-Kanäle des Parlaments genutzt und 34 % die Website besucht. An der Demokratiewerkstatt oder der DemokratieWEBstatt teilgenommen haben laut Studie jeweils 13 %.
In Hinblick auf das parlamentarische Geschehen äußerten die Befragten ein hohes Informationsbedürfnis. So wollten 57 % der 16- bis 26-Jährigen mehr darüber wissen, welche Gesetzesvorschläge gerade diskutiert werden. Jeweils rund die Hälfte wünschte sich mehr Informationen darüber, wie das Parlament bei EU-Gesetzen mitwirkt, wie es die Regierung kontrolliert und wie sie sich selbst bei neuen Gesetzesvorschlägen einbringen können. 45 % hätten gerne allgemein mehr Information zum Gesetzgebungsprozess.
Nachholbedarf sahen die Jugendlichen auch bei ihrer schulischen politischen Bildung. Aus ihrer Sicht haben sie vor allem zu wenig darüber gelernt, wie man politische Debatten führt (85 %) und wie die Qualität von politischen Informationen beurteilt werden kann (57 %). Etwa die Hälfte beurteilte die Aufklärung über ihre Rechte und ihre Beteiligungsmöglichkeiten als mangelhaft. (Schluss) wit
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