Mit:
Dr. Katrin Vohland, Generaldirektorin und wissenschaftliche Geschäftsführerin, NHM Wien
DI Christian Fischer, Abteilungsleiter Gebäude & Sicherheit, NHM Wien
Mag. Manuela Legen-Preissl, Stellv. Leiterin, Landeskonservatorat für Wien, Bundesdenkmalamt
Architekt Gustav Pichelmann, Atelier Pichelmann
MMag. Dr. Doris Karner, Leiterin der Abteilung IV/b/11, BMKOES
Der Saal XIX des Naturhistorischen Museums im Wandel der Zeit
Nach der Schleifung der Stadtmauern, initiiert 1857 von Kaiser Franz Joseph I., wurden im Rahmen des Ringstraßenbaus zwei Zwillingsmuseen für die Hofsammlungen konzipiert. Die Gesamtplanung der Museen oblag den Architekten Gottfried Semper (1803-1879) und Karl von Hasenauer (1833-1894). Bei der Konzeption und Ausstattung des Naturhistorischen Museums war auch der erste Direktor, Ferdinand von Hochstetter (1829-1884), eine wichtige Einflussgröße. Sammlungsorganisation und Dekoration sollten nach seinem Plan die Theorie der Evolution vermitteln. Hochstetter wählte die Inhalte des Dekorationsprogrammes, das auf die Sammlungen abgestimmt war.
Wichtiger Bestandteil von Hochstetters „Evolutionsmuseum“ war die Eingliederung der humanwissenschaftlichen Fächer in das Naturhistorische Museum, darunter der Ethnographie.
Bei der Eröffnung des Museums im Jahr 1889 enthielt der Saal XIX die ethnographischen Sammlungen aus Afrika. Das Bildprogramm zeigte die heiligen Berge der Menschheit und wurde von dem Maler und späteren Direktor der Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums, August Schäffer (Edler von Wienwald) (1833-1916), geschaffen.
1927 wurden die ethnographischen Sammlungen aus dem Naturhistorischen Museum ausgesiedelt.
Heute bilden sie im schräg gegenüber befindlichen Corps de Logis der Hofburg ein eigenes Museum: das Weltmuseum Wien. Durch den Auszug der Sammlungen wurde im Naturhistorischen Museum die sonst für das Museum so typische Verbindung zwischen Ausstellung und Dekoration (Gesamtkunstwerk) zerstört.
Bereits im Jahr 1935 befand sich im Saal XIX ein provisorisch eingerichteter Vortragssaal. 1956 wurde mit der Planung eines vollwertigen Kinosaales begonnen. 1960 – unter der Direktion von Hans Strouhal (1951-1962) wurde der Raum schließlich massiv umgestaltet und als Kino- und Vortragssaal ausgestattet. Decken und Wände wurden verschalt, sodass nichts mehr von der historistischen Ausstattung sichtbar blieb. Ebenfalls 1960 wurden die Gemälde des Saales, die nunmehr hinter der Verschalung verschwunden wären, ver- bzw. eingelagert. Ein Bild gingen verloren: Ararat. Zwei Gemälde, nämlich Adam’s Peak und Fujiyama, befinden sich heute in Saal IX, und zwei Bilder wurden aus dem Depot geholt und wieder angebracht: Chimborazo und Kilimanjaro.
Die Planung und Gestaltung des im Jahr 1960 eröffneten Vortags- und Kinosaales stammte von dem Wiener Architekten Dipl. Ing. Albrecht F. Hrzan (1903-1975), vom dem auch das Filmcasino gestaltet worden war. Ganz im Stil der Zeit wurde der Saal mit Mahagoni-furnierten Spanplatten verblendet und der Boden mit Linoleum-Fliesen ausgelegt. Der mit einer echten Kinobestuhlung und der damals modernsten Kinotechnik ausgestattete Saal fasste 202 Personen.
Ein weiterer Umbau des „Kinosaales“ erfolgte in den 1990er Jahren unter der Direktion von Heinz A. Kollmann (1987-1994). Um aus dem Kinosaal einen Mehrzwecksaal zu machen, wurde eine neue Decke eingezogen und der ehemals ansteigende Boden mit der Kinobestuhlung entfernt. Der Fußboden wurde mit Spannteppich ausgelegt und eine variable und temporär entfernbare Bestuhlung wurden neu angeschafft. Von der 1960er-Kinosaal-Ausstattung von Architekt Hrzan war zuletzt nur noch die Wandverkleidung aus mit Mahagoni-furnierten Platten erhalten.
(Dr. Stefanie Jovanovic-Kruspel, NHM Wien)
Neugestaltung des Vortragsaales durch Architekt Gustav Pichelmann:
„Schatten der Geschichte“
Die Neugestaltung des Saals durch ARGE A P Z architekturconsult I Atelier Pichelmann I Zone Media verbindet moderne Funktionalität mit der historischen Identität des Hauses. Statt das „Raum-in-Raum“-Konzept der 60er Jahre beizubehalten, wurden im Zuge einer behutsamen Restaurierung verborgene Gestaltungselemente wieder erneut sichtbar gemacht, restauriert und in die neue Raumgestaltung integriert.
Das architektonische Konzept nimmt seinen Ausgangspunkt in einem bewusst zurückhaltenden „leeren Raum“, dessen Wand- und Deckenstuckaturen durch mit teils rekonstruierten Details rückgeführt wurden und dessen Boden analog zu den umliegenden Sälen ausgeführt ist.
Trotz der hohen Nutzungsanforderungen gelang es dem Architekten, sämtliche Elemente der technischen Ausstattung in minimalinvasive Einbauten zu integrieren: Vier freistehende Stelen entlang der Längswände und zwei optisch unabhängige Wandscheiben dienen als funktionale Träger. Sie vereinen eine Vielzahl von Funktionen wie Belüftung, Beleuchtung, Schallabsorption, Stauraum und mehr, ohne Raum zu beanspruchen.
Eine Reminiszenz an die ursprüngliche, verlorengegangene Raumgestaltung, die zugleich das verbindende Element zu den übrigen Sälen des Stockwerks herstellt, wird durch farblich akzentuierte Schatten subtil in den Raum gebracht. So entstehen gestalterische Leerflächen, die – ebenso wie die freien Gemälderahmungen in der Stuckatur des Frieses – auf die abwechslungsreiche Geschichte des Raumes hinweisen.
Das Naturhistorische Museum Wien dankt dem BMKOES für die Finanzierung der Baumaßnahmen sowie dem Bundesdenkmalamt und der Burghauptmannschaft Österreich für die gute Zusammenarbeit bei dem Bauprojekt.
Presse-Präsentation des NEUEN VORTRAGSSAALES
Datum: 09.12.2024, 10:30 Uhr
Art: Pressetermine
Ort: NHM Wien
Maria Theresien Platz
1010 Wien
Österreich
URL: https://nhm-wien.ac.at/presse/pressemitteilungen2024/vortragssaal_neu
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