Zu den Medien-Plänen der FPÖ hält der ORF-Redaktionsrat fest:
Seit vielen Jahren diffamiert die FPÖ den ORF und seine Journalistinnen und Journalisten. Die Partei macht gezielt Stimmung gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seriöse Zeitungen. Dahinter stehen rein partei-politische Motive: Qualitäts-Medien sollen geschwächt werden. Der ORF soll finanziell ausgehungert werden, zum Kürzen seines Angebots gezwungen und personell nach den Wünschen der FPÖ umgebaut werden.
Über Jahre hinweg hat die FPÖ den ORF zu ihrem Feindbild aufgebaut. In der Regierung will sie umsetzen, was sie seit langem ankündigt: den ORF auf einen „Grundfunk“ zusammenstutzen, die Finanzierung massiv kürzen und den Rundfunk damit dem Gutdünken der Regierenden unterwerfen.
Worum es der FPÖ geht, hat der damalige Partei-Chef Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video erklärt: „Wir wollen eine Medienlandschaft ähnlich wie der Orban aufbauen.“ In Ungarn wird kritische Berichterstattung durch den Entzug öffentlicher Inserate sanktioniert, private Medien wurden von Orbans Gefolgsleuten aufgekauft und der öffentlich-rechtliche Rundfunk streng auf Regierungslinie gebracht. Für Österreich heißt das die Zerstörung des unabhängigen ORF.
Die FPÖ bezeichnet den ORF seit langem als „Staatsfunk“ und „Regierungsfunk“ – dabei strebt die Partei genau das an: einen staatlich finanzierten Sender, mit direktem Zugriff auf das Personal in Stiftungsrat und Management. Wer nicht im Sinne der FPÖ berichtet, wird als „linkslinker Parteigänger“ und „Gesinnungsjournalist“ gebrandmarkt. Missliebige Journalistinnen und Journalisten werden oft persönlich angegriffen, diffamiert und in den sogenannten Sozialen Medien der Beschimpfung und Bedrohung ausgesetzt.
Statt kritischen Journalismus und Qualitätsmedien zu unterstützen, will die FPÖ das Steuergeld in ihr nahestehende Medienkanäle lenken. Statt Information durch unabhängige Medien wie dem ORF und andere Qualitätsmedien, soll es Propaganda ganz im Sinne der Partei geben.
Dabei sind Qualitätsmedien eine wesentliche Infrastruktur jeder Demokratie und haben sich nach dem Ende der faschistischen und kommunistischen Diktaturen in Europa bewährt. Sie bieten einen einfachen Zugang zu umfassenden und seriösen Informationen für alle und garantieren eine ausgewogene Berichterstattung. Dies ist umso wichtiger in einer Zeit, in der mit gezielter Desinformation aus dem Ausland versucht wird, die Demokratien Europas zu beeinflussen, Wahlen zu manipulieren und die freien Gesellschaften zu destabilisieren. Glaubwürdige Qualitätsmedien sind in demokratischen Ländern unerlässlich, um diesen immer bedrohlicheren Angriffen standzuhalten.
Der ORF ist das dabei wichtigste Medium in Österreich – mit den höchsten Vertrauenswerten in der Bevölkerung. Fast 80 % aller Österreicherinnen und Österreicher ab 14 Jahren nutzen täglich das ORF-Angebot, 90 % nutzen es mindestens einmal pro Woche. Der ORF hat einen öffentlichen Auftrag, deswegen wird er öffentlich finanziert und kontrolliert – durch den Rechnungshof, die Medienbehörde und die ORF-Gremien und letztendlich durch unser Publikum selbst.
Fakten zur Finanzierung:
- Für 3,2 Millionen Haushalte ist die neue Haushaltsabgabe mit 15,30 Euro pro Monat um ein Drittel günstiger als die alte GIS. Für 50 Cent pro Tag bietet der ORF ein umfassendes Angebot im Radio, TV, Online und Streaming mit Information, Sport, Kultur und Unterhaltung.
- Der ORF spart bereits massiv: seit 2007 wurden fast 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut und in den vergangenen sieben Jahren 450 Millionen Euro eingespart. Die Gehaltsabschlüsse der vergangenen Jahre gehören zu den niedrigsten in ganz Österreich und lagen weit unter der Inflation.
- Rund 300.000 Haushalte mit geringem Einkommen sind von der Abgabe gänzlich befreit und haben trotzdem einen vollen Zugang zu allen ORF-Angeboten und damit die Möglichkeit zur Teilhabe an der Gesellschaft.
- Rund 100 Millionen Euro gehen direkt in die österreichische Filmwirtschaft und sichern dort die Arbeitsplätze.
- Rund 120 Millionen Euro gehen in die heimische Kultur, die mit dem ORF eine große Bühne bekommt.
- Rund 120 Millionen kommen dem heimischen Sport zugute.
Über den öffentlich-rechtlichen Mehrwert unserer Programme:
- ORF-Gesetz, Programmrichtlinien, Verhaltenskodex und ein Redaktionsstatut, dass Rechte und Pflichten der Journalistinnen und Journalisten festlegt, garantieren eine umfassende und gesetzlich festgelegte Qualitätssicherung.
- Die „Bundesland Heute“ Sendungen sind für viele Menschen in Österreich wichtige Informationsquelle über ihr Bundesland.
- Auf ORF 1 und ORF 2 sind rund 90 % des Programms untertitelt um hörbehinderten und schwerhörigen Menschen einen barrierefreien Zugang zu verschaffen.
- Mit „Nachrichten in einfacher Sprache“ in TV, Radio und Online ist der ORF europaweiter Vorreiter.
- Ö1 ist das erfolgreichste Kultur- und Informationsradio in Europa, ORF III einer der erfolgreichsten Kultur- und Informations-Fernsehsender.
- Ö3 bietet mit der einzigen 24-Stunden-Nachrichtenredaktion Österreichs rund um die Uhr verlässliche Informationen aus aller Welt.
- Der Radiosender FM4 leistet einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg junger österreichischer Musikschaffender.
- Für die jungen Menschen wurde mit der Präsenz der ZiB auf Social Media eine der erfolgreichsten Informationskanäle Europas geschaffen.
- Der ORF bietet Programm für alle anerkannten Volksgruppen in sechs Sprachen.
Das alles für 50 Cent pro Tag. Und das alles wird in Frage gestellt, wenn der ORF im Sinne der FPÖ umgebaut wird.
Wenn die ÖVP ihr Bekenntnis zu Demokratie und Medienfreiheit ernst meint, kann sie den Plänen des potenziellen neuen Regierungspartners nicht zustimmen.
Es sind nun die Tage der Entscheidung. Wir rufen alle Verantwortungsträger und die Zivilgesellschaft Österreichs auf, sich für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Qualitätsmedien einzusetzen. Der Schaden durch eine Zerstörung wäre nicht wieder gutzumachen.
Der Redaktionsrat
Dieter Bornemann, Simone Leonhartsberger, Peter Daser, Margit Schuschou
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. ORF-Redakteursrat