Nehammer und Edtstadler informieren Abgeordnete vor EU-Gipfel

Bevor Bundeskanzler Karl Nehammer morgen und übermorgen bei einem Treffen des Europäischen Rats mit den Führungsspitzen der restlichen Mitgliedstaaten zusammenkommt, informierte er im heutigen EU-Hauptausschuss gemeinsam mit EU-Ministerin Karoline Edtstadler die Abgeordneten über die zentralen Themen des Treffens. Die Ukraine, der Nahe Osten, Migration und die globale Rolle der EU werden im Fokus der Debatte stehen. Zum Gipfeltreffen eingeladen sind auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und die Präsidentin des Europäischen Parlaments Roberte Metsola, berichtete Nehammer.

Da der Hauptausschuss zum ersten Mal in der neuen Legislaturperiode zu EU-Angelegenheiten zusammengekommen war, beschlossen die Mitglieder einstimmig, wie üblich, die Behandlung von konkreten EU-Vorhaben an den EU-Unterausschuss zu übertragen.

Nehammer und Edtstadler legen zentrale Punkte dar

Angesichts des seit mehr als 1.000 Tagen andauernden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unterstrich der Bundeskanzler erneut das österreichische Bekenntnis zur Unterstützung der Ukraine im Einklang mit der Neutralität. Putin allein könne den Krieg jederzeit beenden. Für Nehammer sind daher offene Kommunikationskanäle nach Moskau – auch mithilfe der BRICS-Staaten – wichtig.

Mit Blick auf Syrien betonte Nehammer, dass viele Entwicklungen noch im Fluss seien. Es gelte aber, die EU-Politik gegenüber dem Land neu zu bewerten. Syrien müsse in seiner territorialen Integrität erhalten bleiben, so der Kanzler. Um die Rückkehr von Flüchtlingen zu ermöglichen, gelte es auch, Perspektiven vor Ort zu schaffen. Man müsse daher auch über die derzeit aufrechten Sanktionen gegen Syrien sprechen. Weiterhin angespannt sei die Lage in Gaza. Österreich werde sich weiterhin dafür einsetzen, dass alle Geiseln freikommen und mehr humanitäre Hilfe nach Gaza gelangt, sagte der Bundeskanzler.

Das Thema Migration sei in Europa ein „Bohren harter Bretter“, meinte Nehammer. Österreich habe aber dazu beigetragen, einen Paradigmenwechsel in der europäischen Migrationspolitik herbeizuführen. Man werde weiterhin auf die Fokussierung auf Rückführungen und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten pochen, so der Kanzler. Intensiviert werden müssen aus Nehammers Sicht die Beziehungen zu den USA. Außerdem brauche es ein starkes Signal für den Westbalkan auf dessen Weg zur EU.

EU-Ministerin Karoline Edtstadler berichtete, dass sie sich gestern beim vorbereitenden Treffen für den EU-Gipfel dafür eingesetzt habe, dass das Thema Migration hoch oben auf der Agenda bleibt. Sie habe zudem eine Diskussion zum ansteigenden Antisemitismus als Konsequenz der Gewalt im Nahen Osten gefordert. Klarere Worte habe sie sich auf EU-Ebene gegenüber den Beitrittskandidaten gewünscht.

Ukraine: Über 1.000 Tage Krieg

Man verzeichne nicht nur über 1.000 Tage Krieg in der Ukraine, sondern auch über 1.000 Tage, an denen die EU keine einzige Friedensinitiative gesetzt habe, kritisierte Susanne Fürst (FPÖ). Nehammers Ansinnen, die BRICS-Staaten ins Boot zu holen, fand sie gut. Allerdings erinnerte sie daran, dass Russland Teil von BRICS ist und die Positionen sich von den europäischen unterscheiden. Er halte die BRICS-Staaten für eine sehr wichtige Gruppe, insbesondere wegen Indien, sagte Nehammer.

Jörg Leichtfried (SPÖ) meinte, es wäre gut, wenn die FPÖ langsam erkennen würde, dass Russland der Aggressor und die Ukraine das Opfer ist. Die Freiheitlichen seien gut mit Russland befreundet und würden für Putin in Österreich Politik machen, lautete sein Vorwurf. Nikolaus Scherak (NEOS) zeigte sich überzeugt, dass ein Sieg der Ukraine die oberste Priorität der EU sein müsse. Denn die Ukraine verteidige die Freiheit des ganzen Kontinents.

Meri Disoski (Grüne) thematisierte die russischen Angriffe auf die Energieinfrastruktur in der Ukraine. Sie wollte wissen, wie Österreich innerhalb der EU beim Aufbau dieser Infrastruktur unterstütze. Das Klimaschutzministerium habe einen Fonds mit 15 Mio. Ꞓ ins Leben gerufen, berichtete Ministerin Edtstadler.

Debatte über Entwicklungen in Syrien und Gaza

Kritik an der EU übte Susanne Fürst (FPÖ) auch angesichts der Reaktion auf den Sturz Assads. Denn man habe damit auch die Freude über den Sieg der Islamisten ausgedrückt. Ihrer Meinung nach sollte Österreichs Interesse nun die Rückkehr der Menschen aus Syrien sein. Sie wollte wissen, ob österreichische Hilfsgelder an die Bedingung geknüpft seien, dass Syrien die Personen zurücknimmt. Österreich habe 3 Mio. Ꞓ für UN-Hilfsorganisationen bereitgestellt, informierte der Kanzler. Das Geld fließe nicht an eine etwaige syrische Verwaltung.

Für Meri Disoski (Grüne) kann der Sturz des Assad-Regimes eine Chance für Syrien sein, er berge aber auch Risiken. Die Abgeordnete interessierte sich dafür, welche Schritte Österreich im Rahmen der EU setzen könne, um die Verankerung demokratischer Rechte in einer Nachkriegsordnung in Syrien zu unterstützen. Eva Maria Holzleitner (SPÖ) schlug in dieselbe Kerbe und betonte, dass insbesondere Frauenrechte in den Blick genommen werden müssten. Dem stimmte Ministerin Edtstadler zu. Es gebe derzeit ein „window of opportunity“ in Syrien, auch zur Verankerung von Frauenrechten bzw. Menschenrechten generell.

Manfred Sams (SPÖ) interessierte sich für die geopolitische Lage im Norden Syriens, insbesondere für den Schutz der Kurdinnen und Kurden. Die Situation sei dort sehr angespannt, so Nehammer. Er sprach sich dafür aus, alles zu tun, um die Konflikte im Norden Syriens zu deeskalieren.

Die Lage in Gaza thematisierte Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Sie wollte wissen, wie man auf europäischer Ebene damit umgehen werde, dass das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) laut israelischem Beschluss ab 1. Jänner nicht mehr in Israel tätig sein darf. Bundeskanzler Nehammer blieb die Antwort darauf zwar schuldig, berichtete aber, dass Österreich die Unterstützung von UNRWA nach einem vorübergehenden Aussetzen wieder aufgenommen habe.

Migration: Europäische vs. nationalstaatliche Lösungen

Nicht auf die EU verlassen will sich Dagmar Belakowitsch (FPÖ) beim Thema Migration. Sie forderte nationale Maßnahmen für einen Migrationsstopp. Europa vertrage keine Migration mehr aus muslimischen, arabischen Ländern. Die Demonstration von Syrer:innen in der Wiener Innenstadt und vor dem Parlament anlässlich des Sturz Assads habe ihr „Angst bereitet“.

Ernst Gödl (ÖVP) rief dazu auf, bei den Fakten zu bleiben. Österreich habe es geschafft, „die Asylbremse anzuziehen“, die Antragszahlen seien massiv zurückgegangen. Für die Einhaltung des rechtsstaatlichen Verfahrens bei der Prüfung von Asylanträgen plädierte Agnes Sirkka Prammer (Grüne).

Von Nikolaus Scherak (NEOS) nach Rückführungsabkommen der EU gefragt, gab Karoline Edtstadler Auskunft über ein bestehendes Abkommen mit Tunesien. Weitere seien mit dem Libanon und Marokko geplant, sagte sie.

Neue Entwicklungen beim Mercosur-Abkommen

Von den Freiheitlichen zum Thema gemacht wurde auch das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten. Fürst ortete einen „Alleingang“ von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem Vorhaben, das Abkommen in einen politischen und einen wirtschaftspolitischen Teil zu splitten. Sie erinnerte daran, dass das Parlament bereits 2019 einen Beschluss gefasst habe, der die Bundesregierung dazu verpflichte, gegen das Abkommen zu stimmen. Nun brachte sie einen erneuten Antrag auf Stellungnahme ein, der die Regierung auffordern sollte, das Handelsabkommen Mercosur auch im Falle einer Aufsplittung in allen Teilen abzulehnen.

Jörg Leichtfried (SPÖ) betonte, dass die Sozialdemokratie Handelsabkommen der EU prinzipiell sehr kritisch sehe. Er teile zwar den Skeptizismus des FPÖ-Antrags. Allerdings gebe es bereits zwei Beschlüsse, die die Regierung weiterhin binden. Über einen erneuten Antrag sollte man seiner Meinung nach erst diskutieren, wenn ein neues Abkommen am Tisch liege. Vonseiten der Grünen sah Meri Disoski ebenfalls keine Notwendigkeit, über den Antrag zu diskutieren, weil die Regierung bereits an eine Position gebunden sei. Auch Michael Hammer (ÖVP) sah keinen Grund für einen neuen Beschluss, zumal ein etwaiges Splitting derzeit eine „reine Vermutung“ sei.

Grundsätzlich positiv äußerte sich Nikolaus Scherak (NEOS) zu Handelsabkommen. Sie würden Wohlstand und Wachstum für die EU bringen. Ein Splitting halte er nicht für intelligent.

Auch Karoline Edtstadler meinte, eine Teilung in mehrere Teile sei aus österreichischer Sicht nicht sinnvoll. Es sei klar, dass die Bundesregierung weiterhin durch den Parlamentsbeschluss gebunden sei. Das unterstrich auch Bundeskanzler Nehammer. Der FPÖ-Antrag auf Stellungnahme wurde abgelehnt.

Weitere Themen: USA, EU-Erweiterung und Resilienz

Den zweitwichtigsten Handelspartner Österreichs, die USA, sprach Peter Haubner (ÖVP) an. Er zeigte sich überzeugt, dass es wichtig sei, die Beziehungen zu intensivieren. Das unterstrich auch Karl Nehammer.

Eva Maria Holzleitner (SPÖ) fragte den Kanzler, wie er die Bemühungen der USA nach einem Waffenstillstand und einer völkerrechtskonformen Lösung in der Ukraine angesichts des Wechsels der Präsidentschaft wahrnehme. Donald Trump sei in höchstem Maß interessiert daran, dass der Krieg ende, sagte Nehammer.

Carina Reiter (ÖVP) erkundigte sich bei Karoline Edtstadler nach Fortschritten in der EU-Erweiterung. Zu Beginn ihrer Amtszeit habe sie auf EU-Ebene immer darum bitten müssen, dass das Thema diskutiert werde, sagte Edtstadler. Nun sei Dynamik in den Prozess gekommen.

Pia Maria Wieninger (SPÖ) ging auf den Bericht „Safer Together“ ein, der die Resilienz, Vorsorge und Verteidigungsfähigkeit der EU adressiert. Es sei richtig und wichtig, alle Initiativen zur Verbesserung der Widerstandskraft zu unterstützen, betonte Nehammer. (Schluss EU-Hauptausschuss) kar/gla


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