Buslenker:innen am Limit: Neue Studie belegt, Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden

Das Buslenken macht Freude, aber die Rahmenbedingungen bei dieser Arbeit stimmen nicht. Vielfach arbeiten die Lenker:innen an der Grenze ihrer Belastung und auch darüber hinaus. So lautet eines der zentralen Ergebnisse der neuen Studie zum Thema „Buslenker:innen am Limit: Möglichkeiten der Jobattraktivierung aus Sicht der Beschäftigten in der privaten Autobusbranche in Österreich“. Das Bündnis „Wir fahren Gemeinsam“ (Verkehrsgewerkschaft vida, AK Wien, Buslenker:inen sowie die Klimaschutzorganisationen Fridays For Future und System Change, not Climate Change!) stellt diese Studie in Kooperation mit der Universität Wien heute, Donnerstag in einer Pressekonferenz in Wien vor. Über 622 Buslenker:innen, die unter den Kollektivvertrag (KV) für private Autobusunternehmen fallen, haben österreichweit an der Befragung (qualitative Interviews und quantitative Online-Umfrage) teilgenommen.

„Die Studienergebnisse untermauern klar unsere Forderungen bei den aktuellen KV-Verhandlungen, dass die Arbeitsbedingungen für die Lenker:innen verbessert werden müssen, wenn man in Zukunft mehr Personal für ein breiteres Öffi-Angebot und eine rasche Mobilitätswende haben will“, betont Anil Zümrüt, Buslenker und Leiter des vida-KV-Verhandlungsteams für die Beschäftigten in privaten Autobusbetrieben. So antworteten auf die Frage „Welche Aspekte beschreiben Ihre Arbeit?“ fast 83 Prozent mit „Große Verantwortung“ gefolgt von „Stress“ (45,9 Prozent), „Gesundheitliche Belastung“ (38,3 Prozent) und „Überlastung“ (22,2 Prozent).

Mit der Studie „Buslenker:innen am Limit“ wurden die gegenwärtigen Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsverhältnisse im privaten Buslinienverkehr in Österreich durchleuchtet. Es wird aufgezeigt, wo und welche Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen notwendig sind, um den Beruf Buslenker:in zu attraktiveren, um bestehende Arbeitskräfte zu halten und neue für die unter Personalmangel leidende Branche zu gewinnen. Unzufriedenstellende Arbeits- und Rahmenbedingungen haben aus der Perspektive der Lenker:innen zur Folge, dass der Beruf Buslenker:in hinter seinem Potenzial als „guter Job“ zurückbleibt, führt Studienautorin Emma Dowling, Assoziierte Professorin für Soziologie an der Universität Wien bei der Pressekonferenz aus.

Weitere Studienergebnisse: Bei den Themen „Hoher Arbeitsdruck und Arbeitsverdichtung“ spielen eng getaktete Fahrpläne, erhöhtes Verkehrsaufkommen und nicht zuletzt der Personalmangel eine große Rolle. Der Frage „Wenn die Arbeitsbedingungen gleich bleiben, wird es für Arbeitgeber:innen schwer werden, neue Mitarbeiter:innen zu finden?“ stimmen über 81 Prozent der befragten Lenker:innen zu. Die Frage „Wie häufig machen Sie Überstunden?“ geben 35,7 Prozent an „mindestens einmal pro Woche“, 31,8 Prozent „fast täglich“, 23,8 Prozent „mindestens einmal pro Monat“. Nur 7,4 Prozent gaben an, „alle paar Monate“ oder „seltener“ (1,2 Prozent) Überstunden leisten zu müssen.

Wenig Planbarkeit und schwierige Vereinbarkeit bei der Diensteinteilung

Dass Lenker:innen oft an Sonn- und Feiertagen, sowie in der Nacht arbeiten führt in Kombination mit häufigem Einspringen und teilweise kurzfristigen Dienstplänen zu Schwierigkeiten. Allen voran wird hierdurch die Vereinbarkeit des Berufes mit Freund:innen, Familie, Hobbies, etc. erschwert: 91,2 Prozent sind davon massiv betroffen, erläutert Dowling weiter.

Unzufriedenheit besteht auch bezüglich der kollektivvertraglich geregelten Zuschläge und Gehaltsprogression. Zwar sind viele Lenker:innen mit ihrem Grundgehalt – das Einstiegsgehalt beträgt 2.773 Euro brutto im Monat – zufrieden, jedoch werden verschiedene Aspekte der Gehaltsregelungen als unzureichend empfunden. Hierzu zählen beispielsweise die Umstände, dass Teile der täglichen Pausen unbezahlt sind. 93 Prozent der befragten Lenker:innen gibt an, es wäre für eine Attraktivierung des Berufes „sehr wichtig“ oder „wichtig“, dass alle Pausen bezahlt werden. In den Interviews wird dies damit begründet, dass die gesamte Einsatzzeit im Gehalt Berücksichtigung finden sollte und die Pausen für das konzentrierte und sichere Fahren wichtig seien.

Weiters bemängeln die Lenker:innen in der Studie, dass es keine Sonntagszulage gibt und Nachtzuschläge nur in der Zeit von 0 bis 5 Uhr bezahlt werden, obwohl viele Lenker:innen auch vor null Uhr Nachdienst versehen. Es gibt den deutlichen Wunsch

nach stabileren Dienstplänen, besseren Pausenregelungen genauso sowie nach ausgedehnteren und höheren Nacht- und Sonntagszuschlagsregelungen. Demnach geben über drei Viertel der Befragten (76 Prozent) an, dass sie an Feiertagen oder am Sonntag arbeiten. Zudem arbeiten fast 40 Prozent nachts in der Zeit zwischen 0 und 5 Uhr.

Nach zehnjähriger Arbeit beim selben Betrieb eine Erhöhung des Bruttomonatslohns um ca. 20 Euro. Nach zwanzig Jahren liegt das Gehalt um etwa 40 Euro über dem Einstiegsniveau. Die Unzufriedenheit über diese Gehaltsprogression ist auch in der Befragung zu erkennen: Dort geben 95 Prozent der Lenker:innen an, dass sie es wichtig finden, dass Berufserfahrung mit einer besseren Bezahlung anerkannt werden sollte. Ein weiterer Aspekt des nicht zufriedenstellenden Arbeitsumfelds der Lenker:innen, abseits der KV-Regelungen stellt der oft fehlende Zugang zu Pausenräumen und sanitären Anlagen, WCs dar.

„Die Studienergebnisse sprechen eine klare Sprache. Es liegt jetzt an den Sozialpartnern, in den KV-Verhandlungen zu einer Einigung hinsichtlich eines besseren Arbeitsumfeldes für die Lenker:innen zu finden, wenn man eine ausreichende Personalvorsorge für die Zukunft gewährleisten will. Eine Möglichkeit, um diese Verbesserungen zu erreichen, ist auch, dem durch die Ausschreibungspflicht bedingten Wettbewerb im Linienbusverkehr entgegenzuwirken: Es könnte etwa an der Kostengünstigkeit als zentraler Auswahlfaktor und an der Aufwertung der sozialen Kriterien in den Ausschreibungsverfahren geschraubt werden. Eine wichtige Grundregelung bestünde darin, Gemeinwohlorientierung in der Finanzierung und Bereitstellung öffentlicher Güter allgemein durchzusetzen“, fasst Studienautorin Dowling zusammen.

Fast alle in der Studie erwähnten Probleme ließen sich umgehend von den Sozialpartnern in der nächsten KV-Verhandlungsrunde am 24.1.2025 lösen. Wir haben unsere Forderungen bereits der Wirtschaftskammer Österreich übermittelt und in der ersten KV-Runde, abgesehen von Lohnerhöhungen, bereits verbindliche Zusagen hinsichtlich dringend notwendiger Verbesserungen im KV-Rahmenrecht gefordert. Das betrifft etwa – wie die Studienergebnisse dokumentieren – die Arbeitsbedingungen, Zulagen- und Arbeitszeiten sowie den Personalmangel: 5.000 Buslenker:innen fehlen in den kommenden Jahren alleine in Wien“, ergänzt vida-KV-Verhandler Zümrüt.

„Wir befördern die wertvollste Fracht, die es gibt, wir befördern Menschen. Auf der anderen Seite sind wir auch Menschen mit Familien, Bedürfnissen, Wünschen, Pflichten und Sorgen. Der Druck bei unserer Arbeit ist nie ganz weg – Spontanität und Flexibilität werden zur Selbstverständlichkeit und begleiten uns bis ins Privatleben hinein“, bringt Gregor Stöhr, vida-Gewerkschafter und Klimaschutzaktivist, die Situation der Buslenker:innen auf den Punkt und fügt hinzu: “Dagegen hilft nur eins, nächster Halt gute Arbeitsbedingungen!“

„Unser Bündnis „Wir-Fahren-Gemeinsam“ steht für den gemeinsamen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen für uns Buslenker:innen und für den raschen Ausbau der Öffis, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Wir müssen jetzt Nägel mit Köpfen bei den Arbeitsbedingungen machen, wenn es in Zukunft noch ausreichend Busfahrer:innen geben soll. Schließlich hat sich auch heuer beim Hochwasser im September gezeigt, wer einspringen muss, wenn andere nicht mehr fahren können: Es waren die Buslenker:innen, die den Schienenersatzverkehr bedient haben“, bekräftigt Stöhr.

„Wir Buslenker:innen tragen den Öffi-Ausbau mit und deshalb ist auch für die Klimaaktivist:innen von Fridays for Future und System Change not Climate Change! klar: Der Kampf für bessere Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Verkehr und der Klimaschutz gehen Hand in Hand. Wir müssen bei der Qualität der Öffis weiter daran arbeiten, dass ihre Nutzung von vielen Menschen nicht mehr als Verzicht auf den PKW, sondern als eine Bereicherung ihrer Mobilität wahrgenommen wird. Deshalb ist mein Appell an eine kommende Bundesregierung auch, Budgetsanierung darf nicht auf Kosten des Öffentlichen Verkehrs und seiner Beschäftigten gehen. Denn das würde nur der Mobilitätswende und dem Klimaschutz schaden“, so Stöhr abschließend.

Fotos von der Pressekonferenz sind ab ca. 12 Uhr unter diesem Link erhältlich:

https://drive.google.com/drive/folders/1erxkXZt-0knyCqg2lfT3eYiAMaSkzlyx

Die gesamte Studie „Buslenker:innen am Limit“ ist unter diesem Link verfügbar:

https://emedien.arbeiterkammer.at/resolver?urn=urn:nbn:at:at-akw:g-7085301

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