Armutskonferenz: Schlechte Sozialhilfe verhindert, dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können

„Wer von Problemen der Sozialhilfe in Wien spricht, darf zu den Missständen in Niederösterreich, Oberösterreich und anderen Bundesländern nicht schweigen“, fordert das Netzwerk Armutskonferenz “genauer hinzusehen”. Menschen mit Behinderungen, die nicht selbsterhaltungsfähig sind, wird die Sozialhilfe verwehrt, wenn diese bei ihren Eltern leben. Das geschieht auch dann, wenn ein Elternteil Alleinerhalter ist und selbst nur über sehr niedrige Einkünfte verfügt und dem Kind somit kaum Unterstützung zukommen lassen kann. Volljährige Betroffene werden sogar gezwungen, ihren Eltern einen Teil der oftmals geringen Pension per Unterhaltsklage wegzunehmen. Und wenn sie den Schritt aus der sogenannten «Behindertenhilfe» in eine eigene Wohnung und damit in mehr Selbstständigkeit wagen, schlagen diese Regelungen in der Sozialhilfe behindernd zu. Die schlechte Sozialhilfe verhindert, dass Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben führen können, so die Armutskonferenz.

Unterhaltspflicht für Kinder mit Behinderungen begrenzen

Menschen mit Behinderungen, die den Schritt aus der Wohneinrichtung in eine eigene Wohnung und damit mehr Selbstständigkeit wagen, bezahlen dafür häufig einen hohen Preis. In den meisten Bundesländern werden Geldleistungen (für den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf) für Menschen mit Beeinträchtigungen nicht in der Behindertenhilfe, sondern in der Sozialhilfe geregelt. Solange ein Mensch mit Behinderung Wohnen, Verpflegung und Betreuung im Rahmen des vollbetreuten Wohnens in der Behindertenhilfe erhält, sind seine Eltern von Kostenbeiträgen befreit und bleiben seine Ersparnisse unangetastet. Zieht er in eine eigene Wohnung und wird zum Sozialhilfebezieher, muss er zunächst seine Ersparnisse verbrauchen und die eigenen Eltern auf Unterhalt, schlimmstenfalls klagsweise, in Anspruch nehmen. Damit entsteht ein Widerspruch zu Art 28 Abs 1 UN-Behindertenrechtskonvention, wonach eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen angestrebt werden soll. Die Armutskonferenz schlägt hier vor, die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber Kindern mit Behinderungen mit dem 25. Lebensjahr zu begrenzen. Damit muss auch die bestehende Verpflichtung enden, dass erwachsene Menschen mit Behinderungen ihre eigenen Eltern auf Unterhalt verklagen müssen.

30 Prozent bekommen nicht, was ihnen helfen würde.

In der Sozialhilfe in Niederösterreich, Oberösterreich oder der Steiermark gibt es eine Reihe von Missständen. Besonders auch in den ländlichen Regionen. Jeder dritte Anspruchsberechtigte bekommt die Leistung aus dem unteren sozialen Netz nicht. Die Gründe: soziale Scham, Angst vor Stigmatisierung, Uninformiertheit, bürokratische Hürden und bürgerunfreundlicher Vollzug auf den Ämtern. Wäre die Inanspruchnahme «vollständig», würde die Armutsgefährdung in Österreich um fast ein Prozent sinken, das hieße 60.000 Menschen weniger in Armut.

Neue Mindestsicherung: Grundrechte statt Almosen, Chancen statt Abstieg, Achtung statt Beschämung

„Wir brauchen eine neue Mindestsicherung, die Existenz, Chancen und Teilhabe sichert“, fordert das Netzwerk angesichts der Missstände in der Sozialhilfe die Regierungsverhandler zu einer ordentlichen Sanierung auf. Um sozialen Krisen effektiv entgegentreten zu können, braucht es: Grundrechte statt Almosen, Chancen statt Abstieg, sozialer Ausgleich statt Spaltung, Achtung statt Beschämung. Die Armutskonferenz hat Vorschläge für eine bessere Mindestsicherung vorgelegt, die eine effektive Soforthilfe, kürzere Entscheidungsfristen, Dienstleistungen und Alltagshilfen, Ausbildungsoptionen, Unterhaltsreform und den tatsächlichen Wohnbedarf umfassen.

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