FPÖ fordert in der Europastunde eine deutliche Kurskorrektur in der EU

Nicht den „Interessen von Brüssel, sondern den Anliegen und Sorgen der Bevölkerung verpflichtet“ sehen sich die Freiheitlichen, die in der heutigen Aktuellen Europastunde im Nationalrat eine deutliche Kurskorrektur in der Union einforderten. In der hitzig geführten Debatte sprach sich etwa FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst gegen eine Politik der offenen Grenzen, die Behinderung der Wirtschaft, die Unterdrückung der Souveränität der Mitgliedstaaten sowie den eingeschlagenen „Kriegskurs“ in der Ukraine aus.

Mit einem scharfen Konter reagierte die Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler, die von einer „Anti-Europastunde“ sprach. Allen außer der FPÖ sei klar, dass nur konstruktive Debatten und gemeinsame Lösungen die Union nach vorne bringen würden. Wenn ein Kurswechsel angestrebt werde, dann müsse dieser in die richtige Richtung gehen, betonte Edtstadler, die unter anderem auf Erfolge Österreichs beim Ausbau des EU-Grenzschutzes verwies.

Am weiteren Schlagabtausch beteiligten sich nicht nur die Redner:innen der einzelnen Fraktionen im Nationalrat, sondern auch die Europa-Abgeordneten Harald Vilimsky (FPÖ) Wolfgang Brandstetter (NEOS) und Lena Schilling (Grüne).

Fürst: EU steht für Behinderung der Wirtschaft und Unterdrückung der Souveränität der Mitgliedstaaten

„Kriegstreiber statt Friedensstifter, Teuro statt Schilling, Massenmigration statt Grenzschutz, Zentralismus statt Souveränität – nach 30 Jahren EU-Mitgliedschaft ist eine Kurskorrektur zwingend notwendig!“ lautete der genaue Titel der Aktuellen Europastunde, der von der Erstrednerin der Freiheitlichen Abgeordnete Susanne Fürst begründete wurde. Diese Themenwahl bekräftige, dass sich ihre Fraktion als einzige mit den „berechtigten Anliegen und Sorgen“ der Bürger:innen befasse, die schon bei den EU-Wahlen im Juni 2024 zum Ausdruck gebracht worden seien. Diese reichten von den Auswirkungen der Masseneinwanderung, den Fragen rund um Sicherheit und Krieg, den Sorgen um Arbeitsplätze und Wohlstandverlust bis hin zur „Übergriffigkeit der Union“. Die letzten Wahlergebnisse würden deutlich zeigen, dass die Bevölkerung es den Freiheitlichen zutraue, diese Probleme auch lösen zu können.

Die FPÖ stehe nämlich für eine selbstbewusste Friedens- und Sicherheitspolitik in der EU statt einer „Kriegseuphorie“, für eine „seriöse Geld-, Finanz- und Handelspolitik“ statt „Verschwendungswahn und Regulierungswut“, für eine Zuwanderung von qualifizierten Leuten statt einem „zügellosen und ungesteuerten Zuzug von Leuten aus fremden Kulturen“, für eine strikte Kontrolle der EU-Außengrenzen sowie für funktionierende EU-Organe, die sich an die Verträge halten. Österreich sei im Jahr 1995 einem „großartigen Projekt“ beigetreten, das sich in den letzten Jahrzehnten leider in das „krasse Gegenteil“ der ursprünglich festgelegten Ziele verwandelt habe. Statt sich um die Interessen der Bürger:innen zu kümmern, sei „Brüssel abgehoben“ und habe sich zudem der „Planetenrettung“ verschrieben, urteilte Fürst. Die EU stehe mittlerweile für die „Behinderung der Wirtschaft und Wertschöpfung“, für die Unterdrückung der Souveränität der Mitgliedstaaten und für eine massive Belastung der Bevölkerung. Fürst plädierte auch für ein „weg mit den Klimazielen“, denn statt der Rettung der Welt brauche es eine Rettung des Binnenmarktes und einen effektiven Schutz der Grenzen.

Edtstadler: FPÖ schürt Ängste und spaltet die Gesellschaft

Nicht nur die Welt sei aus den Fugen geraten, auch die Europäische Union stehe vor großen Herausforderungen, räumte Bundesministerin Karoline Edtstadler ein. Gerade angesichts der geopolitischen Verwerfungen sei es besonders wichtig, auf der globalen Bühne als eine starke Gemeinschaft aufzutreten. In manchen Fragen brauche es daher sicher einen Kurswechsel, aber nicht in jene Richtung, die von den Freiheitlichen propagiert werde. Was den Schutz der Außengrenzen betreffe, so habe gerade Österreich „den Finger in die Wunde gelegt“ und sich massiv dafür eingesetzt, dass es zu Fortschritten komme, erinnerte sie. Dieser Kurswechsel sei daher schon eingeleitet worden. Das unterscheide die ÖVP auch von den Freiheitlichen, die nämlich an wirklichen Lösungen nicht interessiert sei und deren „Latein an der Problembeschreibung ende“. Eine „Retro-Politik, Glorifizierung der Vergangenheit und falsche Behauptungen“ würden niemanden weiterbringen. Damit würden nur Ängste geschürt und die Gesellschaft gespalten, kritisierte Edtstadler mit Nachdruck. Die EU habe in den letzten 30 Jahren so viel Positives erreicht, blickte die Ministerin zurück, und die damit verbundenen Werte, der Wohlstand und Frieden müssen weiter aufrecht erhalten werden.

FPÖ: Bevormundung durch Brüssel muss beendet werden

Knapp 30 Jahre nach dem österreichischen EU-Beitritt brauche es endlich wieder mehr Selbstbestimmung und Reformkraft, zeigte sich Harald Vilimsky, der für die Freiheitlichen im Europaparlament sitzt, überzeugt. Ein Kurswechsel sei nicht nur in Österreich, sondern auch in der EU dringend notwendig. Der freiheitliche Delegationsleiter im EU-Parlament machte vor allem die Europäische Volkspartei und ihre Vertreter:innen für zahlreiche Fehlentwicklungen verantwortlich. Als Beispiele führte er die „gigantische Verschuldung, die problematische Impfstoffbeschaffung sowie die Waffenlieferungen für die Ukraine an, für die Milliarden Euro verschwendet worden seien. Gleichzeitig würden die Menschen in Europa unter den wirtschaftlichen Folgen leiden.

Es sei daher an der Zeit, Österreich zurückholen und die Bürger:innen mitentscheiden zu lassen. Nachdem die FPÖ nun Teil der drittstärksten Kraft auch im EU-Parlament sei, werde man dafür sorgen, dass die Zukunft auf allen Ebenen erfolgreich gestaltet werde, betone Vilimsky. Es sollte nämlich das prioritäre Ziel der Politik sein, alles für die österreichische Bevölkerung zu tun, schloss sich Abgeordneter Axel Kassegger den Argumenten an. Im Besonderen zeigte er sich besorgt über die aktuelle wirtschaftspolitische Ausrichtung der EU sowie über die Bürokratie, die vor allem die kleinen und mittleren Unternehmen in einem untragbaren Ausmaß belasten würden. Vor allem die Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen „mache, was sie will“ zeigte sich sein Fraktionskollege Gernot Darmann (FPÖ) empört, der ihr den Bruch von Europarecht vorwarf. Dies konnte man etwa bei ihrer Vorgangsweise gegenüber Ungarn sehen, das bezüglich der Finanzierung des Krieges in der Ukraine ein Veto eingelegt habe. Auch die Unterzeichnung des Mercosur-Vertrags sei ein weiteres Beispiel dafür.

ÖVP warnt angesichts von geopolitischen Krisen vor einer europafeindlichen Haltung

Abgeordneter Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) wies darauf hin, dass Österreich nicht nur Exportweltmeister sei, sondern in einem besonderen Ausmaß von der Mitgliedschaft in der Union profitiert habe. Statt sich zu dieser Grundlage des heimischen Wohlstands zu bekennen, nehme die FPÖ eine „europafeindliche“ Haltung ein, die bis hin zu einem „Raus aus der EU in Richtung europäischer Wirtschaftsraum“ reiche, wie es Klubobmann Kickl einmal formuliert habe. Dies sei in Zeiten, in denen es diverse geopolitischen Krisen gebe und „Handelskriege toben“, aber das Gefährlichste, das man machen könne, warnte Hattmannsdorfer. Er sprach in diesem Zusammenhang von einem „Verrat am Wohlstand und an den Arbeitsplätzen“. Die „matchentscheidende Frage“ sei vielmehr, wie man wieder ein ausreichendes Wirtschaftswachstum erreichen und wie Europa durch eine aktive Standortpolitik gestärkt werden könne.

Carina Reiter (ÖVP) erinnerte unter anderem daran, dass die Einführung des Euro im Jahr 2002 die Wirtschaft Österreichs deutlich gestärkt habe. Zahlreiche Studien würden belegen, dass damit Milliardensummen pro Jahr eingespart werden könnten. Weiters machte die ÖVP-Mandatarin auf die Leistungen der EU in Sachen Sicherheit aufmerksam; die Union habe nicht umsonst 2012 den Friedensnobelpreis erhalten. Wer dann von „Kriegstreiberei“ spreche, verkenne die Realität und verdrehe die Tatsachen.

SPÖ wirft Kickl eine unverantwortliche und eine schlechte Politik für Österreich vor

SPÖ-Abgeordneter Jörg Leichtfried fasste den „abstrusen“ Titel der Europastunde mit den Worten „zurück zum Schilling, raus aus der EU und weg mit allem, was Europa bedeutet“ zusammen. Errungenschaften oder Vorteile für Österreich wie der Binnenmarkt, die Fördergelder, das Erasmus-Programm, der europaweite Konsumentenschutz, die Abschaffung von Roaminggebühren, die Reisefreiheit oder der Erhalt des Friedens seit 80 Jahren in Zentraleuropa würden somit einfach vom Tisch gewischt. Diese von Klubobmann Kickl vorgegebene Positionierung sei nicht nur unverantwortlich, sondern auch schlecht für Österreich. Natürlich müsse man offen über Problemfelder sprechen, schränkte Leichtfried ein, aber man könne doch nicht einen Austritt aus der EU vorschlagen, auch wenn dieser von Kickl „klausuliert“ formuliert werde. Mit Vehemenz kritisierte Leichtfried auch die von der FPÖ angestrebte „politische Isolation“ Österreichs, zumal sich die Freiheitlichen an Orban und Putin „anbiedern“ würden.

Eva Maria Holzleitner (SPÖ) führte zudem noch aktuelle Errungenschaften der EU in Sachen Gleichstellung, grenzüberschreitender Schutz der Arbeitnehmer:innen oder bei

Kontrolle der Lieferketten ins Treffen. Auf dieser Basis gelte es weiterzuarbeiten und es müsse dafür gesorgt werden, dass etwa Großkonzerne einen faireren Beitrag leisten, die soziale Säule gestärkt und eine solidarische Linie in der Asyl- und Migrationspolitik vorangetrieben werde. Im Sinne der Frauenrechte plädierte Holzleitner zudem dafür, wachsam die Entwicklungen in Syrien zu verfolgen.

NEOS: Gemeinsam die Zukunft gestalten statt eines „verstaubten Retrokurses“

NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger stellte die Vermutung an, dass der von der FPÖ gewählte Titel für die Europastunde von ChatGPT erstellt wurde, wobei alles, was es an Polemik über die EU gebe, zusammengewürfelt“ wurde. Wenn es nicht so erst wäre, könnte man darüber lachen, dass sich die FPÖ selbst als Zukunftskraft bezeichne, aber gleichzeitig den Schilling zurück haben will. Ein Zurück zum EWR wiederum würde bedeuten, dass Österreich nicht mehr mitbestimmen könne und als kleines Land dem ausgeliefert sei, was andere Staaten beschließen. Die klare Forderung nach einem „Öxit“ werde nur deshalb nicht so laut ausgesprochen, weil die Mehrheit der Bevölkerung nicht dafür sei, kam Meinl-Reisinger zum Schluss. Verschwiegen werde aber auch die Tatsache, dass 700.000 Arbeitsplätze direkt von der EU-Mitgliedschaft Österreichs abhängen.

Helmut Brandstätter, Europaabgeordneter der NEOS, zählte zahlreiche Handlungsfelder auf, in denen es ein Mehr an Europa brauche. Gemeinsame Anstrengungen seien unter anderem in Sachen Reindustrialisierung, der Versorgung mit Energie, dem Forschungssektor oder der Verteidigung gefordert. Zum Vorwurf der Kriegstreiberei gegenüber der EU hielt Brandstätter den Freiheitlichen entgegen, dass sie nie in die Ukraine gefahren seien. Stattdessen habe Kassegger die besetzte Krim besucht und „dort mit den Putin-Leuten gefeiert“, dass „in der Ukraine die Menschen umgebracht werden“. Auch Veit Dengler (NEOS) befasste sich mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine, der grundsätzlich völkerrechtswidrig sei. Nicht zulässig sei es zudem, wenn in einem Krieg Wohnhäuser, Spitäler und Schulen bombardiert werden, Massenvergewaltigungen stattfinden oder Kinder verschleppt werden. Solange das Führen von Kriegen zum Erfolg führe, werden Aggressoren immer wieder zu neuen Schlägen ausholen, zeigte Dengler auf. Umso wichtiger sei es daher, die Ukraine zu unterstützen. Wer dagegen sei, befürworte hingegen die Unterwerfung und die Versklavung des ukrainischen Volkes, unterstrich er.

Grüne beklagen die Diffamierung der europäischen Werte durch die FPÖ

Die heutige Debatte laufe nach einem bekannten Schema ab, nämlich dass die FPÖ die EU für alles verantwortlich machen wolle, meinte Abgeordnete Meri Disoski (Grüne). Diese Kritik verfehle nicht nur die Realität, sondern verschleiere auch die mit den Problemen verbundene Verantwortung. Mit dem Hinweis auf die zahlreichen großen Herausforderungen, vom Asyl- und Migrationsbereich bis hin zu Russlands Krieg in der Ukraine, untermauerte sie ihr „Plädoyer für ein starkes Europa“. Für all diese Probleme seien nationalstaatliche Alleingänge „nach ungarischem Vorbild“ keine adäquate Antwort. Besonders verwerflich sei, dass die Unterstützung für die Ukraine – und somit alle Werte, die Europa ausmachten – als „Kriegstreiberei“ diffamiert werde.

Lena Schilling, die die Grünen im Europaparlament vertritt, führte ins Treffen, dass Europa durch den Zusammenschluss in einer gemeinsamen Union auf die längste Friedensperiode verweisen könne, die es je gegeben habe. Sie sei zudem in einem Europa aufgewachsen, das bewiesen habe, dass es in Krisenzeiten zusammenarbeite und in dem man sich frei bewegen könne. Bedauerlicherweise sei dieses Europa zurzeit bedroht, urteilte sie, da ein „Größenwahnsinniger“ im Kreml Krieg und Zerstörung über den Kontinent bringe und die Abhängigkeit von Gas als Waffe nutze. Auch von innen würde es Bedrohungen geben, da es immer mehr Gruppierungen gebe, die „Autokratien anhimmeln“ und mit Rassismus, Sexismus, Hass und Hetze die Union spalten wollen. Besonders besorgt zeigte sich Schilling darüber, dass im Klimaschutz „zurückgerudert“ werde und dass die Millionen Menschen, die schon jetzt davon massiv betroffen seien, alleine gelassen würden.

Bundesminister und Klubobmann der Grünen Werner Kogler erinnerte die Freiheitlichen daran, dass sie nicht 100 %, sondern nur 28 % der Stimmen bei den Nationalratswahlen erhalten haben. Sie hätten daher kein Recht dazu, den anderen Fraktionen auszurichten, sie seien die „nicht Normalen“. Die FPÖ würde auch übersehen, dass die europäische Einigung eine historische Höchstleistung und eine Erfolgsgeschichte sei. Ebenso wie Schilling sprach er zudem die Bedrohungen der Union von außen und innen an. Es gebe eine „Achse des Schreckens“, der man sich mit aller Kraft entgegenstellen müsse. Die bestehenden Schwächen, die niemand leugne, können aber nur in Kooperation überwunden werden. Kogler schloss mit einem Zitat von Adenauer: „Europa war zunächst ein Traum von wenigen, dann die Hoffnung für viele und jetzt eine Notwendigkeit für alle“. (Fortsetzung Nationalrat) sue

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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